Hohe Solarförderung: Solarindustrie mittlerweile profitabler als Google und ebay
Archivmeldung vom 20.06.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.06.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Markteinführung der Photovoltaik wird, wie bei allen anderen erneuerbaren Energien auch, größtenteils von den Stromkunden finanziert. Bisher ist dies eine Erfolgsgeschichte, Deutschlands Solarstrombranche wächst und wächst, was sich nicht zuletzt wieder auf der diesjährigen Messe Intersolar in Freiburg zeigt. Wurden hierzulande im Jahr 2003 erst rund 100 Megawatt Solarzellen produziert, waren es 2006 bereits 514 Megawatt.
Doch jedes installierte Solarmodul ist nicht nur ein Erfolg, sondern auch eine
Verpflichtung: Der produzierte Strom wird laut Gesetz 20 Jahre lang vergütet.
Die Frage, was da über die Jahre an Kosten zusammenkommt, wird inzwischen hitzig
diskutiert.
Wachstum weit über den Erwartungen
Die deutsche
Photovoltaikindustrie hat ein Wachstumstempo vorgelegt, das vor einigen Jahren
wohl niemand erwartet hätte. Der rasante Zubau von Solarstromanlagen hat sowohl
einheimischen als auch ausländischen Herstellern ermöglicht, ihre
Produktionszahlen massiv zu erhöhen. Im Verbund mit rapiden technologischen
Fortschritten sorgt dies für enorme Rationalisierungseffekte. Wer aber die
Kosten senkt, von dem erwartet man bei den Preisen das gleiche, und deshalb ist
das Thema in der Industrie nicht allzu beliebt - zumindest nicht in Form
konkreter Zahlen. Seltenheitswert haben Aussagen, wie sie die Ersol Solar Energy
AG Ende März machte: bis 2008 hält man bei Solarmodulen mit kristallinen
Siliziumzellen gegenüber dem Stand von 2006 eine Kostensenkung um rund 25
Prozent für möglich, bis 2010 um bis zu 40 Prozent.
Lernkurve zeigt
Kostenreduktion
Solche Prognosen sind indes keine Prahlerei, sondern
unter Fachleuten weit gehend Konsens. Sie entsprechen der Theorie von einer
"Lernkurve", die auch der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) stets vertreten
hat und der zufolge 15 bis 20 Prozent Kostenreduktion bei jeder Verdopplung der
bislang produzierten Menge erzielbar sind. Dies gilt auch für andere Industrien
- nur wächst derzeit keine so schnell wie die Photovoltaik.
Solarstrom
könnte eigentlich deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten
Die Zahlen
sind, absolut betrachtet, zwar noch winzig, aber von enormer Dynamik: Im Jahr
1996 wurden weniger als 0,05 Prozent der deutschen Stromversorgung durch
Solarstrom gesichert, zehn Jahre später waren es bereits 0,4 Prozent. Wenn
Solarstrom allerdings wirklich nennenswert zur deutschen Stromversorgung und
damit zum Klimaschutz beitragen soll, muss der Ausbau noch deutlich beschleunigt
werden - selbstverständlich nicht nur in Deutschland. Erstaunlicherweise traut
jedoch der BSW der Photovoltaik bis zum Jahr 2020 nicht mehr als zwei bis drei
Prozent Anteil am europäischen Strommix zu. Andere Quellen nennen weit höhere
Zahlen; technisch machbar wäre dies ohne weiteres. Doch dann stellt sich die
Frage der Finanzierung. Bislang ist Deutschland der mit weitem Abstand größte
Photovoltaikmarkt der Welt, nahezu die Hälfte aller in den letzten beiden Jahren
weltweit installierten Anlagen ist hier ans Netz gegangen. Ein weiteres Wachstum
im bisherigen oder mit einem sogar noch beschleunigten Tempo würde sich deshalb
mit Sicherheit auswirken: auf den Umsatz der Branche, die Zahl der Arbeitsplätze
in Produktion, Handel und Handwerk, auf die CO2-Bilanz der deutschen
Stromwirtschaft - durchweg positive Effekte. Nur gibt es eben noch eine weitere
Konsequenz aus erhöhtem Solarstromanteil: die Höhe der zu zahlenden
Einspeisevergütung. Sie muss über eine Umlage auf die Stromrechnung von den
Energieverbrauchern aufgebracht werden. Die Bundesbürger sind, das haben
Umfragen ergeben, auch durchaus bereit, hierfür Mehrkosten in Kauf zu nehmen.
