"Rettet Innenstädte, nicht Warenhäuser"
Archivmeldung vom 09.11.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićMarcus Diekmann, Digital-Unternehmer, Start-Up-Investor und Gründer der Initiative "Händler helfen Händlern" fordert im Zuge des zweiten Schutzschirmverfahrens innerhalb von zwei Jahren von Galeria Karstadt Kaufhof: Rettet die Städte, nicht die Warenhäuser. Innenstädte müssen sich schneller verändern - mit einer modernen Handelsinfrastruktur, Erlebniswelten und Sonntagsöffnung, sagt der Handelsexperte im ZDF heute Journal.
Laut Diekmann hat der markenübergreifende Handel der Vergangenheit keine Chance mehr. Die horrenden Subventionsgelder, die an Galeria Karstadt Kaufhof gezahlt wurden, stelle für ihn eine klare Ungleichbehandlung von stationären Geschäftsbetreibern dar. Das helfe dem Warenhauskonzern nicht und fördere auch langfristig weder die Innenstädte, noch den Handel selbst. Im Gegenteil: Veraltete, subventionierte Geschäftsmodelle wie das von Galeria Karstadt Kaufhof schade der Handelsinfrastruktur einer Stadt, da es anderen Händlern Umsätze wegnimmt.
Diekmanns Thesen:
1) Gebt den Städten ihre Individualität zurück
Es geht heute darum, sich als Stadt über das eigene Alleinstellungsmerkmal klar zu werden. Welche:r Bürgermeister:in sieht sich heute tatsächlich als erster Wirtschaftsförderer der Stadt? Wer fragt die Einwohnerschaft regelmäßig nach dem tatsächlichen Bedarf? Wofür werden Verbraucher:innen ihr Geld ausgeben, wenn prognostiziert wird, dass das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen im nächsten Jahr wegen Inflation und hohen Energiekosten um 30 Prozent geringer ausfällt? Fakt ist, dass es die nächsten zwei Jahre für den Handel hart wird. Gerade kleinere und mittlere Stadtzentren tun sich schwer, die Angebote in den Städten wirken oft austauschbar. Sie müssen sich schnell transformieren und nach individuellen, innovativen Konzepten suchen, die den Bedürfnissen der Menschen, die dort leben, entsprechen.
2) Schafft Erlebniswelten für Innenstädte
Attraktives Wohnen und Leben in der Stadt, Kinderspielplätze, Mehrgenerationen-Cafés statt deprimierend leerer Läden, Sportanlagen statt raumgreifender Parkplätze, Coworking-Konzepte für neues Arbeiten in der City oder auch urbane Produktionsstätten, Stärkung des Radlieferverkehrs - hier liegen die Zukunftschancen der Innenstädte. Dafür braucht es finanzielle Unterstützung vom Bund und die Möglichkeit für Kommunen, freiwerdende Liegenschaften zu erwerben und den Weg für eine Umnutzung zu ebnen. Wohnen, Spielen, Einkauf und Arbeit können als kluges Gemeinschaftskonzept den Städten wieder Leben einhauchen.
Für die Verantwortlichen in den Städten heißt das: In Absprache und gegenseitiger Unterstützung mit den benachbarten Ortschaften in der Region könnte es je nach Historie und Struktur die Erlebnis-, die Kultur-, die Sport-, die Event- , die Natur- oder die Manufaktur-Stadt geben. Von denen, die dies bereits vorbildlich umsetzen, Erlebniswelten schaffen und einzigartige Attraktionen etablieren, kann man lernen. Statt sich um Neu- und Umbauten von Rathäusern zu kümmern, sind alle Stadtverantwortlichen aufgefordert, jetzt ihre Chance zu nutzen, um gemeinsam mit einer noch vorhandenen Vielzahl an Geschäften bzw. allen Gewerbetreibenden etwas zu bieten, das Bewohner:innen und Besucher:innen zum langen Verweilen in den Städten motiviert. Fördermittel gibt es hierfür. Wofür wurden sie bisher ausgegeben?
3) Sonntagsöffnung überfällig
Eines der wichtigsten politischen Instrumente ist die Sonntagsöffnung der Geschäfte. In so vielen Familien und anderen Lebensmodellen arbeiten längst beide Erwachsene, Zeit zum gemütlichen Bummeln und für den Konsum gibt es eigentlich nur am Sonntag, nachdem am Samstag nach einer anstrengenden Woche alle Pflichten erledigt sind - warum lässt sich nicht endlich ein Erlebnistag schaffen mit entspanntem Lunch, Einkauf, Kultur, Spiel oder Sport und Dinner? Die nötige Verfassungsänderung dazu ist überfällig.
Im Handel liegt so viel Potenzial brach. Holt die gute alte Werbegemeinschaft an einen Tisch mit weiteren Playern, für einen Schulterschluss von Handel, Gastronomie, Sport, aber auch städtischen Einrichtungen wie etwa Musikschulen oder Universitäten. Lasst uns die Krise als Chance für die Schaffung einer modernen Handelsinfrastruktur nutzen.
Quelle: Pro-Bono-Initiative Händler helfen Händler (ots)