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Instabiler Antarktischer Eisschild hat in der Vergangenheit zum Meeresspiegelanstieg geführt

Archivmeldung vom 31.05.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.05.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Glaziologische und ozeanographische Prozesse an der antarktischen Küste
Glaziologische und ozeanographische Prozesse an der antarktischen Küste

Foto: Hannes Grobe, Alfred Wegener Institute for Polar and Marine Research, Bremerhaven, Germany
Lizenz: CC-BY-SA-2.5
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Antarktische Eisschild hat zum Ende der letzten Eiszeit in kurzer Zeit sehr viel Eis verloren und damit den Meeresspiegel weltweit rasant um mehrere Meter ansteigen lassen. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam in einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature veröffentlicht wurde.

Das Gemeinschaftsprojekt von Geologen und Klimawissenschaftlern belegt, dass ein instabiler antarktischer Eispanzer das Klima auf der Südhalbkugel schlagartig verändern kann und liefert gleichzeitig wichtige Hinweise dafür, wie sich der aktuelle Klimawandel auf die Eismassen am Südpol auswirken könnte.

Mit ihrer Studie liefern die Wissenschaftler den ersten Beweis dafür, dass der Massenverlust des Antarktischen Eisschildes wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Meeresspiegel am Ende der letzten Eiszeit rasant anstieg. In dem Zeitraum vor 18.000 bis 9.000 Jahren kalbten antarktische Gletscher innerhalb weniger Jahrzehnte immer wieder ungewöhnlich viele und große Eisberge. Eine dieser Eisberg-Fluten war für die Wissenschaftler dabei von besonderem Interesse. Sie ereignete sich vor 14.600 Jahren und fällt somit genau in jenen Zeitraum, in dem der weltweite Meeresspiegel in weniger als 500 Jahren um bis zu 16 Meter anstieg. Die Hälfte dieses Anstiegs können die Wissenschaftler jetzt auf den plötzlichen Eismassenverlust in der Antarktis zurückführen.

Wie konnte es zu diesen schnellen Massenverlusten kommen? Um dies herauszufinden, untersuchte das Forscherteam unter der Leitung des Geologen Dr. Michael Weber von der Universität zu Köln zunächst zwei bis zu 50 Meter lange Sedimentkerne aus der Scotiasea, dem Meer zwischen den Falklandinseln und der Antarktischen Halbinsel. Es gilt als Hauptroute für treibende Eisberge und als ihre finale Station. „Die Eisberge tragen Geröll vom Festland in das offene Meer. Schmilzt das Eis, sinken die Steinchen zum Meeresgrund und lagern sich dort Schicht für Schicht ab. Anhand der Proben konnten wir also feststellen, zu welcher Zeit besonders viele Eisberge in diese Region getrieben sind“, erklärt Dr. Gerhard Kuhn, Geologe am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und Co-Autor der Studie.

Die Eisberg-Daten aus den Sedimentkernen flossen anschließend in Klimamodelle. Mit deren Hilfe rekonstruierten die Wissenschaftler, welche Umweltveränderungen damals zum Massenverlust des Antarktischen Eisschildes geführt haben. Sie stellten fest, dass gegen Ende der letzten Eiszeit ungewöhnlich warme Wassermassen in Richtung Antarktis geströmt waren und das Kalben der Gletscher ausgelöst hatten.

Die Klimamodelle zeigten außerdem, dass die schmelzenden Eismassen den Warmwassereinstrom in die Antarktis verstärkten – eine positive Rückkopplung, die dazu führte, dass immer mehr Eisberge vom Eisschild abbrachen. Diese abrupte Veränderung des Eispanzers überraschte die Wissenschaftler. „Der Übergang von der letzten Eiszeit in die nachfolgende Zwischeneiszeit verlief eigentlich sehr langsam. Die Ergebnisse der Modelle lassen also vermuten, dass die positive Rückkopplung eine ursprünglich eher geringe Klimaveränderung erheblich verstärkt hat und so der Eisschild viel schneller als zuvor angenommen instabil geworden ist“, erklärt Prof. Dr. Gerrit Lohmann, Klimamodellierer am Alfred-Wegener-Institut und Co-Autor der Studie.

Die Studie ermöglicht es Wissenschaftler zu verstehen, welche Prozesse in der Vergangenheit zu großen Eismassenverlusten des Antarktischen Eisschildes geführt haben. Die Ergebnisse sind jedoch auch wesentlich, um Szenarien über mögliche zukünftige Veränderungen zu entwickeln. „Unsere Daten liefern wichtige Vergleichswerte dafür, wie sich die vom Menschen verursachten Klimaveränderungen auf das antarktische Eisvolumen und auf den globalen Meeresspiegelanstieg auswirken können“, sagt Prof. Dr. Gerrit Lohmann.

Um die Untersuchungen für ihre Studie zu ermöglichen, hatten Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts auf drei Expeditionen des AWI-Eisbrechers Polarstern die Region um die Scotiasea vermessen und Bodenproben genommen. So konnten sie sicherstellen, dass in dieser Region die Ablagerungen am Meeresgrund ausreichend hochauflösend waren – das heißt, dass die einzelnen Sedimentschichten und somit die Erdzeitalter gut voneinander zu unterscheiden waren. Die zwei Sedimentkerne für diese Studie wurden anschließend mit finanzieller Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft von Bord des französischen Forschungsschiffes Marion Dufresne geborgen.

Aktuell haben amerikanische Kollegen den Rückzug mehrerer Gletscher in der Westantarktis beobachtet. Einige, so vermuten sie, könnten kurz davorstehen, zusammenzubrechen. "Besonders die Gletscher, die in die Amundsensee fließen, zeigen diese hohen Rückzugsraten und sind - so Modellierungen - potentielle Kandidaten für einen Kollaps. Anfang 2015 werden wir mit der Polarstern in dieses Gebiet fahren und durch Bohrungen in den Meeresboden weitere Daten über das Verhalten des Westantarktischen Eisschildes in der Vergangenheit sammeln", erklärt Dr. Gerhard Kuhn.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (idw)

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