Die Frage ist nur, bis zu welcher Höhe und in welchem Verhältnis zur dafür
erbrachten Leistung.
77 Milliarden Euro Mehrkosten trägt der
Stromverbraucher
Derzeit wird über eine Neufassung des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) debattiert und dabei auch über neue
Einspeisetarife für Solarstrom. Diese sinken für neu ans Netz gehende Anlagen
bislang um jährlich fünf Prozent. Eine Steigerung dieser "Degression" auf 7,5
Prozent zeichnet sich ab. Das klingt heftig, wird aber nicht ausreichen, die
Kosten im Griff zu behalten. Denn wenn unter diesen Bedingungen die jährlich
installierte Solarstromleistung im gleichen Tempo wächst wie in den vergangenen
drei Jahren, hätte Deutschland zwar im Jahr 2010 den schönen Erfolg errungen,
dass zwei Prozent des hier verbrauchten Stroms von der Sonne kommen. Doch
gleichzeitig hätten alle bis dahin angeschlossenen Photovoltaikanlagen eine
enorme Zahlungsverpflichtung verursacht: Bis zum Ende des 20 jährigen
Vergütungszeitraums, also bis ins Jahr 2030 hinein, insgesamt rund 150
Milliarden Euro. Die enorme Summe ist leicht zu erklären: wenn wie letztes Jahr
in Deutschland Solarstromanlagen mit einer Spitzenleistung von rund 1.150
Megawatt installiert wurden, erhalten diese innerhalb von 20 Jahren eine
Einspeisevergütung in fast zweistelliger Milliardenhöhe. Nimmt man die
anfallenden Einspeisevergütungen aus den Installationen der letzten Jahre hinzu
und geht von wie bisher wachsenden Zubauraten für die Zukunft aus, kommt man in
der Summe schnell auf 150 Milliarden Euro. Denn auch in den vergangenen Jahren
wurde kräftig zugebaut und für den Zubau jedes Jahres wird nun ein
voraussichtlich jährlich wachsender zweistelliger Milliardenbetrag hinzukommen.
Bis 2010 erreicht die Summe dann voraussichtlich 150 Milliarden Euro. Zieht man
von diesen 150 Milliarden Euro nun die Produktionskosten ab, die konventionell
erzeugter Strom verursacht hätte, außerdem noch weitere Posten wie vermiedene
Netznutzungsentgelte und bereinigt das Ganze schließlich um die voraussichtliche
Inflationsrate, verbleiben immer noch zirka 77 Milliarden Euro. Dies ergaben
Berechnungen, die das Solarstrom-Magazin PHOTON in seiner Mai-Ausgabe
veröffentlicht.
Zehn Prozent Kostensenkung, fünf Prozent Degression
Andere Autoren kommen zu anderen Resultaten - wie bei derlei Prognosen
unvermeidbar, gibt es etliche Stellschrauben, an denen sich drehen lässt. Doch
ohne gröbste Missachtung mathematischer Grundregeln wird niemand dieses Ergebnis
so weit herunterrechnen können, dass sich eine für zwei Prozent Solarstromanteil
akzeptable Summe ergibt - mit entsprechenden Konsequenzen, die von einer
Begrenzung der neu zu installierenden Menge bis hin zur kompletten Streichung
der Photovoltaik aus dem EEG reichen könnten. Und deshalb stellt sich wieder die
Preisfrage, von der die Photovoltaikindustrie so ungern reden hört: Muss die
Vergütung so hoch sein? Lassen sich Photovoltaikanlagen nicht zu Preisen
verkaufen, bei denen die Betreiber auch mit geringeren Einspeisetarifen ihr
Auskommen haben? Auch dies lässt sich relativ einfach kalkulieren. Die
Degression der EEG-Vergütung hat eigentlich den Zweck, der Kostenreduktion zu
folgen. Bei der letzten Justierung der Tarife hielt man fünf Prozent für
angemessen, während die Industrie locker zehn Prozent erreichte. Dieses
Missverhältnis ließe sich natürlich korrigieren, die Einspeisevergütung müsste
in dem Maße gesenkt werden, wie sich die Herstellungskosten entwickelt haben.
