Eine Frage der Größe: Von Aerosolteilchen zu Wolkentröpfchen
Archivmeldung vom 03.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTrotz unterschiedlichster Herkunft und Zusammensetzung der Aerosolteilchen in Zentraleuropa hängt die Fähigkeit, zu Wolkentröpfchen anzuwachsen, in erster Linie von der Teilchengröße ab.
Wolken spielen eine zentrale Rolle für Klimasystem und Wasserkreislauf der Erde.
Das Verhalten einer Wolke hängt in hohem Maße von der Anzahl und Größe der
Tröpfchen ab, aus denen sie besteht. Jedes dieser Tröpfchen benötigt zum Wachsen
ein Aerosolteilchen als Keim, genannt Wolkenkondensationskern (cloud
condensation nucleus, CCN). Es ist deshalb wichtig zu verstehen, welche
Eigenschaften es einem Aerosolteilchen ermöglichen, zu einem Wolkentropfen
anzuwachsen. Einfache physikalisch-chemische Betrachtungen zeigen, dass dies in
erster Näherung von der Anzahl der löslichen Moleküle abhängt, die das Teilchen
enthält. Diese wiederum hängt von der Größe und Zusammensetzung der Moleküle ab.
Wenn man sich die äußerst verschiedenartige Herkunft der Teilchen in der
Atmosphäre vor Augen hält - z.B. Meersalz, Staub, Rauch, industrielle Emissionen
- wird deutlich, dass die Komplexität ihrer Zusammensetzung lange als
Haupthindernis für die Modellierung und Vorhersage von Aerosoleffekten auf die
Wolkeneigenschaften und das Klima angesehen wurde.
Wie das
Wissenschaftsmagazin Science berichtet, haben nun Forscher des
Max-Planck-Instituts für Chemie und der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz
diesen Einfluss von Aerosolgröße und -zusammensetzung systematisch untersucht.
Zur Trennung beider Effekte haben sie Umgebungsaerosole in enge Größenbereiche
unterteilt (Durchmesser zwischen 40 und 120 Millionstel Millimeter) und dann
deren chemische Zusammensetzung und Wachstumsfähigkeit untersucht. Die Messungen
wurden im Sommer 2004 am Kleinen Feldberg im Taunus durchgeführt. Während der
dreiwöchigen Messperiode wurden an der Bergstation sehr unterschiedliche
Luftmassen vorgefunden: gealterte Kontinentalluft reich an industriellen und
Verkehrsschadstoffen, marine Luftmassen, die sehr rasch vom Nordatlantik
herübergezogen waren, und frisch verschmutzte Luft aus dem dicht besiedelten und
hoch industrialisierten Rhein-Main-Gebiet. Der Hauptbestandteil in allen
Luftmassentypen war organisches Material, gefolgt von Ammonium, Sulfat und
Nitrat. Bemerkenswerterweise schien sich der lösliche Anteil der Teilchen nicht
allzu sehr zu unterscheiden, trotz der sehr unterschiedlichen Vorgeschichte der
Luft.
Die Messungen der Mainzer Forscher zeigen, dass die Größe der
Teilchen eine wesentlich wichtigere Rolle bei der Bildung von Wolkentropfen
spielt als deren Zusammensetzung - zumindest bei den Aerosoltypen an unserem
kontinentalen Messort.
Der Hauptgrund hiefür ist, dass die Fähigkeit eines
Teilchens als Wolkenkondensationskern zu wirken in erster Näherung von der
Gesamtzahl der darin enthaltenen löslichen Moleküle abhängt. Diese Anzahl hängt
in der dritten Potenz vom Teilchendurchmesser ab, aber nur linear vom löslichen
Massenanteil, d.h. der Zusammensetzung.
Die Tatsache, dass, zumindest bei
den in Europa angetroffenen Aerosolen, die Teilchenzusammensetzung nur von
sekundärer Bedeutung für das Wachstum der Wolkentropfen ist, hat große
praktische Vorteile. Die Abschätzung von CCN-Konzentrationen aus relativ
einfachen Messungen wird dadurch wesentlich leichter, und deren Darstellung in
Wolken- und Klimamodellen deutlich vereinfacht. Wenn man die typischen
größenaufgelösten CCN-Wirkungsgrade für wichtige Gebiete und Aerosolarten kennt,
können die CCN-Konzentrationen aus beobachteten oder modellierten
Teilchengrößenverteilungen abgeschätzt werden. Daher sollten Feldversuche in
verschiedenen Gebieten mit dem Ziel durchgeführt werden, eine Datensammlung
solcher größenaufgelösten CCN-Wirkungsgrade zu erstellen. Bei Modellrechnungen
sollten eher Anstrengungen unternommen werden, die Teilchengrößeverteilungen
exakt vorherzusagen als die genaue chemische Zusammensetzung.
Die
Ergebnisse der Mainzer Forscher bieten auch eine Grundlage für die Abschätzung
von CCN-Häufigkeiten über größere Zeit- und Raumskalen aus Fernerkundungsdaten,
da Aerosol-Teilchengrößeverteilungen wesentlich einfacher durch Fernerkundung
erhalten werden können als
Teilchenzusammensetzungen.
Originalveröffentlichung:
U. Dusek, G.
P. Frank, L. Hildebrandt, J. Curtius, J. Schneider, S. Walter, D. Chand, F.
Drewnick, S. Hings, D. Jung, S. Borrmann, and M. O. Andreae
Size matters more
than chemistry for cloud nucleating ability of aerosol particles
Science, 2
June 2006
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.