Vom Nanodraht zum Nanoröhrchen
Archivmeldung vom 15.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür hohle Nanokristalle als hocheffiziente Katalysatoren oder Transportbehälter für Wirkstoffe besteht heute ein großer Bedarf. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle haben jetzt ein neues Verfahren vorgestellt, mit dem sich Nanoröhren aus chemischen Verbindungen in hoher Qualität und in großer Zahl herstellen lassen.
Die Forscher nutzen den bei der Diffusion in Festkörpern auftretenden
Kirkendall-Effekt aus, um aus Nanodrähten, die aus einer chemischen Verbindung
im Kern und einer anderen Verbindung in der Hülle bestehen, Nanoröhren einer
noch komplexeren Verbindung herzustellen. Daneben gelang ihnen auch der
Nachweis, dass man mit dieser Methode auch Nanodrähte selbst sehr effizient
herstellen kann (Nature Materials, August 2006).
Nanoröhren aus Verbindungsmaterialien können auf ganz
verschiedene Weise erzeugt werden - etwa durch Aufrollen von Schichtmaterialien,
das Beschichten von Templaten oder das Herauslösen des Kerns aus einem
Kern-Hülle-Nanodraht. Doch bei Verbindungsmaterialien, die aus drei Elementen
bestehen, zeigen die meisten der bisher verwendeten Methoden Mängel oder
Grenzen: Entweder benötigt man geschichtete Materialien oder Template wie
poröses Aluminiumoxid, oder die realisierten Nanoröhren haben ein zu kleines
Verhältnis von Länge zu Durchmesser. Hinzu kommt, dass die Kristallinität der
Nanoröhren bei diesen Methoden unzureichend ist.
Die Wissenschaftler am
Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik haben nun eine neue, universell
einsetzbare Technik vorgestellt, mit der man Nanoröhren aus ternären - also aus
drei Elementen bestehenden - chemischen Verbindungen herstellen kann. Die
Forscher demonstrierten die Methode am Beispiel von ultralangen, einkristallinen
ZnAl2O4 Nanoröhren (Durchmesser: ca. 40 Nanometer,
Wandstärke: etwa 10 Nanometer).
Diese Nanoröhren werden durch eine
Festkörperreaktion erzeugt, die durch einen Diffusionsprozess vermittelt wird,
welcher zwischen ZnO (Kern) und Al2O3 (Hülle) stattfindet,
und zwar vermittels Leerstellenaustauschs. Leerstellen sind Stellen im
Kristallgitter, an denen ein Gitterplatz unbesetzt ist. Der Kirkendall-Effekt,
eine bei Diffusion von Leerstellen vorkommende Asymmetrie der auftretenden
Diffusionsgeschwindigkeiten, die zur Bildung von Poren führen kann, haben die
Forscher hier zum ersten Male gezielt auf eindimensionale Nanostrukturen
angewendet. Aufgrund der besonderen geometrischen Randbedingungen, die infolge
der Zylindersymmetrie der Nanodrähte gegeben sind, können die sich bildenden
Poren den Nanodraht nicht verlassen, so dass sie sich in der Mittelachse
anreichern und am Ende einen Hohlraum in Form einer Röhre ergeben. Die Forscher
haben auf diese Weise Nanoröhren des Spinells ZnAl2O4
hergestellt. Spinelle sind Verbindungen des Typs AB2O4,
die kubisch kristallisieren und vielfältige Anwendungen, z.B. in der
Nachrichtentechnik und Katalyse, finden.
Die neue Methode hat im
Vergleich zu anderen Techniken den Vorteil, dass die Poren bzw. Hohlräume nicht
vorab speziell erzeugt werden müssen, weshalb man damit sogar komplex geformte,
dreidimensionale hohle Nanostrukturen herstellen kann. Außerdem können
Nanoröhren mit einem sehr großen Verhältnis von Länge zu Durchmesser erzeugt und
in großen Mengen gleichzeitig hergestellt werden, was wiederum für mögliche
Anwendungen eine wichtige Voraussetzung ist. Zudem ist das Ausgangsmaterial ZnO
(das z.B. auch in medizinischen Salben enthalten ist) physiologisch sehr gut
verträglich. Ferner zeichnet sich die Möglichkeit ab, dass man diese Methode
auch auf andere ZnO- oder MgO-basierte Spinell-Nanostrukturen mit angepasster
chemischer Zusammensetzung und mit entsprechenden interessanten Eigenschaften
übertragen kann.
[MZ/AT]
Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.