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Verhungern trotz Fettpolstern

Archivmeldung vom 08.05.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.05.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Akkumulation von Fetttreihen (rot) im Speicherfettgewebe von Fliegen, deren Fettmobilisierung blockiert ist (rechts) im Vergleich zu dem normaler Fliegen (links). Bild: Ronald P. Kühnlein
Akkumulation von Fetttreihen (rot) im Speicherfettgewebe von Fliegen, deren Fettmobilisierung blockiert ist (rechts) im Vergleich zu dem normaler Fliegen (links). Bild: Ronald P. Kühnlein

An fetten Fliegen haben Max-Planck-Forscher wichtige Erkenntnisse über den Fettstoffwechsel gewonnen. Ihnen ging es um die Frage, wie viele und welche Mechanismen bei dieser elementaren Funktion des Energiehaushaltes mitwirken. In ihren Versuchen mit Mutanten der Taufliege Drosophila entdeckten sie, dass zwei biochemische Schlüsselmechanismen die Speicherung und insbesondere die Mobilisierung von Fettreserven im Körper steuern. (PLoS Biology, 7. Mai 2007)

Um Fettreserven zu speichern und zu mobilisieren, agieren in einem gesunden Organismus verschiedene Mechanismen in feiner Balance. Wird diese gestört, hat dies schwerwiegende Folgen, wie die Forscher vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen in ihren Taufliegen-Experimenten beobachten konnten. Sie hatten bei den Tieren zwei Mechanismen einzeln oder gemeinsam inaktiviert. Dabei stellte sich heraus, dass eine doppelte Störung nicht nur extrem fettleibig macht, sondern auch die Fähigkeit des Körpers aufhebt, in Notzeiten auf die Energiereserven zuzugreifen. Taufliegen mit einer Doppelmutation setzten viermal so viel Fett an wie gewöhnliche Artgenossen. Trotzdem verhungerten diese fetten Brummer bei einer Nulldiät schneller als normale Fliegen. Exemplare, bei denen sie nur einen der beiden Mechanismen deaktiviert hatten, setzten zwar auch mehr Fett an als üblich, konnten aber während einer Hungerperiode auf ihre Ressourcen zurückgreifen - wenn auch nur eingeschränkt. Immerhin: Fürs Überleben reichte es.

Ronald Kühnlein und seine Kollegen erforschen am Göttinger Max-Planck-Institut die Taufliege Drosophila. Speziell interessieren sie sich dafür, wie ihr Fettstoffwechsel im Detail funktioniert. Diesmal ging es ihnen um die Mechanismen bei der Mobilisierung (Lipolyse) von gespeichertem Fett im Fliegenkörper. Wie Drosophila ihre Fettreserven speichert, hatten sie bereits in einer früheren Studie herausgefunden. Die Taufliege lagert sie in Form von Fetttröpfchen in den Zellen spezieller Speichergewebe ein - wie man dies auch von Säugetieren kennt. "Die chemische Zusammensetzung dieses Speicherfetts ist identisch", sagt Kühnlein: "In beiden Fällen handelt es sich um Triglyzeride." Auch die Art der Mobilisierung der Fettreserven sei verblüffend ähnlich bei Taufliege und Mensch. "Wenn Fett verstoffwechselt werden soll, braucht man Fett spaltende Enzyme: die Brummer-Lipase beim Insekt und bei Säugetieren die so genannte ATGL", so der Forscher. "Damit haben wir zwei sehr ähnliche Proteine, die in sehr unterschiedlichen Organismen denselben Job ausüben." Die großen Gemeinsamkeiten zwischen Insekten und Säugetieren seien kein Zufall, ist er überzeugt. "Es handelt sich vermutlich um sehr alte Mechanismen, die auf gemeinsame Urahnen von Säugetieren und Insekten zurückgehen." Wenn sich in der Natur ein Verfahren entwickelt hat, das sich bewährt, werde dieses eben evolutionär konserviert.

Durch die Spaltung wird das Speicherfett wieder verfügbar für den Körper. Diese Mobilisierung gehört zu den wichtigen Überlebensstrategien tierischer Organismen. Schließlich ist Fett ihre Hauptenergiereserve. Doch sind große Mengen Körperfett allein noch kein Garant fürs Überleben in Hungersnöten, man muss auch Zugriff auf die Fettdepots haben. Und genau diese Fähigkeit besaßen einige der Versuchsfliegen im Göttinger Labor nicht mehr oder nur in eingeschränkter Form. Bei ihnen waren bestimmte Mechanismen ausgeschaltet, von denen man weiß, dass sie für den Fettstoffwechsel wichtig sind. Der erste Gendefekt betraf die Brummer-Lipase. Den zweiten Defekt bauten die Forscher bei dem Rezeptor für das Hormon AKH ein, das einen Signalweg zur Mobilmachung der Fettreserven im Fettgewebe aktiviert.

Wie die Versuche mit den Drosophila-Mutanten zeigten, befanden sich Kühnlein und seine Kollegen bei ihrer Suche nach den zentralen Schlüsseln für die Fettmobilisierung auf der richtigen Spur. Taufliegen, deren Rezeptor für das Hormon AKH ausgeschaltet war, setzten mehr Fett an als normale Artgenossen, überlebten aber eine Nulldiät über längere Zeit. "Ihre Fähigkeit zur Fettmobilisierung war lediglich eingeschränkt", so Kühnlein. Gleiches gilt für jene Mutanten, bei denen das Brummer-Gen eliminiert war. Auch sie verfetteten deutlich, verhungerten aber erst nach längerem Nahrungsentzug. Schlechter erging es jenen Exemplaren, bei denen beide Gene, für Brummer und den AKH-Rezeptor, ausgeschaltet waren. Diese Doppelmutanten wurden viermal so fett wie normale Artgenossen, wobei sie selbst kurze Hungerperioden nicht überlebten. "Die hatten überhaupt keinen Zugriff auf ihre Fettreserven mehr", beschreibt der Göttinger Fliegenforscher seine Beobachtung. Für ihn ist damit das Fazit klar: "Es gibt in Drosophila also nur zwei Mechanismen der Fettmobilisierung. Denn wenn beide Mechanismen ausgeschaltet sind und die Fliegen allem Körperfett zum Trotz ohne Nahrung innerhalb kürzester Zeit sterben, kann es keinen dritten Weg geben, um an die Fettspeicher zu kommen."

Die kleine Taufliege eignet sich durchaus als Modell für den Menschen. Zumindest, was den Fettstoffwechsel betrifft. Ob es allerdings auch beim Menschen nur zwei Mechanismen gibt, die Speicherung und Mobilisierung von Körperfett ausbalancieren, gilt es noch zu klären. "Im Menschen gibt es sehr ähnliche Rezeptoren wie den für AKH, die ebenfalls eine Rolle im Fettstoffwechsel spielen", gibt Kühnlein zu bedenken. "Das ist zwar keineswegs ein Beweis dafür, dass die Regulation des Fettstoffwechsels bei Menschen und Fliegen identisch ist. Es ist aber zumindest sehr auffällig."

Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

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