Fiskus kann Aufschwung im Mittelstand beschleunigen
Archivmeldung vom 21.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bundesregierung will Unternehmen und Bürger im kommenden Jahr um rund 8,4 Milliarden Euro steuerlich entlasten. Das Gesetzgebungsverfahren für das sogenannte "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" läuft auf Hochtouren, damit es bereits zum 1. Januar 2010 in Kraft treten kann. Der Regierungsentwurf soll am 4. Dezember in zweiter Lesung im Bundestag und am 18. Dezember abschließend im Bundesrat behandelt werden.
Fritz Esterer ist seit Juli 2009 Vorstandsvorsitzender des World Tax Service WTS, einer international agierenden Steuerberatungsgesellschaft mit mehr als 400 Mitarbeitern und Präsenz in rund 90 Ländern. Zuvor war Fritz Esterer 13 Jahre Steuerchef des Siemens-Konzerns.
Was kann die Bundesregierung derzeit steuerpolitisch für kleine und mittlere Unternehmen tun?
Die Koalition hat nun die Chance, ein ganzes Instrumentarium zielgerichtet einzusetzen, um dem Mittelstand aus der Krise zu helfen. Wichtig wären Maßnahmen, die den Standort Deutschland nachhaltig international stärken und gleichzeitig solche, die unmittelbar den Aufschwung beschleunigen.
Was könnte Mittelständlern in der Krise helfen?
Wer jetzt Verluste schreibt, sollte ausgedehntere Möglichkeiten erhalten, diese mit Gewinnen aus Vorjahren zu verrechnen. Mit ausgedehnt meine ich, dass ein Verlustrücktrag zumindest für gewisse Zeit unbegrenzt möglich sein sollte. Auch sollte er nicht nur mit dem Gewinn des letzten Jahres, sondern auch der letzten zwei bis drei Jahre verrechnet werden können. Angeschlagene, solide wirtschaftende Unternehmen, die in früheren Jahren durch ihre Steuerzahlungen zum Gemeinwohl beigetragen haben, erhalten so den rettenden, schnellen Liquiditätszufluss.
Wie sollte der Aufschwung beschleunigt werden?
Wenn Firmen wieder erste Gewinne schreiben, sollten sie diese umgekehrt zunächst mit den angehäuften Verlusten aus der Talfahrt verrechnen können, bevor wieder Steuern zu zahlen sind. Von der ungerechten Mindestbesteuerung der Gewinne sollte sich der Fiskus verabschieden. Der Aufschwung ist wie ein zartes Pflänzchen. Wenn der Gärtner zu früh ernten will, macht er es kaputt.
... in einer Phase, in der sich viele Mittelständler restrukturieren!
Viele ziehen Konsequenzen aus der Verwundbarkeit und stellen sich neu auf. Ein flexibles und gerechtes Steuerrecht muss Verlustvorträge bei konzerninternen Umstrukturierungen erhalten. Für Sanierungsfälle ist eine derartige Regelung in Kraft, leider bislang nur bis Ende 2011. Beim Wechsel von Anteilseignern sollten Verlustvorträge auch insoweit nicht verloren gehen, als stille Reserven vorhanden sind - das sind Unternehmenswerte, die über den bilanziellen Buchwert hinausgehen. Bei diesen Punkten ist der Gesetzgeber auf einem guten Weg.
Welche fiskalischen Maßnahmen könnten den Standort Deutschland stärken?
Aus steuerpolitischer Sicht drei: Erstens macht die Gewerbesteuer die Kommunen anfällig für das konjunkturelle Auf und Ab. Außerdem wird durch die Gewerbesteuer die weitere Modernisierung des Unternehmensteuerrechts behindert. Wer die Gemeindesteuern reformieren will, kann andere fiskalische Instrumente nutzen, etwa das Vier-Säulen-Modell der Stiftung Marktwirtschaft. Zweitens brauchen wir in Deutschland eine moderne Gruppenbesteuerung, die unabhängig von der Rechtsform auf Formalitäten wie den Ergebnisabführungsvertrag verzichtet und eine grenzüberschreitende Verlustnutzung innerhalb einer Unternehmensgruppe erlaubt. In anderen Ländern bereits Realität! Und drittens sehen wir im internationalen Vergleich, dass bei uns eine steuerliche Forschungsförderung fehlt. Alle großen Industriestaaten haben entsprechende Steuergesetze, Deutschland stellt hier eine große Ausnahme dar. Innovationen sind das Rückgrat eines Wirtschaftsstandortes. Intellectual Property ist der wichtigste Rohstoff, den Deutschland hat.
Quelle: WTS AG Steuerberatungsgesellschaft