Autos – leicht und crashsicher
Archivmeldung vom 01.08.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLeichte und zugleich unfallsichere Autos zu bauen – das muss sich nicht ausschließen. Mit einer neuen Leichtbautechnologie erfüllen Forscher diesen Anspruch. Damit senken sie nicht nur den Kraftstoffverbrauch, sondern auch die Herstellungskosten.
Die Automobilbranche muss umdenken: Nachdem jahrelang immer schwerere Autos gebaut wurden, müssen Fahrzeuge künftig leichter werden sowie ihren Verbrauch und CO2-Ausstoß senken. Reduzieren die Autobauer die durchschnittlichen CO2-Emissionen ihrer Pkws nicht drastisch, drohen ihnen hohe Bußgelder. Das hat die EU-Kommission in einer neuen Gesetzgebung festgelegt. Eine Möglichkeit, den Verbrauch entscheidend zu senken, ist der Leichtbau – die Autos müssen abspecken. Doch die Sicherheit der Fahrzeuginsassen darf darunter nicht leiden – eine große Herausforderung für Automobilkonstrukteure, die diesen gegensätzlichen Anforderungen nachkommen müssen. Bisher besteht die Fahrzeugkarosserie über- wiegend aus einer homogenen Stahlblechkonstruktion mit konstanten Bauteilblechdicken. Besonders lokal beanspruchte Bauteile werden dabei häufig überdimensioniert, da die Wandstärke entsprechend der höchsten lokalen Belastung ausgelegt werden muss. Das heißt, in niedrig belasteten Bereichen ist die Blechdicke höher als erforderlich, was ein unnötig hohes Bauteilgewicht zur Folge hat. Zudem setzt die Branche verbreitet preisintensive hochfeste Stahlbleche ein. Derzeit muss also stets ein Kompromiss zwischen Bauteilmasse, -kosten und Crashsicherheit eingegangen werden.
Forscher vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden haben jetzt eine Leichtbautechnologie entwickelt, mit der sich die Fahrzeugmasse senken und gleichzeitig eine ausreichende Crashsicherheit garantieren lässt. »Sicherheit und Leichtbau müssen kein Widerspruch sein«, sagt Markus Wagner, Wissenschaftler am IWS. Um die Eigenschaften von Karosseriebauteilen präziser auf die wirkenden Belastungen abzustimmen, verfolgen der Ingenieur und seine Kollegen einen neuartigen Ansatz: die »Lokale Laserverfestigung«. Dabei setzen die Experten auf kostengünstige, niedrigfeste Stahlbleche mit minimierter Wanddicke. Diese werden lediglich in den stark beanspruch- ten Bereichen lokal verfestigt. Hierfür führen die Experten einen fokussierten Laserstrahl über die Oberfläche des unbehandelten Blechs. Die so behandelten Zonen erwärmen sich oder schmelzen sogar auf und erstarren anschließend. Die Wärme wird schnell ins angrenzende kalte Material abgeleitet, wodurch sich die Spur rasch abkühlt. Dadurch entstehen harte Phasen und der Werkstoff wird deutlich verfestigt. »Wir erreichen Festigkeiten von bis zu 1500 MPa (Megapascal). Das entspricht etwa dem zweifachen des unverfestigten Grundwerkstoffs«, sagt Wagner. »Vor allem vordere und hintere Stoßträger am Fahrzeug sowie B-Säule und diverse Versteifungsprofile können wir so gewichts- und belastungsoptimiert gestalten.«
Bauteil biegt sich nur halb so stark durch
Crashbelastungen bewirken komplexe Hochgeschwindigkeits-Deformationen im Bauteil. Durch das lokale Laserverfestigen streben die Wissenschaftler einen höheren Deforma- tionswiderstand an. Je weniger sich das Karosserieteil durchbiegt, desto geschützter ist der Autofahrer. Zugleich lässt sich das Versagensverhalten beeinflussen, indem die Position der ersten plastischen Deformation vorgegeben wird. Damit dies gelingt, müssen die Forscher die optimale Lage und Geometrie der Verfestigungsspuren ermitteln. Sollen die Spuren spitz, schräg oder längs verlaufen? Wie muss das Material beschaffen sein, um die schwer deformierbare Verfestigungszone zu optimieren? All dies können die Forscher in Simulationstests am Computer feststellen. »Mit unseren Simulationen sind wir in der Lage, Praxistests abzubilden. Versuch und Simulation weichen nur um wenige Millimeter voneinander ab«, so Wagner.
Mithilfe der numerischen Simulation haben der Wissenschaftler und sein Team ein crashoptimiertes Spurdesign für eine Biegebelastung entwickelt, wie sie beispielsweise beim Frontalaufprall auf einen Baum oder beim Seitencrash auftreten kann. Unter Einsatz des Lasers wurde das Spurdesign auf reale Bauteile übertragen. »Wir konnten die Durchbiegung eines lokal laserverfestigten Rohrprofils im Vergleich zur Referenz halbieren – und das, obwohl wir nur drei Prozent des Bauteilvolumens lokal verfestigt haben. Die Crashperformance wurde also verdoppelt«, resümiert Wagner die Ergebnisse.
Im Kundenauftrag haben die Forscher des IWS das Verfahren bereits auf diverse Crashprofile und Sitzkomponenten angewendet. Durch die neue, belastungsgerechte Gestaltung können sie die Wandstärke deutlich reduzieren und damit bis zu 20 Prozent Bauteilgewicht einsparen, ohne dabei die Crashsicherheit zu vernachlässigen. Im nächsten Schritt wollen Wagner und seine Kollegen ihre Technologie durch ein automatisiertes Optimieren der Spurgeometrie perfektionieren.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft (idw)