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Hungerlöhne für Jungjournalisten

Archivmeldung vom 23.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Gedränge: zu viele Jungjournalisten. Bild: pixelio.de, Alexander Hauk
Gedränge: zu viele Jungjournalisten. Bild: pixelio.de, Alexander Hauk

Medienunternehmen können derzeit aus einem riesigen Topf an potenziellen Arbeitskräften schöpfen. Daher ist die Situation für Berufseinsteiger trist. "Es gibt nicht annähernd so viele Stellen wie es Nachwuchsjournalisten gibt", sagt Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband gegenüber pressetext. Der wirtschaftliche Druck, der auf den Unternehmen lastet, verschlechtert die Situation zusätzlich. Deshalb sind viele Journalisten noch immer als freie Mitarbeiter oder Praktikanten beschäftigt. Auch Anstellungen unter branchenfremden Kollektivverträgen sind Usus, vor allem im Online-Bereich.

"Es gibt einen Trend zu vernünftigen Angestelltenverhältnissen, weil das rechtliche Risiko für die Arbeitgeber sehr hoch ist. Wenn es ein Dienstverhältnis gibt, wird aus Angst vor dem Jobverlust selten geklagt. Nach der Auflösung gibt es aber relativ oft Vergleiche, die die Unternehmen zu Nachzahlungen verpflichten", sagt Franz C. Bauer, Vorsitzender der Österreichischen Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, im Gespräch mit pressetext. Trotzdem gibt es vielerorts noch unzumutbare Verhältnisse.

"Die Situation ist bedrückend und beschämend. Tageszeitungen halten sich jahrelang zu schlechten Konditionen junge, schon ausgebildete Menschen als freie Dienstnehmer. Manche Jungjournalisten arbeiten unter ähnlichen Bedingungen wie chinesische Wanderarbeiter und das in einem Hochpreisland", sagt Johann Oberauer, Geschäftsführer des Medienfachverlags Oberauer im pressetext-Interview. Am schlimmsten seien aber die Privatradios. Dort werde der Betrieb mit jungen Scheinpraktikanten aufrechterhalten, die mit Hungerlöhnen von 70 bis 100 Euro pro Monat verhöhnt werden und nicht einmal eine Ausbildung erhalten. "Deshalb können es sich junge Leute häufig nicht mehr leisten, im Journalismus Fuß zu fassen", kritisiert Oberauer.

Geschäftsmodell auf Kosten der Mitarbeiter

"Das Geschäft stagniert und ist teilweise sogar leicht rückläufig. Aufgrund der wachsenden Konkurrenz durch Internet und andere Medien auf dem Werbemarkt sowie die allgemeine Krise werden die Einnahmen geringer. In Kärnten sind wir aus Mangel an Industriebetrieben zusätzlich auf die Politik als Kunden angewiesen. Trotzdem sind in der Redaktion keine freien Dienstnehmer beschäftigt", verteidigt sich Martina Klementin von Antenne Kärnten gegenüber pressetext. Auch das Online-Portal Ö24 setzt laut Chefredakteur Niki Fellner auf Angestellten-Dienstverhältnisse. "In einigen Online-Redaktionen herrschen traurige Verhältnisse. Auch hier werden junge Journalisten zu Hungerlöhnen ausgenutzt", sagt Oberauer. Viele Medien, wie etwa die Gratiszeitung "Heute", geben gar keine Auskünfte über die Dienstverträge von Redakteuren.

Praktikanten gibt es in den Redaktionen sehr wohl. "Wir äußern uns nicht zu Praktikantengehältern. Praktika in unserem Unternehmen haben bei Studenten aber einen guten Ruf. Das Einstellen von Praktikanten kostet viel Geld, da sie auch von Mitarbeitern betreut werden müssen. Wenn wir einen gewissen Betrag zahlen müssten, könnten wir keine Praktikanten mehr beschäftigen", so Klementin. Dieses Argument kommt auch von anderen Firmen. "Viele Medienunternehmen sind Ausbeuter und Menschenverachter. Wenn ein Geschäftsmodell nur auf Kosten der Mitarbeiter funktioniert, haben die betreffenden Firmen keine Daseinsberechtigung", so Oberauer.

Im Print-Bereich gibt es Vereinbarungen, die Praktikantengehälter festlegen. "Die Monatseinkommen bewegen sich hier bei etwas über 500 Euro. Sofern es sich nicht um versteckte Dienstverhältnisse handelt, ist das adäquat", so Bauer. In der Zeitungsbranche spielen Praktika allerdings auch keine tragende Rolle als Geschäftsmodell.

Problematische Kollektivverträge

In Deutschland führt der Weg in den Journalismus nach wie vor über Praktika und freie Mitarbeit. "Wer ein Volontariat will, muss bereits Veröffentlichungen vorweisen können. Das war auch früher so. Allerdings haben solche Dienstverhältnisse damals zu einer Anstellung geführt. Das ist heute oft nicht mehr so", so Zörner. Die Gründe für die seltener werdenden Festanstellungen sind nicht nur ökonomisch. Für junge Journalisten sind auch die Kollektivverträge, die sich auf hohem Niveau bewegen, ein Problem.

"In Deutschland versuchen sich einige Medienunternehmen aus der Tarifbindung zu manövrieren, um bei den Gehältern zu sparen. Vor allem Online-Journalisten haben oft gar keinen Kollektivvertrag", so Zörner. In Österreich sei es vielerorts üblich, Journalisten unter branchenfremden Kollektivverträgen anzustellen. "Diese Praxis ist unhaltbar. Wir verhandeln gerade einen neuen Kollektivvertrag. Wenn wir zu einem Ergebnis kommen, wird es solche Verhältnisse nicht mehr geben. Im ersten Quartal 2012 wird klar sein, ob es einen neuen Vertrag gibt", erklärt Bauer.

Bauer ist optimistisch. Er glaubt, dass die Unternehmen durchaus in der Lage sind, angemessene Löhne zu zahlen. "Gute Bezahlung für Einsteiger ist möglich. Die Medienunternehmen haben in den letzten Jahren ja auch genug Geld für zweifelhafte Projekte in den Sand gesetzt", so der Gewerkschafter. Unter einem neuen Kollektivvertrag verbessert sich laut Bauer auch die Rechtssicherheit für Journalisten. Eine 100-prozentige Festanstellungsquote wird es aber auch mit einem neuen Vertrag nicht geben. "Es gibt Journalisten, die freiwillig in freien Dienstverhältnissen arbeiten, weil sie die Unabhängigkeit schätzen", gibt Bauer zu bedenken.

Quelle: www.pressetext.com/Markus Keßler

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