Zeitarbeits-Branche rechnet mit Absturz
Archivmeldung vom 01.11.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Zeitarbeitsbetriebe in Deutschland rechnen mit einem dramatischen Geschäftsrückgang. Dies zeigt eine Branchen-Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die der "Welt" vorliegt. Danach nähert sich die Bewertung der Geschäftserwartungen der Personaldienstleister dem historischen Tiefstwert aus Zeiten der Finanzkrise, als in Deutschland die Wirtschaft um fünf Prozent schrumpfte. Der Grund für den Sturzflug ist - neben der Euro-Krise und der eingetrübten Weltkonjunktur - die Einführung von Zuschlägen, die in wichtigen Branchen ab November die Zeitarbeit erheblich verteuern.
40 Prozent der befragten Unternehmen rechnen mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage. Im Frühsommer waren es lediglich 13 Prozent. In kaum einer anderen Branche würden die Aussichten derzeit so negativ beurteilt, heißt es in der Analyse. Jeder dritte Zeitarbeitsbetrieb geht deshalb davon aus, Stellen streichen zu müssen. "Gerade für Arbeitslose und Geringqualifizierte sinken dadurch die Jobchancen", kritisierte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DIHK, Achim Dercks. Denn gerade ihnen biete die Zeitarbeit die Gelegenheit zum Einstieg in Arbeit. Die DIHK-Umfrage zeigt, dass Zeitarbeitsfirmen die Arbeitskosten zunehmend als ernstes Geschäftsrisiko betrachten. Sechs von zehn Unternehmen sehen hierin eine Gefahr für ihre Entwicklung. Einen derart hohen Wert hat der Verband bislang in keiner Branche gemessen. In der Gesamtwirtschaft fürchtet nur ein Drittel der Betriebe dieses Risiko.
Skeptisch sind die Personaldienstleister auch mit Blick auf die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen: 58 Prozent sehen hierin ein Geschäftsrisiko, während branchenübergreifend der Wert bei 42 Prozent liegt. Der DIHK verweist darauf, dass trotz der erfolgten Tariflösungen die Debatte um Regulierungen weitergehe, etwa die Forderung nach gleicher Bezahlung von Zeitarbeitern und Stammbelegschaft (Equal pay) oder nach Übernahmeverpflichtungen und Begrenzung der Überlassungsdauer.
Ab dem 1. November müssen die Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie sowie der Chemieindustrie deutlich mehr Geld für Zeitarbeiter zahlen. Denn die neuen Branchenzuschläge treten in Kraft, die die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern in der Zeitarbeit ausgehandelt haben. In mehreren Stufen sollen die Gehälter an die der Stammbelegschaft angepasst werden: Nach einem Einsatz über sechs Wochen gibt es einen Zuschlag von 15 Prozent, nach neun Monaten kann dieser auf bis zu 50 Prozent steigen. Vor allem in den unteren Lohngruppen liegen die Löhne von Zeitarbeitern und Stammbelegschaft weit auseinander, so dass vor allem die unqualifizierten Zeitarbeiter teurer werden. Insgesamt gibt es derzeit rund 865.000 Zeitarbeiter in Deutschland.
Zahl der Zeitarbeiter sinkt bis Ende des Jahres auf 800.000
Infolge der sich abkühlenden Konjunktur geht die Zahl der Zeitarbeiter zurück. "Wir spüren die konjunkturelle Schwäche auf jeden Fall", sagt Volker Enkerts, Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), der "Welt". Seit drei Monaten gebe es eine rückläufige Entwicklung. "Ich rechne damit, dass die Zahl der Zeitarbeiter von derzeit ungefähr 864.000 bis Ende des Jahres auf 800.000 zurückgeht", so Enkerts. Der rückläufige Trend in der Zeitarbeit werde aber ausgerechnet davon abgeschwächt, dass andere Unternehmen außerhalb der Zeitarbeit erste Mitarbeiter freisetzen. "So finden wir derzeit wieder Fachkräfte, mit denen wir noch Altaufträge abarbeiten können". Damit die Zahl der Zeitarbeiter bis Ende des Jahres nicht noch stärker sinke, müsse es möglich gemacht werden, dass auch Zeitarbeiter in Kurzarbeit gehen können, forderte Enkerts von der Bundesregierung. Der größte Teil des Rückgangs der Zeitarbeiter wird dem BAP-Präsidenten zufolge konjunkturbedingt sein.
Quelle: dts Nachrichtenagentur