Signale aus dem Blut der Mutter fördern die Reifung des Gehirns
Archivmeldung vom 11.09.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Reifung des Gehirns ungeborener Babys bekommt einen Schubs von der Mutter: Ein Eiweißbotenstoff aus dem Blut der Mutter gelangt über die Plazenta in den Embryo und regt dort die Nervenzellen des Gehirns zum Wachstum und zur Verschaltung an.
Neurowissenschaftler aus Bochum (Prof. Dr. Petra Wahle, Entwicklungsneurobiologie der Ruhr-Universität), Magdeburg (Dr. Peter Landgraf, Prof. Dr. Michael R. Kreutz) und Münster (Prof. Dr. Hans-Christian Pape) haben jetzt diesen Signalweg im Detail untersucht und diejenigen Moleküle im Gehirn des Embryos identifiziert, die mit dem mütterlichen Botenstoff interagieren. Damit gelang ihnen ein entscheidender Schritt zum Verständnis dieses Signalweges. Ihre Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe des Journal of Biological Chemistry veröffentlicht.
Immunsystem der Mutter produziert Signalmolekül
Bereits in früheren Arbeiten gelang den Wissenschaftlern die Isolierung des kleinen Peptid-Botenstoffes "survival promoting peptide / Y-P30", welches eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung des Gehirns von Embryonen und Neugeborenen spielt. Y-P30 verbessert das Überleben von Nervenzellen des Thalamus (Zwischenhirn) und fördert die Bildung von Zellausläufern von Nervenzellen aus dem Kleinhirn und dem Thalamus. "Interessanterweise wird Y-P30 nicht im reifenden Gehirn selbst synthetisiert", erklärt Prof. Wahle. "Vielmehr wird es während der Schwangerschaft von bestimmten Immunzellen im Blut der Mutter gebildet, gelangt von dort über die Plazenta in den Embryo und reichert sich unter anderem in Neuronen der Großhirnrinde an." (Landgraf P, Sieg F, Wahle P, Meyer G, Kreutz MR, Pape HC (2005) A maternal blood-borne factor promotes survival of the developing thalamus. FASEB Journal 19:225-227). Die Wissenschaftler konnten das Peptid im Gehirn von Föten und Neugeborenen der Ratte, der Maus und des Menschen nachweisen.
Botenstoffe benötigen Rezeptoren um zu wirken
Um die biologische Rolle des Botenstoffs zu untersuchen und seine Wirkmechanismen aufzuklären, war es danach von zentralem Interesse, mögliche Rezeptoren für Y-P30 zu finden. Jetzt gelang die Identifizierung von Molekülen, die mit Y-P30 interagieren. Es handelt sich zum einen um Pleiotrophin, ein Protein des Extrazellulärraums. Des Weiteren interagieren die so genannten Syndecane, Proteine der Zelloberfläche. Für beide Bindepartner war bereits bekannt, dass sie das Nervenzellwachstum fördern können. Die Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass Y-P30 die Bildung des Signalkomplexes aus Pleiotrophin und Syndecanen fördert und den Komplex stabilisiert. Die Signalgebung in die Nervenzellen wird verstärkt und fördert das Wachstum der Zellfortsätze. In parallel laufenden Arbeiten der Bochumer Wissenschaftler Prof. Petra Wahle und Suvarna Wagh, Doktorandin im Graduiertenkolleg 736, konnte eine direkte Wirkung des Y-P30 Peptids auf das Wachstum von Axonen (Nervenzellfortsätzen) gezeigt werden. Der Signal-Rezeptor-Komplex aus Y-P30, Pleiotrophin und Syndecan scheint somit die Entwicklung der axonalen Projektionsbahnen und der Verschaltung des Gehirns zu fördern.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.