Geldwäsche: Unternehmer unter Generalverdacht
Archivmeldung vom 03.06.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJeder Unternehmer in Deutschland steht zumindest in der Krise unter dem Generalverdacht der Geldwäsche, also unter dem Verdacht, dass er Vermögenswerte aus Straftaten in den legalen Wirtschaftskreislauf einschleust.
Das sagte Deutschlands oberster Kriminalist, der Präsident des Bundeskriminalamtes aus Wiesbaden, Jörg Ziercke (61), gestern auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Bekämpfung der Geldwäsche in Berlin.
Ziercke führte aus: "Wenn es Unternehmen nicht so gut geht, schauen diese beim Verkauf von Gütern oder bei einzelnen Geschäften nicht so genau hin, ob das Geld aus schwerer Kriminalität stammt. In der Krise könnte die Hemmschwelle sinken, wenn es um das Überleben der Firma geht oder darum, sich einen Konkurrenzvorteil zu verschaffen. Das darf man vermuten dürfen."
Diese Ansicht treibt jedoch Banken, Versicherungen, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberatern und Vermögensverwalter zu einem aussergewöhnlichen Anzeigenverhalten. Der Chef der der Zentralstelle für Verdachtsanzeigen (Financial Intelligence Unit, FIU) beim BKA in Wiesbaden, Dr. Michael Dewald, verzeichnet in seinem Jahresbericht 2008, den er zur Pressekonferenz mitbrachte, eine auffällige Tendenz: Es gibt eine Häufung von Anzeigen gegen Unternehmer wegen Geldwäsche, ohne dass man bei näherem Hinsehen einen Geldwäschehintergrund erkennen kann.
In Dewalds Bericht heißt es: "Die FIU stellte bereits im 4. Quartal 2007 eine Häufung von Anzeigen fest, die offensichtlich keinen Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungshintergrund erkennen ließen. Im Rahmen einer daraufhin durchgeführten dreimonatigen Trendbeobachtung wurde festgestellt, dass zirka zehn Prozent aller erstatteten Verdachtsanzeigen keinen erkennbaren Geldwäsche- bzw. Terrorismusfinanzierungshintergrund aufwiesen."
Jede 7. Anzeige ist falsch
Ende 2008 steigerte sich dieser falsche Anzeigenboom noch einmal. Dr. Dewald: "In den Monaten September bis November 2008 gingen bei der FIU insgesamt 1.870 Verdachtsanzeigen nach dem Geldwäschegesetz ein. 279 Verdachtsanzeigen und damit 15 Prozent des Gesamtaufkommens hatten keinen Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungshintergrund. Das bedeutet gegenüber dem 4. Quartal 2007 eine Zunahme um fünf Prozent. Dieser Zuwachs um fünf Prozent bedeutet, dass nahezu jede siebte Verdachtsanzeige zumindest keinen erkennbaren Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsbezug aufweist."
90 Prozent der Verfahren werden eingestellt
Noch schlimmer ist das Ergebnis bei der Auswertung der Rückmeldung durch die Staatsanwaltschaften. Von 7.349 im Jahre 2008 erstatteten Verdachtsanzeigen nach dem Geldwäschegesetz wurden etwas über die Hälfte, nämlich 3.850 Fälle, von den Staatsanwaltschaften als bearbeitet gemeldet. 90 Prozent dieser bearbeiteten Fälle (3.507) wurden eingestellt.
Eine Erklärung hat das BKA dafür nicht. Der Finanznachrichtendienst gomopa.net fragte auf der Pressekonferenz: "Könnte es sein, dass das Geldwäschegesetz auch von Banken benutzt wird, um unliebsame Konkurrenten auszuschalten?" Das wollte keiner bejahen. Aber BaFin-Chef Jochen Sanio (61) aus Bonn wies daraufhin, dass Banken sich selbst vor dem Verdacht einer Mittäterschaft, Begünstigung oder Fahrlässigkeit schützen müssen. "Denn", so Sanio, "sollte in Deutschland eine Bank der Geldwäsche überführt werden, was noch nicht passiert ist, dann ist die Bank in ihrer Existenz bedroht."
GoMoPa schilderte dem BKA und der BaFin einen konkreten Fall aus Berlin
Nach Aussagen des Berliner Generastaatsanwaltschaftssprechers Michael Grunwald wurden am 27. März die Privat- und Geschäftsräume eines Unternehmers in Potsdam durchsucht, alle Unterlagen, Computer beschlagnahmt und die Konten eingefroren. Anlass war die Anzeige einer deutschen Bank in Berlin, die sich darüber wunderte, dass ein Dutzend Anleger insgesamt eine Million Euro auf das Konto einzahlte, der für die Kunden in Liechtenstein Waren gekauft hat.
Die Konten des Händlers sind noch immer eingefroren. Der GmbH-Geschäftsführer konnte seine Vertriebsmitarbeiter nicht bezahlen, verlor bei den Kunden seinen guten Ruf und fängt nach der Aktion praktisch bei Null an. Beweise für Geldwäsche oder Betrug konnten die Ermittler bislang nicht finden.
FIU-Chefermittler Dewald: "Den Fall kenne ich nicht. Aber ich darf Ihnen versichern, sobald die Staatsanwaltschaft feststellt, dass an der Anzeige nichts dran ist, wird das Verfahren sofort eingestellt."
GoMoPa: "Gibt es Vorschriften darüber, wie lange so eine Untersuchung dauern darf, um einen Unschuldigen nicht in die Insolvenz zu treiben?"
Dr. Dewald: "Nein, so ein Verfahren kann Monate dauern. Nach dem Geldwäscheparagraphen 261 des Strafgesetzbuches reicht es nicht nur, die Geldwäsche nachzuweisen, es muss auch nachgewiesen werden, dass das Geld aus kriminellen Geschäften stammt. Das geschieht von den Profis meist im Ausland und ist von uns nur mit Amtshilfeersuchen möglich. Das dauert."
BKA-Fahnder sollen bei Banken hospitieren
Um Falschanzeigen zu vermeiden, sollen FIU-Mitarbeiter den Bankern und Ermittlern auf die Finger schauen. Dr. Dewald: "Der in den Vorjahren eingeschlagene Weg der Durchführung von gegenseitigen Hospitationen (zum Beispiel in Compliance-Bereichen von Banken und bei Sicherheitsbehörden) konnte aufgrund anderer Prioritäten im Jahr 2008 nicht konsequent fortgesetzt werden. Ab Mitte 2009 ist vorgesehen, die Hospitationen wieder zu intensivieren."
Die Zahl der Firmenpleiten zählt bis dahin niemand.
Quelle: GoMoPa (www.gomopa.net / Siegfried Siewert)