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Wie das Neue in die Welt kommt und warum Egoisten so freundlich sind

Archivmeldung vom 07.04.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Quelle: Grams
Quelle: Grams

Ein zentrales Problem der Verhaltensforschung ist die Erklärung der Evolution kooperativen Verhaltens. Wer setzt sich durch? Der Böse oder der Gute? Eine Computersimulation liefert verblüffende Antworten. Ein quelloffenes Simulationsprogramm (Java) ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts von Prof. Dr. Timm Grams vom Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der Hochschule Fulda.

Quelle: Grams
Quelle: Grams

Egoisten sind nach landläufiger Meinung ziemlich verachtenswerte Geschöpfe. Anerkennung genießt, wer sich für andere aufopfert. Dumm ist nur, dass er nicht lange lebt. Diese Art ist zum Aussterben verurteilt. Es sei denn, Opfer zahlen sich irgendwie doch aus. Und dann haben wir es wieder mit Egoismus zu tun: Weitwinkel-Egoismus. Egoismus ist das Einzige, worauf man sich verlassen kann. Und diese Erkenntnis ist schon seit Jahrtausenden quasi in Stein gemeißelt: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" heißt es in der Bibel. Egoismus ist überall. Doch kennen wir Rücksichtnahme, Fürsorglichkeit und sogar aufopferndes Verhalten. Wie lässt sich das erklären? Wie kann Altruismus - oder wenigstens kooperatives Verhalten - allein auf der Basis der Evolutionsmechanismen in einer Welt mit lauter Egoisten entstehen?

Wenn es sich erst einmal etabliert hat, ist kooperatives Verhalten durchaus konkurrenzfähig und kann den brutalen Selektionsprozess unter Betrügern und Listenreichen sehr gut überstehen. Das hat Robert Axelrod schon vor über zwei Jahrzehnten mit seinen Computerturnieren gezeigt. Sein Modell ist von verblüffender Einfachheit. Und es lässt weit reichende Schlüsse zu.
Die Interaktionen sind in seinem Modell auf die Situation des Gefangenen-Dilemmas reduziert und im Wettbewerb der Charaktere (Strategien) kann jeder auf jeden anderen treffen. Was unter diesen Bedingungen einfach nicht gelingen will, ist der schöpferische Prozess: Das Gute kann so nicht entstehen. Es sind immer zu viele feindlich gesinnte Seelen, mit denen das Neue zu tun hat. Das sind die Folgen des globalen Wettbewerbs.

Das Problem lässt sich lösen, wenn nicht mehr jeder auf jeden gehetzt wird, sondern wenn man die Ortsgebundenheit der Individuen als weiteres Element der Evolution hinzunimmt. So kann sich unter Nachbarn Vertrauen aufbauen. Und gemeinsam werden diese dann stark genug für die Auseinandersetzung mit den anderen.
Das von Prof. Timm Grams entwickelte Java-Programm KoopEgo kombiniert die Grundideen von Axelrods Computerturnieren (1984) mit dem Ansatz der Kugelspiele (Manfred Eigen und Ruthild Winkler, 1975). Es macht die Bedingungen sichtbar, unter denen in einer Welt aus Egoisten kooperatives Verhalten entstehen und sich behaupten kann.

Abbildung 1 zeigt, wie sich aus einem recht chaotischen Anfangszustand heraus nach einer Weile die Welt aufgrund der überall anzutreffenden Betrüger (grün und cyan) nahezu entvölkert hat (leere Plätze sind schwarz). Aber es sind auch schon erste Ansätze für Kolonien der Kooperation erkennbar (rot, magenta und blau). Der gutmütige Trottel (gelb) ist blind kooperativ und bei so viel Bosheit rundum auf der Verliererspur.
Etwas später hat sich das Bild (Abbildung 2) gründlich geändert: Die Betrüger sind auf dem Rückzug. Restbeständen sind nur noch in der Nähe gutmütiger Trottel zu finden. Übrig bleiben die freundlichen Strategen, die sich gegen Betrüger zu wehren wissen, beispielsweise Tit for Tat (rot), aber auch der konsequente Vergelter (magenta) und der Pawlow-Stratege (blau). Sogar einige gutmütigen Trottel sind gerettet. Wir finden sie inmitten von wehrhaften, aber grundsätzlich freundlichen Strategen.
Im Programm KoopEgo gibt es nicht nur die Grundstrategien. Über Eingabeparameter ist eine Vielzahl von Evolutionsbedingungen darstellbar.

Wer mehr wissen - oder das Programm ausprobieren - möchte, kann sich auf der Website von Professor Grams (www.hs-fulda.de/~grams) Texte und auch das Programm selbst runterladen. Da auch die Quelltexte mitgeliefert werden, steht es jedem frei, das Programm zu verbessern und zu erweitern. Als Gegenleistung bittet Timm Grams um eine Rückmeldung per E-Mail, auch mit Kritik, Verbesserungsvorschlägen, Erfahrungsberichten und Anregungen.

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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