Momentan erhalten Aufdachanlagen bis 30 Kilowatt Leistung 49,21 Cent pro
Kilowattstunde. Jan Kai Dobelmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Sonnenenergie und einer der wenigen Branchenkenner, die über Konsequenzen auch
öffentlich nachdenken, fordert die Solarbranche auf, zu ihren Versprechen zu
stehen und Kostensenkungen an die Verbraucher weiterzugeben - was dann auch eine
niedrigere EEG-Vergütung ermöglichen würde: "Bei einem Marktvolumen von 4,5 GW
versprach der Bundesverband Solarwirtschaft Systemkosten von ca. 3.000
Euro/kWpeak. Nimmt man diese 3.000 Euro Systemkosten mit einer für die DGS
essentiellen Rendite von 7 Prozent für den PV-Investor sowie ordentlichen
Handwerkervergütungen, kommt man auf eine notwendige EEG Vergütung von im
Szwischen 34 und 35 Cent." Und das Marktvolumen von 4,5 GW ist mittlerweile
erreicht. Eine höhere Vergütung möchte Dobelmann allein für gebäudeintegrierter
Photovoltaik. Hier sei der Markt viel zu wenig entwickelt worden. In der
Gebäudeintegration sieht Dobelmann die Stärke des solaren Mittelstandes. Auch
die kleineren börsennotierten Unternehmen könnten dann auf Innovation setzen und
nicht auf Massenprodukte. Wenn diese zum Beispiel ein gedämmtes Modul zur
Integration entwickeln würden, würde man dies in China nicht so leicht
nachmachen können. China ist mittlerweile der weltweit zweitgrößte Hersteller
von Solarmodulen, nach Japan und Deutschland. In 2007 wird China voraussichtlich
Deutschland überholen und zum weltweit zweitgrößten Herstellungsland aufsteigen.
Nahezu die gesamte chinesische Produktion wird dabei in den Export gehen, unter
anderem nach Deutschland.
Solarindustrie profitabler als Google und ebay
Dass die Degression bislang bei fünf Prozent blieb, hat der
Solarindustrie zu einer recht komfortablen Position verholfen. Sie konnte ihre
Produkte zu Preisen verkaufen, die ganz erheblich über den Kosten lagen: Die
Umsatzrendite des Bonner Solarworld-Konzerns liegt inzwischen über der von
Google, die des Zellherstellers Q-Cells über der von Ebay. Entlang der gesamten
Wertschöpfungskette, also von der Siliziumproduktion bis zum fertigen Modul, hat
die Industrie gemäß einer Studie von "Photon Consulting" ihre durchschnittliche
Umsatzrendite binnen zwei Jahren von 15 auf 30 Prozent verdoppelt.
15
Prozent Solarstrom sind möglich
Der installierende Handwerker hat davon
hingegen weniger profitiert. Er leidet unter dem unvermindert hohen Niveau der
Einkaufspreise für Solarmodule. Und, schlimmer noch, er muss womöglich um die
Zukunft seines Berufsstandes fürchten - falls nämlich die Relation zwischen
Vergütungs-Milliarden auf der einen und geringem Anteil an der Stromversorgung
auf der anderen Seite ins Zentrum der politischen Debatte rücken und die
EEG-Vergütung für Solarstrom komplett zur Disposition stehen sollte.
PHOTON-Herausgeber Philippe Welter findet deshalb ein schnelles Gegensteuern im
Interesse aller Beteiligten von Vorteil: "Wenn die Einspeisevergütung der
Kostenentwicklung angepasst würde, hat die Solarindustrie weiterhin die für
Investitionen notwendigen Gewinnmargen. Und die vielen Milliarden Euro Förderung
wären gut angelegt. Denn bereits im Jahr 2019 könnten fast 15 Prozent des
deutschen Stroms aus Solaranlagen stammen."
Quelle: Pressemitteilung Solar Verlag GmbH