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Pollen beeinflussen die optischen Eigenschaften der Atmosphäre

Archivmeldung vom 18.12.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.12.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Stationäre und portable Lidargeräte im Einsatz am TROPOS in Leipzig.
Quelle: Foto: Tilo Arnhold/TROPOS (idw)
Stationäre und portable Lidargeräte im Einsatz am TROPOS in Leipzig. Quelle: Foto: Tilo Arnhold/TROPOS (idw)

Blütenstaub kann offenbar mehr Licht reflektieren als bisher angenommen. Pollen können bis zu einem Drittel der Gesamtmenge an Aerosolpartikeln ausmachen, die die optische Dicke, also das Maß für die Lichtdurchlässigkeit der Atmosphäre, beeinflussen. Dies berichten Forscher des Gwangju Institute of Science & Technology (GIST) aus Korea und des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) im Fachjournal Atmospheric Environment. Die jetzt veröffentlichte Studie ist eigenen Angaben zufolge die erste, die jemals die optischen Eigenschaften natürlicher Pollen mit Hilfe eines Lasers der Wellenlänge von 532 Nanometer untersucht hat.

Blütenstaub, der über die Luft verbreitet wird, gilt als einer der Hauptauslöser von Allergien. Die negativen Folgen für die menschliche Gesundheit könnten durch den Klimawandel noch steigen. Entsprechend groß ist das Interesse der Wissenschaft an Pollen und deren Ausbreitung in der Atmosphäre. Zudem können Pollen eine bedeutende natürliche Quelle für die Verschmutzung der Atmosphäre sein und das Licht der Sonne streuen. Entsprechende Koronaerscheinungen sind seit langer Zeit bekannt. Aufgrund der extrem kurzen Messzeiten im Nahfeld des Lasers ist es jedoch schwer, in den geringen Höhen der Atmosphäre zu messen, in denen Pollen gewöhnlich fliegen. Dazu kommen die speziellen messtechnischen Anforderungen, um die vom Menschen verursachte Luftverschmutzung und natürliche Verschmutzungsquellen wie Pollen sicher auseinander halten zu können. Als erster, der jemals Pollen per Laser vom Erdboden aus untersucht hat, gilt Prof. Kenneth Sassen von der University of Alaska in Fairbanks, der 2008 Daten zu den Pollenemissionen über den Wäldern Alaskas gesammelt hatte.

Die jetzt vorgestellten Arbeiten sind die ersten Untersuchungen dieser Art außerhalb Nordamerikas und ermöglichten durch ausgereiftere Lasermesstechnik auch qualitative Aussagen zu den Polleneigenschaften in der Luft. „Erstmals wurden dabei verschiedene optische Eigenschaften von Pollen vermessen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Lichtauslöschungskoeffizient, da aus diesem die sogenannte optische Dicke der Atmosphäre bestimmt werden kann. Diese optische Dicke bestimmt wie viel Sonnenlicht aus dem Weltraum auf die Erdoberfläche trifft. Die Messgröße hat somit entscheidenden Einfluss auf die Temperaturen auf der Erde“, fasst Dr. Young Min Noh vom Gwangju Institute of Science & Technology (GIST) zusammen. Das südkoreanisch-deutsche Forschungsteam beobachtete die vertikale Verteilung des Blütenstaubes im Mai 2009 am GIST in Gwangju (Südkorea) mit Hilfe des Polarisationslidars vom Korea Polar Research Institute (KOPRI). Ein Polarisationslidar beobachtet Partikel in der Atmosphäre per Laserstrahl. Aus der Laufzeit des reflektierten Lichtimpulses lässt sich ähnlich wie bei einem Radar die Entfernung zum Objekt berechnen. Aus den Polarisationsänderungen des zurück gestreuten Laserlichts können die Wissenschaftler auf physikalische Eigenschaften der Reflexionsobjekte schließen. Die Messungen zeigten unter anderem, dass Blütenstaub aufgrund der einsetzenden Thermik in den Mittagsstunden am höchsten fliegt: Starke Polarisationänderungen wurden morgens gegen 9 Uhr Lokalzeit bis in 500 Metern Höhe, zwischen 12 und 14 Uhr Lokalzeit in Höhen von eineinhalb bis zwei Kilometern und nach 17 Uhr nur noch in Bodennähe beobachtet. Das schreiben die Wissenschaftler in einer weiteren Publikation, die in Atmospheric Chemistry and Physics, einem Open-Access-Journal der European Geosciences Union (EGU), erschienen ist. "In diesem Beitrag haben wir auch erstmals über den Rückstreukoeffizienten von Pollen berichtet. Diesen konnten wir mittels der Lidar-Depolarisationtechnik bestimmen, indem wir das von Pollen reflektierte Laserlicht vom Reflexionssignal des gesamten atmosphärischen Aerosols trennten", unterstreicht Dr. Young Min Noh. "Die Muster dieses Rückstreukoeffizienten zeigen, dass Pollenpartikel, die von Bäumen stammen, in der untersten Luftschicht der Stadtgebiete durch kleinskalige Konvektion, Auf- und Abwinde verteilt werden, wenn entsprechende Wetterbedingungen wie hohe Temperaturen und Windgeschwindigkeiten sowie eine niedrige Luftfeuchtigkeit vorherrschen."

