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Nervenzellen achten auf ihre Nachbarn

Archivmeldung vom 09.02.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Schematische Darstellung eines neuronalen Netzwerks und der neuronalen Aktivität zweiter Neurone. Links: Zwei Neurone (rot, blau) erhalten von verschiedenen vorgeschalteten Nervenzellen im Netzwerk Informationen. Ein Teil dieser Eingangsinformation ist überlappend. Rechts: Die Antwortsignale der einzelnen Neurone, dargestellt als Folge von Strichen, sind dementsprechend auch zum Teil synchron (erstes blaues und zweites rotes Signal). Bild: Tatjana Tchumatchenko
Schematische Darstellung eines neuronalen Netzwerks und der neuronalen Aktivität zweiter Neurone. Links: Zwei Neurone (rot, blau) erhalten von verschiedenen vorgeschalteten Nervenzellen im Netzwerk Informationen. Ein Teil dieser Eingangsinformation ist überlappend. Rechts: Die Antwortsignale der einzelnen Neurone, dargestellt als Folge von Strichen, sind dementsprechend auch zum Teil synchron (erstes blaues und zweites rotes Signal). Bild: Tatjana Tchumatchenko

In einem Orchester müssen die Einsätze der einzelnen Musikinstrumente sehr genau aufeinander abgestimmt sein. Auch im Gehirn ist die Aktivität der Milliarden von Nervenzellen, der Neuronen, "korreliert", wie es in der Neurowissenschaft heißt. Nur so kann das Gehirn so erstaunliche Leistungen vollbringen, wie Musik hören oder einen Text lesen. Trotz der zentralen Bedeutung neuronaler Korrelation konnte noch nicht geklärt werden, wie und unter welchen Bedingungen sie zustande kommt.

Wissenschaftler um Fred Wolf vom Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und dem Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation haben nun eine mathematische Formel entwickelt, mit der genau vorhergesagt werden kann, wie und wann sich Neurone synchronisieren.

Jedes Neuron in der Hirnrinde (Kortex) erhält Informationen von etwa 30 000 anderen kortikalen Neuronen und sendet als Antwort darauf einzelne neuronale Impulse. Zumindest theoretisch könnte man sich vorstellen, dass es zwischen Eingangssignalen und neuronaler Antwort einen einfachen Zusammenhang gibt: Teilen zwei Neurone 1/10 der Eingangssignale, so sind auch 1/10 ihrer Antwortsignale gleich. Aber so einfach rechnen Neurone nicht. Die vielfältigen elektrischen Eingangssignale, die ein Neuron erhält, führen zu Fluktuationen in der Spannung über ihrer Membran. Sobald die Membranspannung einen Schwellenwert erreicht, sendet das Neuron selbst ein Signal aus.

Den Göttinger Wissenschaftlern ist es nun gelungen, die neuronale Umwandlung von Eingangs- in Ausgangssignale in einer relativ einfachen mathematischen Formel zusammenzufassen. "Die Umsetzung von Spannungen in digitale Signale durch Mikroprozessoren im Computer funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip", sagt Tatjana Tchumatchenko, Doktorandin an der Göttingen Graduate School for Neurosciences and Molecular Biosciences (GGNB) der Universität Göttingen, die die mathematische Analyse durchgeführt hat. "Auch in der Computertechnik ist die Frage nach der Korrelation digitaler Signale von Bedeutung. Beispielsweise wenn verschiedene parallele Transistorelemente ähnliche Eingangssignale erhalten und man die Stabilität der Ausgangssignale vorhersagen möchte".

Wie die Forscher zeigen konnten, hängt die Korrelation der Antwortsignale zweier Nervenzellen nicht nur davon ab, wie ähnlich sich die jeweiligen Eingangssignale sind, sondern auch davon, wie aktiv die Zellen sind. Senden die Neurone in schneller Folge viele Signale - ihre Aktivität, die so genannte Feuerrate, ist hoch - sind auch die Antwortsignale stärker korreliert. Dies gilt aber nur, wenn die Neurone lediglich einen Bruchteil ihrer Eingangssignale teilen. Die Regeln ändern sich drastisch, wenn die Neurone weitgehend von gemeinsamen Eingangssignalen angeregt werden und sie entsprechend ähnliche Antwortsignale produzieren. In diesem Fall spielt die Feuerrate keine Rolle. Diese Aussagen aus ihrem mathematischen Modell konnten die Wissenschaftler direkt experimentell bestätigen, indem sie Zellen mit im Computer nachgebildeten Gehirnströmen angeregt und ihre jeweiligen Antwortsignale gemessen haben.

Schon lange debattieren Neurowissenschaftler die Frage, wie das Gehirn Informationen in der elektrischen Aktivität neuronaler Signale kodiert. In einigen Fällen scheint die Feuerrate ausschlaggebend zu sein, in anderen Fällen das exakte Timing eines neuronalen Impulses relativ zu anderen Signalen. Mit ihrer Arbeit haben die Göttinger Wissenschaftler und ihre Kollegen nun gezeigt, wie eng diese beiden Konzepte neuronaler Kodierung zusammenhängen und welche theoretische Beschreibung die sensorische Verarbeitung erfassen kann. So sind verschiedene Neurone in der Sehrinde beispielsweise auf bestimmte Aspekte der Bildverarbeitung spezialisiert: sie reagieren auf Farbe, Helligkeit, Orientierung oder Bewegungsrichtung. Vieles deutet darauf hin, dass Zellen, die den gleichen Gegenstand kodieren, ihre Signale synchronisieren, so dass zusammengehörige Information gemeinsam weitergegeben wird.

Quelle: Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation

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