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Neue Studie zeigt hohe Unzufriedenheit bei philippinischen Pflegefachkräften in Deutschland

Archivmeldung vom 09.03.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.03.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Grace Lugert-Jose Bild: Grace Lugert-Jose Fotograf: Kerstin Pukall
Grace Lugert-Jose Bild: Grace Lugert-Jose Fotograf: Kerstin Pukall

Dass es einen Pflegenotstand in Deutschland gibt, ist vielen Menschen spätestens durch die Corona-Pandemie bewusst geworden. Die Gewinnung ausländischer Fachkräfte könnte die Situation in vielen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen verbessern. Die Philippinen sind hierbei ein wichtiges Herkunftsland, das einen guten Ruf bei Arbeitgebern genießt.

In einer aktuellen Studie wurde jedoch ein alarmierender Zustand der Gesamtzufriedenheit der philippinischen Pflegefachkräfte in Deutschland festgestellt. Nur 17 Prozent der hier arbeitenden philippinischen Pflegefachkräfte würden befreundeten Kollegen auf den Philippinen ihren aktuellen Job empfehlen. Mehr als die Hälfte (58 Pozent) der Befragten fühlen sich "nicht willkommen", 64 Prozent empfinden sich in ihren fachlichen Qualifikationen abgewertet.

Das ist das Ergebnis einer Studie der interkulturellen Beraterin und Trainerin Grace Lugert-Jose, die sich auf die Integration ausländischer Pflegefachkräfte in Deutschland spezialisiert hat. Für die Studie, die im Februar 2022 durchgeführt und gerade ausgewertet wurde, hat Grace Lugert-Jose hier lebende und arbeitende Pflegefachkräfte aus den Philippinen zu ihrer Berufszufriedenheit und zu verschiedenen Aspekten der Integration befragt. Mit 109 Teilnehmenden lässt die Studie gute Rückschlüsse auf die Gesamtheit der philippinischen Pflegefachkräfte in Deutschland zu. Der überwiegende Teil der Erkenntnisse dieser Studie dürfte auch auf die Gesamtsituation ausländischer Pflegefachkräfte allgemein übertragbar sein, da das Ergebnis dieser Umfrage frühere qualitative Studien u.a. der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt und nun quantifizierbar macht.

"Die Ergebnisse der Studie zeigen erhebliche Schwachpunkte der bisherigen Integrationsbemühungen in Deutschland auf", kommentiert Grace Lugert-Jose die gewonnenen Erkenntnisse. "Vor allem wenn man die Zufriedenheit der philippinischen Pflegefachkräfte hierzulande mit der in anderen Ländern vergleicht. In Großbritannien sind 71 Prozent der philippinischen Pflegefachkräfte zufrieden. Hohe Zufriedenheitswerte gibt es auch in den USA. Auch in anderen EU-Ländern wie Finnland scheint die Zufriedenheit höher zu liegen." Wenn die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland nachhaltige Ergebnisse bringen soll, bestehe auf jeden Fall dringender Handlungsbedarf, so die interkulturelle Beraterin und Trainerin weiter: "Es gibt Arbeitgeber, die bereits einen sehr guten Job bei der Integration machen und die Fachkräfte so langfristig binden. Leider ist dies nur eine Minderheit."

Unzufriedenheit führt zu hoher Fluktuation

Nur 12 Prozent der Befragten stimmen der Aussage "Insgesamt kann ich sagen, ich bin sehr zufrieden mit meinem Job" voll zu. 64 Prozent hingegen widersprechen dieser Aussage. Auch bei der Frage nach der Weiterempfehlung ist das Ergebnis ernüchternd. Die Aussage "Ich würde diesen Job definitiv einem Familienmitglied oder einem Freund in meinem Heimatland empfehlen" findet nur bei 17 Prozent der Befragten volle Zustimmung, liegt jedoch bei 66 Prozent Ablehnung.

Für eine Vergleichbarkeit wurde aus der Befragung auch der eNPS (Employee Net Promoter Score) als verbreitete Benchmark-Kennzahl berechnet. Der in dieser Studie ermittelte Wert von -49 Prozent ist besorgniserregend.

"Die geringe Zufriedenheit der hier arbeitenden ausländischen Fachkräfte erklärt die hohe Fluktuation, von der viele Arbeitgeber berichten", so Grace Lugert-Jose.

Fehlende Anerkennung der Kollegen als größtes Problem

Ein zentrales Thema für die angeworbenen Fachkräfte ist fehlender Respekt und die mangelnde Anerkennung der Kollegen. So stimmen der Frage "Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Qualifikationen und bisherige Berufserfahrung in Ihrem derzeitigen Job wertgeschätzt werden?" nur 17 Prozent voll zu. Dem stehen 64 Prozent Ablehnung gegenüber. Aus den offen formulierten Antworten wird deutlich, dass dieses Problem in erster Linie mit den Kollegen und direkten Vorgesetzten wahrgenommen wird.

Dies ist besonders bemerkenswert, da die formale und theoretisch-fachliche Qualifikation der philippinischen Pflegefachkräfte sich an den Standards der USA orientiert und mit einem Bachelor-Studienabschluss über den deutschen Standards liegt. Außerdem hat ein Großteil der hier arbeitenden philippinischen Pflegefachkräfte bereits mehrjährige internationale Berufserfahrung gesammelt, oft zum Beispiel im arabischen Raum. Somit steht einer objektiv beurteilbar hohen Kompetenz eine sehr geringe Wertschätzung der Kollegen der Stammbelegschaft gegenüber. Gerade diesen Punkt bedauert Grace Lugert-Jose sehr: "Es ist schade, wie viel Potenzial hier verloren geht, indem hochqualifiziertes Personal abgewertet wird."

