KfW-Kommunalpanel 2021: Zu früh für Entwarnung - den Kommunalfinanzen droht "Long-Covid"
Archivmeldung vom 06.05.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie deutschen Kommunen sind in finanzieller Hinsicht bislang glimpflicher durch die Krise gekommen als erwartet. Hatte sich in den ersten drei Quartalen des Jahres 2020 das höchste Finanzierungsdefizit seit langer Zeit angedeutet, konnten die Kommunen das letzte Jahr dank der Hilfsmaßnahmen von Bund und Länder doch mit einem kleinen Überschuss abschließen.
Noch ist es für eine Entwarnung aber zu früh, wie die Ergebnisse des aktuellen KfW-Kommunalpanel 2021 verdeutlichen. Die Bewertung der Finanzlage durch die befragten Kämmereien hat sich massiv verschlechtert, vor allem mit Blick auf die unsichere finanzielle Entwicklung für das laufende Jahr 2021 und darüber hinaus. 85 % der befragten Städte, Kreise und Gemeinden erwarten krisenbedingt geringere Einnahmen, perspektivisch höhere Ausgaben sehen 52 % auf sich zukommen.
Die Investitionen und die Investitionsplanungen der Kommunen sind durch die Krise bisher noch kaum betroffen. In der Planung für 2021 rechnen die Kommunen in der vom Deutschen Institut für Urbanistik im Auftrag von KfW Research durchgeführten Befragung sogar mit einem neuen Investitionshöchststand von 39,2 Mrd. EUR. Der Grund liegt in den langen Vorlaufzeiten für öffentliche Investitionen, sodass diese auch bei einem Einnahmeeinbruch nicht sofort angepasst werden. Allerdings gehen 57 % der Kommunen davon aus, dass sie ihre Investitionen kürzen müssen, wenn die Einnahmen auch in diesem Jahr wegbrechen. "Den Kommunalfinanzen droht Long-Covid", sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. "Eine Kürzung der notwendigen Investitionen in die kommunale Infrastruktur hat langfristig spürbare Folgen, denn für die großen Herausforderungen wie den Klimaschutz oder die Digitalisierung im öffentlichen Bereich brauchen wir handlungsfähige Kommunen, die ihren Aufgaben effizient nachkommen."
Trotz steigender Investitionsausgaben in den letzten Jahren reichte das Niveau häufig nicht einmal für den Substanzerhalt der bestehenden Infrastruktur auf kommunaler Ebene. Der wahrgenommene Investitionsrückstand der Kommunen ist für das Befragungsjahr 2020 auf insgesamt 149 Mrd. EUR gestiegen. Dies sind 2 Mrd. EUR mehr als im Vorjahr. Ein wesentlicher Treiber sind die unzureichenden Instandhaltungen, die vor allem in finanzschwachen Kommunen zu einem wachsenden Investitionsstau führen. Nach wie vor bestehen die größten Investitionsbedarfe bei Schulgebäuden (46, 5 Mrd. EUR/Vorjahr 44,2 Mrd. EUR), Straßen (33,6 Mrd. EUR/Vj. 37,1 Mrd. EUR) und Verwaltungsgebäuden (16,4 Mrd. EUR/Vj. 12,9 Mrd. EUR).
Die Investitionen in die verschiedenen Infrastrukturbereiche finanzieren die Kommunen vor allem aus Eigenmitteln (insg. 36 %). Diese geraten durch die Krise besonders unter Druck. Zuweisungen im Rahmen des Finanzausgleichs (16 %) und Fördermittel (20 %) sind weitere wichtige Finanzquellen, wobei auch hier noch nicht klar ist, welche mittelfristigen Auswirkungen die Krise haben wird. Die Kommunen reagieren bislang, indem sie häufiger Anlagevermögen verkaufen. Darüber hinaus geben 55 % der Kämmereien an, dass sie künftig stärker auf Kredite zurückgreifen werden, die aktuell noch 14 % am Finanzierungsmix ausmachen. "Wir werden zwar sehr wahrscheinlich wieder einen deutlichen Anstieg der Kommunalverschuldung sehen. Die Mehrheit der Kommunen hat hierfür dank der positiven Entwicklung der Vorjahre aber ausreichend Spielraum. Wichtig ist nun, dass die Kommunen in und nach der Krise dauerhaft handlungsfähig bleiben und ihren Aufgaben auch effizient nachkommen", so Köhler-Geib. Die große Mehrheit der Kommunen meldet gute Kreditkonditionen und geht davon aus, dass dies in näherer Zukunft weitgehend so bleibt.
Um die Handlungsfähigkeit der Kommunen auch im weiteren Verlauf der Krise zu bewahren, halten die befragten Kämmereien in der kurzfristigen Perspektive insbesondere die Kompensation von Steuereinnahmeausfällen, wie schon 2020 geschehen, für hilfreich. In der langfristigen Sicht gewinnen aber strukturelle Anpassungen in der Finanzmittelverteilung zwischen den föderalen Ebenen eine höhere Bedeutung. "Es ist nachvollziehbar, dass wir in der Krise bei Maßnahmen zur Stabilisierung der kommunalen Haushalte erst einmal auf Sicht fahren. Aber diese Krise ist hoffentlich bald vorbei und dann rückt die grundsätzliche Stärkung der Kommunalfinanzen wieder auf die politische Tagesordnung. Das ist gut so, denn die Bedeutung starker Kommunen kann für Deutschland nicht hoch genug eingeschätzt werden", so Köhler-Geib abschließend.
Zur Datengrundlage: Das KfW-Kommunalpanel wird seit 2009 jährlich im Auftrag der KfW vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) erstellt. Kernpunkte der repräsentativen Befragung der Kämmereien in kreisfreien Städten, Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern sind die kommunale Finanzlage, die Investitionstätigkeit und deren Finanzierung. Die Hauptbefragung für das KfW-Kommunalpanel, an der sich 765 Kommunen beteiligten, ging von September bis Dezember 2020.
Quelle: KfW (ots)