Studie zu Zukunftsperspektiven Mitteleuropas bis 2016
Archivmeldung vom 19.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMitteleuropa wird sich in den kommenden zehn Jahren grundlegend wandeln: Die regionale Verflechtung innerhalb der Region wird sich weiter verstärken, das Wirtschaftswachstum dürfte sich nach 2010 deutlich verlangsamen. Immer mehr russische Unternehmen investieren in den mitteleuropäischen Staaten.
Längerfristig kann der Mangel an
gut ausgebildeten Arbeitskräften zu einem Problem werden. Das sind
die zentralen Ergebnisse der Studie "Mitteleuropa 2016 - Szenarien,
Trends und Perspektiven" von Roland Berger Strategy Consultants. Für
die Untersuchung wurden rund 140 Vorstände von Industrieunternehmen
aus Kroatien, Polen, Rumänien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn
befragt.
"Die kommende Dekade wird für Europa eine besondere
Herausforderung. Ostöffnung und EU-Erweiterung haben die
Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents zwar gestärkt, aber nicht
nachhaltig gesichert. Denn auch die neuen EU-Staaten müssen sich den
Herausforderungen der Globalisierung stellen", erklärt Albrecht Crux,
Osteuropa-Chef von Roland Berger Strategy Consultants.
Schwächeres Wirtschaftswachstum ab 2010
Das starke Wirtschaftswachstum dürfte sich spätestens ab 2010
verlangsamen und etwa ein bis zwei Prozentpunkte über dem
westeuropäischen Durchschnitt liegen. Roland Berger Strategy
Consultants rechnet für 2011 bis 2016 mit einem durchschnittlichen
Wachstum des Bruttosozialprodukts in Mitteleuropa von 3,8 bis 4
Prozent. Im internationalen Wettbewerb bleibt Mitteleuropa als
Standort attraktiv, allerdings - vor dem Hintergrund globaler
Strukturveränderungen - mit sinkender Tendenz. Arbeitsintensive
Industrien dürften noch länger vom hohen Ausbildungsstand und den zu
Westeuropa relativ niedrigen Lohnkosten in den einzelnen Ländern
profitieren. So liegt der Stundenlohn eines Arbeiters in Slowenien im
Jahr 2010 77 Prozent unter dem eines deutschen Arbeiters. Der
tschechische Arbeiter verdient 2010 in der Stunde 84 Prozent weniger
als sein deutscher Kollege, der rumänische Arbeiter erhält sogar 92
Prozent weniger. Stark an Bedeutung zunehmen wird der Bereich
Forschung und Entwicklung. "Hier entsteht eine starke Konkurrenz für
Westeuropa", sagt Strategieberater Crux.
Verstärktes Zusammenwachsen der mitteleuropäischen Länder
Die Wachstumsmuster der Unternehmen in den mitteleuropäischen
Staaten sind - wie die entsprechenden Strategien - sehr
unterschiedlich. Während westeuropäische Unternehmen auf stärkere
Internationalisierung setzen, wollen Unternehmen in den
mitteleuropäischen Ländern vor allem ihr Produktspektrum und ihre
Kundenbasis verbreitern. Geografisches Ziel ihres Wachstums ist in
erster Linie die eigene Region, also Mitteleuropa. Im Zuge dessen
wird sich die wirtschaftliche Vernetzung in diesem Raum wesentlich
verstärken. Demnach kann auch noch im Jahr 2016 von einer
"Wirtschaftsregion Mitteleuropa" gesprochen werden. Bei der Frage
nach der regionalen Herkunft der Hauptwettbewerber mitteleuropäischer
Unternehmen gibt es Veränderungen. Kamen sie 1996 überwiegend aus dem
eigenen Land (87 Prozent) oder aus Mitteleuropa selbst (84 Prozent),
so rechnen mitteleuropäische Unternehmen damit, dass die schärfsten
Konkurrenten 2016 aus Westeuropa (90 Prozent), dem eigenen Land (81
Prozent), Mitteleuropa (68 Prozent) oder aus Russland (63 Prozent)
kommen werden.
Herausforderung Finanzierung
Als besondere Herausforderung stellt sich die Finanzierung des
Unternehmenswachstums in den mitteleuropäischen Staaten dar. Nach
Abschluss der Privatisierungen wird die Bedeutung strategischer
Investitionen zurückgehen, während Private-Equity-Investitionen und
Investitionen russischer Unternehmen, besonders in Öl- und Gasfirmen,
stark zunehmen werden. Im Zuge dessen dürfte in den nächsten zehn
Jahren eine "Rückkehr Russlands" in die Region zu beobachten sein.
Auch bleiben die ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in
Mitteleuropa weiterhin hoch. Am meisten wurde 2005 in Tschechien
(rund elf Milliarden Dollar) investiert, gefolgt von Polen (7,7
Milliarden Dollar) und Ungarn (6,7 Milliarden Dollar). Schlusslicht
war Kroatien mit 1,7 Milliarden Dollar ausländischer
Direktinvestitionen. Die kumulierten ADI in Mitteleuropa steigen von
289 Milliarden Dollar (2005) auf 600 Milliarden Dollar (2016).
Russland zieht in diesem Zeitraum verstärkt ADI an. Sie nehmen von
113 Milliarden Dollar (2005) auf 400 Milliarden Dollar (2016) zu.
Wie die Studie zeigt, gilt es, Schlüsselqualifikationen in mitteleuropäischen Unternehmen weiterzuentwickeln, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein. Diese Unternehmen haben oft Nachholbedarf bei Basisfähigkeiten, wie Beherrschen der englischen Sprache, Projektmanagement, vertriebliche, kaufmännische sowie Corporate Management-Fähigkeiten. Entrepreneurship (Unternehmergeist) stellt die am häufigsten benötigte Schlüsselqualifikation in mitteleuropäischen Unternehmen dar.
Quelle: Pressemitteilung Roland Berger Strategy Consultants