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Drei Nervenzellen reichen, um eine Fliege zu steuern

Archivmeldung vom 08.12.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.12.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
HS-Zellen im Fliegenhirn reagieren auf großflächige, horizontale Bewegungen der Umwelt – und können mit diesen Informationen die Fliegenbeine auf der rechten oder der linken Körperseite bremsen
Quelle: (c) MPI für Neurobiologie, Julia Kuhl (idw)
HS-Zellen im Fliegenhirn reagieren auf großflächige, horizontale Bewegungen der Umwelt – und können mit diesen Informationen die Fliegenbeine auf der rechten oder der linken Körperseite bremsen Quelle: (c) MPI für Neurobiologie, Julia Kuhl (idw)

Uns wirft so schnell nichts um. Eine Fruchtfliege kann dagegen schon ein kleiner Windstoß vom Kurs abbringen. Drei große Nervenzellen in jeder Hälfte des Fliegenhirns reichen jedoch aus, um die Fliege mit Hilfe visueller Signale wieder auf Kurs zu bringen.

Bewegen wir uns vorwärts, zieht die Umwelt in die entgegengesetzte Richtung an unseren Augen vorbei. Drehen wir uns, verschiebt sich das Bild der Umwelt im einen Auge von hinten nach vorn, im anderen Auge von vorn nach hinten. Diesen „optischen Fluss“ benutzen Wirbeltiere genauso wie Insekten, um ihre eigenen Bewegungen zu kontrollieren. Damit das funktionieren kann, müssen Nervenzellen existieren, die sich auf bestimmte Bewegungsrichtungen spezialisiert haben.

Im Gehirn von Fliegen reagieren drei große, sogenannte HS-Zellen in jeder Hirnhälfte auf großflächige, horizontale Bewegungen. Handelt es sich dabei um eine Bewegung in die Lieblingsrichtung der Zellen, steigt ihr Membranpotential – sie depolarisieren, was in der Regel eine vermehrte Ausschüttung von Neurotransmittern auslöst. Auf eine Bewegung in die Gegenrichtung reagieren die Zellen mit sinkendem Membranpotential – sie hyperpolarisieren. Alex Mauss und Christian Busch vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie zeigen nun, dass tatsächlich beide Zellreaktionen das Laufverhalten der Fliegen beeinflussen.

Die beiden Wissenschaftler ließen Fruchtfliegen, umgeben von Monitoren, auf einem beweglichen Ball laufen. Aus der Bewegung des Balls konnten die Forscher leicht auf die beabsichtigte Bewegung der Fliege schließen: Ob sie geradeaus laufen oder sich drehen wollte. Auf den Monitoren bewegten sich währenddessen Streifenmuster horizontal – mal nur vor einem Auge, mal für beide, mal in dieselbe Richtung, mal entgegengesetzt.

Um die Aktivität der HS-Zellen zu manipulieren, hatten die Wissenschaftler diese mit lichtempfindlichen Ionen-Kanälen ausgestattet: eine Gruppe von Fliegen hatte Ionen-Kanäle in der Membran ihrer HS-Zellen, welche bei Belichtung die Zellen depolarisieren, eine andere Gruppe solche, die bei Belichtung die Zellen hyperpolarisieren. Überraschenderweise konnten sowohl de- als auch hyperpolarisierende Aktivitätsänderungen eine Drehung einleiten. „Das ist das erste Mal, dass jemand einen Einfluss einer Hyperpolarisation auf eine Bewegung zeigen konnte“, so Mauss.

Durch diese doppelte Funktion der HS-Zellen können sie – je nach Bedarf – die Beine auf der einen oder anderen Körperseite abbremsen: Registriert eine HS-Zelle eine Bewegung in ihre bevorzugte Richtung, verlangsamt sich durch ihre Aktivität die Laufgeschwindigkeit der Beine auf der gleichen Körperseite. Hyperpolarisiert die Zelle jedoch bei einer Bewegung in die Gegenrichtung, werden die Beine auf der gegenüberliegenden Körperhälfte langsamer. In beiden Fällen wird eine Drehbewegung eingeleitet, um einer ungewollten Kursänderung, zum Beispiel durch einen Windstoß, zu korrigieren.

Um sich jedoch gewollt zu drehen, schalten die Fliegen ihr HS-Zell-System vermutlich kurzzeitig ab. Auch beim Geradeauslaufen scheint es Gegenmaßnahmen zu geben, denn sonst würden die Tiere durch die HS-Zellen immer weiter abgebremst. „Wir nehmen an, dass die Fliegen die HS-Zell-Signale beim Geradeauslaufen mit einer internen Erwartung verrechnen und dadurch ihre bremsende Wirkung neutralisieren“, erklärt Alex Mauss. „Das können wir vielleicht in einem der nächsten Versuche zeigen.“

Quelle: Max-Planck-Institut für Neurobiologie (idw)

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