Börsen-Zeitung: Die große Flucht aus Fonds
Archivmeldung vom 18.11.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas ist los mit den Fondsanlegern? Der Dax steigt und steigt, und trotzdem haben sie im Oktober erneut über 1 Mrd. Euro aus Aktienfonds abgezogen, wie die Statistik des Bundesverbands Investment und Asset Management zeigt.
Auch den
Rentenfonds laufen die Investoren davon. Selbst wenn man die durch
Krisen gebeutelten offenen Immobilienfonds ausklammert:
Publikumsfonds haben von Januar bis Oktober mit 18 Mrd. Euro weniger
als halb so viel eingeworben wie in der gleichen Zeit des vergangenen
Jahres.
Am Aktienmarkt kann es nicht liegen, und auch nicht an der
Sparneigung: Im ersten Halbjahr 2006 haben die Deutschen knapp 80
Mrd. Euro auf die hohe Kante gelegt, etwas mehr als im selben
Zeitraum des Vorjahres. Wo also landet das Geld? Zu größeren Teilen
offenbar in Zertifikaten, deren Volumen sich von Januar bis September
um 26% auf 106 Mrd. Euro erhöht hat, so die Schätzung des Verbands
Derivate Forum.
Für Anleger haben solche Produkte oft den Reiz, dass sie
Kapitalgarantien oder einen Risikopuffer bieten. Dass es am
Aktienmarkt nicht immer nur aufwärts gehen kann, hat der
vorübergehende Kurseinbruch im Mai und Juni wieder einmal plastisch
bewiesen. Über Zertifikate können Kleinanleger darüber hinaus auch in
exotische Assets wie Rohstoffe oder Single-Hedgefonds investieren.
Auch Investments in exotische Assetklassen, etwa Rohstoffe, sind
durch Zertifikate leicht möglich.
Durch den verstärkten Einsatz von Derivaten versuchen nun auch Fonds,
derartige Anlegerbedürfnisse besser zu erfüllen. Die EU hat die
Möglichkeiten hierfür stark erweitert. Finanzinstrumente, die auch in
schwachen Marktphasen positive Renditen liefern, könnten zu einem
entscheidenden Erfolgsfaktor für Fondsanbieter werden.
Als weiterer Grund für den Boom der Zertifikate gilt jedoch, dass sie
in ihrer Preisgestaltung weniger transparent sind als Fonds. Dadurch
sind höhere Margen möglich, die diese Produkte für den Bankvertrieb
besonders attraktiv machen. Fonds zu verkaufen ist vergleichsweise
uninteressant.
Im Sinne der Verbraucher ist das nicht. Strengere Transparenzvorschriften für Zertifikate, die sich an den bewährten Standards für Investmentfonds orientieren, könnten helfen. Die neue EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid liefert hierzu Ansatzpunkte, lässt Details aber offen. Für faire Bedingungen für die unterschiedlichen Spieler der Investmentbranche, aber auch für die Anleger, ist es jedoch höchste Zeit.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung