Börsencoach erläutert Ablauf eines Defizitverfahrens gegen Deutschland
Archivmeldung vom 13.10.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas aktuelle Defizitverfahren gegen Deutschland hat viele Anleger aufgeschreckt. Allerdings hat ein solches Defizitverfahren nach Meinung von Markus Frick überhaupt keinen Einfluss auf die Börsen. Aufgrund vieler Leser-Anfragen zu diesem Thema erläutert der Börsencoach im Folgenden, wie ein Defizitverfahren abläuft:
Defizitverfahren gegen Deutschland
1. Schritt: Die Kommission erstellt einen Bericht, in dem sie die Hintergründe für die Einleitung des Defizitverfahrens erläutert. Der Bericht wird im WFA beraten, der daraufhin eine Stellungnahme abgibt. Vertritt die Kommission nach Prüfung aller in ihrem Bericht zu berücksichtigenden einschlägigen Faktoren und nach Stellungnahme des WFA die Auffassung, dass ein übermäßiges Defizit vorliegt, legt sie ihre Stellungnahme dem Rat vor.
2. Schritt: Der ECOFIN-Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit über das Bestehen eines übermäßigen Defizits. Hält er ein übermäßiges Defizit für gegeben, richtet er gleichzeitig Empfehlungen an den betreffenden Mitgliedstaat und setzt ihm eine Frist von höchstens sechs Monaten für das Ergreifen wirksamer Maßnahmen. Ferner wird eine Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits gesetzt.
3. Schritt: Das Land hat nun innerhalb der gesetzten Frist Zeit, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Damit ruht das Verfahren. Wird den Empfehlungen durch den Mitgliedstaat nicht gefolgt, so stellt der Rat dies fest und veröffentlicht ggf. seine Empfehlungen.
4. Schritt: Innerhalb von zwei Monaten nach der Feststellung kann der Rat den Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug setzen, innerhalb einer weiteren Frist von vier Monaten Maßnahmen zum Defizitabbau zu treffen.
5. Schritt: Falls das betreffende Land diesem Beschluss nicht Folge leistet, so kann der Rat wahlweise oder kumulativ folgende Maßnahmen ergreifen:
- vom Mitgliedstaat kann verlangt werden, vor der Emission von Schuldverschreibungen und sonstigen Wertpapieren vom Rat näher zu bezeichnende zusätzliche Angaben zu veröffentlichen,
- die Europäische Investitionsbank kann ersucht werden, ihre Darlehenspolitik gegenüber dem Land zu überprüfen,
- vom Mitgliedstaat kann verlangt werden, eine unverzinsliche Einlage bis zur Korrektur des übermäßigen Defizits zu hinterlegen,
- es können Geldbußen in angemessener Höhe verhängt werden.
Die Euroländer sind sich auch einig, dass sie es angesichts der unsicheren Wirtschaftslage mit dem Schuldenabbau nicht eilig haben. Bei ihrem Treffen in Göteborg vereinbarten die EU-Finanzminister, erst am Jahresende über einen Termin für die Abkehr von den schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen zu entscheiden.
"Sie sehen somit, dass die Staaten solche Verfahren zwar hinnehmen, aber Sie wissen auch, dass dabei nicht viel herauskommen wird", meint Markus Frick.
Die EU-Kommission und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hatten sich für 2011 als Starttermin ausgesprochen. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, forderte eine Abkehr von der expansiven Finanzpolitik spätestens 2011.
Solche Defizitverfahren haben überhaupt keinen Einfluss auf die Börsen, darum braucht man sich darüber wenig Sorgen machen. Die Schulden werden nicht mehr abgebaut werden können, außer durch eine Währungsreform. Deutschland hat es nicht einmal geschafft, in Boomjahren keine Schulden aufzunehmen, darum wird man dies auch in den nächsten Jahren nicht schaffen. Der Goldpreis zeigt schon, wohin die Anleger flüchten.
Quelle: Finanzdialog Verlag GmbH