Der Mai ist in Korea die Hauptpollensaison. Parallel zu den Lasermessungen sammelten die Wissenschaftler daher auch den Blütenstaub per Pollenfallen, um die Messungen am Boden und in der Luft vergleichen zu können. Die Sonneneinstrahlung wurde mit einem Photometer ebenfalls erfasst. Aus den Ergebnissen schlussfolgern die Wissenschaftler, dass Pollen eine bedeutende natürliche Quelle für Aerosol-Partikel in Zeiten von starken Pollenemissionen sind. „Wir nehmen an, dass die starken Pollenemissionen in den waldreichen Gebieten der Nordhemisphäre, also Alaska, Kanada, Skandinavien und Sibirien, vor allem zum Beginn der Vegetationsperiode im Frühjahr die optischen Eigenschaften der Atmosphäre deutlich beeinflussen. Auch wenn unsere Beobachtungen nur einen Bruchteil dieser gesamten großskaligen Effekte wiedergeben können, so unterstreichen sie dennoch die Bedeutung der Pollenemissionen“, berichtet Dr. Detlef Müller vom TROPOS, der bis Anfang 2012 die Lidargruppe des GIST in Südkorea geleitet hat. Dr. Müller brachte das Know-How aus 15 Jahren Entwicklung von Lidargeräten aus Leipzig nach Korea und half so, ein Spezialgerät zu entwickeln, das auf die komplizierte Situation der Luftverschmutzung in Ostasien angepasst ist. Dort trifft in jedem Frühjahr Wüstenstaub aus Zentralasien auf stark verschmutze Luft der ostasiatischen Megacities wie z.B. Peking und Seoul. Die komplizierte Mischung verschiedener Arten von Luftverschmutzung machte es lange Zeit schwer, aus den Lasersignalen die einzelnen Quellen der Luftverschmutzung deutlich auseinander zu halten.

Das Tagesmuster des Einflusses der Pollen auf die optische Dicke der Atmosphäre, das die Wissenschaftler in ihrer Studie beobachteten, kann helfen, die Daten von Erdbeobachtungssatelliten wie CALIPSO (Cloud-Aerosol Lidar and Infrared Pathfinder Satellite Observations) oder anderen Aerosolsensoren zu verbessern, die den Einfluss der Pollen in ihren Auswertealgorithmen bisher nicht ausreichend berücksichtigen. Außerdem erhoffen sich die Wissenschaftler, dass die neuen Erkenntnisse auch in genauere Pollenvorhersagen einfließen und so vielleicht künftig das Leben von Allergikern erleichtern könnten.

Pollen sind nicht die einzigen biologische Partikel in der Luft, zu denen noch viele Fragen offen sind. Neuartige Lidarmessmethoden sollen künftig auch helfen, die Effekte von Bakterien, Sporen und Pilzen auf die menschliche Gesundheit oder die Erträge in der Landwirtschaft zu erfassen. „Staub dient bekanntermaßen als Trägermaterial von Bakterien und es ist in Korea zu beobachten, dass nach größeren Staubausbrüchen aus Zentralasien eine erhöhte Anzahl an Personen in die Krankenhäuser kommt und über Atemwegsprobleme, Augenentzündungen und andere schwere allergische Symptome klagt. Ähnliche Verhältnisse sind auch in anderen Gebieten auf der Erde wie z.B. der Sahelzone in Afrika zu beobachten“, erklärt Dr. Detlef Müller, der inzwischen durch einen Wolfson Research Merit Award der englischen Royal Society, der für herausragende Wissenschaftler in England vergeben wird, an der britischen University of Hertfordshire bei London forscht. Dort entwickelt er die Lidartechnik weiter, um beispielsweise die Ausbreitung von Pilzsporen in der Landwirtschaft und neue Ansätze gegen Ernteausfälle zu untersuchen. Es wird geschätzt, dass etwa 15 Prozent aller Ernteausfälle auf Pilzkrankheiten zurückgehen.

Mineralische Partikel wie etwa Wüstenstaub oder Vulkanasche machen über die Hälfte der Aerosolmasse in der Troposphäre aus und stehen daher besonders im Fokus der gemeinsamen Leibniz-Graduiertenschule "Aerosole, Wolken, Strahlung: Minerals" vom TROPOS und der Universität Leipzig.

Quelle: Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V. (idw)

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