Diskriminierung und Rassismus sind weit verbreitet

22 Prozent der Befragten gaben in den offenen Antworten an, Diskriminierung und Rassismus aufgrund der Herkunft zu erfahren. Da derartige Erfahrungen nicht direkt abgefragt wurden, ist dieses Ergebnis umso erschreckender. Rassismus äußert sich in vielen Fällen subtil und auch über die Zuschreibung minderwertiger Qualifikationen. "Warum es konkret zu den negativen Erfahrungen kommt, ist sehr unterschiedlich", sagt Grace Lugert-Jose. "Natürlich gibt es Fälle von echter Fremdenfeindlichkeit. Oft erscheint auch die Stammbelegschaft überfordert mit der Tatsache, dass immer mehr ausländische Fachkräfte in Deutschland arbeiten."

Manchmal sorgen auch kulturelle Missverständnisse zu gefühlter Diskriminierung. Gerade die sehr unterschiedlichen Kommunikationsarten im Vergleich von Deutschland und den Philippinen führen schnell zu Fehlinterpretationen. "In vielen Fällen nehmen die zugewanderten Fachkräfte Äußerungen, die in Deutschland als nicht besonders feinfühlig, aber akzeptabel durchgehen, als Mobbing wahr", so Grace Lugert-Jose.

Deutsche Sprache ist eine große Herausforderung

Eine der größten Barrieren ist die deutsche Sprache. Viele angeworbene Fachkräfte kommen mit dem Sprachlevel B1 oder B2 nach Deutschland. Beide Sprachniveaus reichen in der Regel nicht aus, um an normalen Alltagsgesprächen teilzunehmen, wenn die anderen Gesprächsteilnehmer keine Rücksicht nehmen. Im Krankenhausalltag ist eine solche Rücksichtnahme auch nicht immer möglich. Mangelnde sprachliche Teilhabe ist daher ein großer Faktor für Unzufriedenheit.

Weiche Faktoren bestimmen die Gesamtzufriedenheit

Bei der Analyse, welche der Aspekte einen besonders großen Einfluss auf die Berufszufriedenheit und Weiterempfehlung haben, wurde deutlich, dass die sogenannten "weichen" Faktoren eine zentrale Rolle spielen. Das Gefühl, in seiner Qualifikation wertgeschätzt zu werden, und das Gefühl, willkommen zu sein, lagen hierbei ganz vorne.

Ein weiterer sehr wichtiger Punkt für die Zufriedenheit ist eine gute Unterstützung bei der beruflichen Anerkennung. Grace Lugert-Jose erklärt: "Philippinische Pflegefachkräfte, die in Deutschland arbeiten möchten, müssen sich die im Ausland erworbenen Qualifikationen in Deutschland anerkennen lassen und zusätzlich noch einige Prüfungen absolvieren." Diese berufliche Anerkennung sei in der Regel eine der größten Herausforderungen für die neu angekommenen ausländischen Fachkräfte. Ein Nichtbestehen der hier in Deutschland verlangten zusätzlichen Prüfungen ziehe gravierende negative Konsequenzen sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber nach sich.

Grace Lugert-Jose: "Für die neu angeworbenen Pflegefachkräfte ist das Bestehen der beruflichen Anerkennung ein großer Stressfaktor. Wenn sie sich nicht ausreichend unterstützt fühlen, ist die Verunsicherung und Unzufriedenheit sofort groß."

Empfehlungen für Arbeitgeber

Aus den Ergebnissen lassen sich direkte Empfehlungen ableiten. Die interkulturelle Beraterin und Trainerin Grace Lugert-Jose rät:

  • Die allgemeine Erwartungshaltung muss gegenüber der Stammbelegschaft realistisch und transparent kommuniziert werden. Die Kompetenzen der neuen Kollegen und auch die Abweichungen zur deutschen Ausbildung sollte allen Kollegen klar sein. Alle sollten davon ausgehen, dass die neu angeworbenen Pflegefachkräfte aus dem Ausland einige Monate lang nicht voll einsatzfähig sind und dass dies für die Stammbelegschaft Mehrarbeit und Geduld aufgrund der Einarbeitung bedeutet.
  • Es muss außerdem mehr Verständnis für die Situation von Menschen geschaffen werden, die neu in einem Land sind und sich anpassen müssen. Interkulturelle Kompetenz muss im gesamten Team geschult werden.
  • Die Arbeitgeber sollten intensive Sprachfördermaßnahmen, wie zum Beispiel Sprachtrainings und den Einsatz in kommunikationsstarken Stationen in den ersten Monaten priorisieren. Nur wenn die neuen Mitarbeitenden schnelle Fortschritte im Spracherwerb machen, wird eine reibungslose Kommunikation und Interaktion mit den Kollegen und Patienten ermöglicht.
  • Die ersten Monate sind auch die Zeit für interkulturelle Trainings der neu angeworbenen Fachkräfte. Diese führen zu einem besseren gegenseitigen Verständnis und dem Abbau von Barrieren.

Die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen setzen die falschen Prioritäten

Bei der Analyse der Ergebnisse wird deutlich, dass viele Arbeitgeber mit ihren Maßnahmen die falschen Prioritäten setzen. "Sie setzen auf möglichst schnelle Einarbeitung und wollen die neuen Mitarbeitenden dann direkt voll einplanen. Dies führt dann aber leider zu den hier beobachteten Missständen", so Grace Lugert-Jose.

Die Arbeitgeber planen die ausländischen Fachkräfte oft schnellstmöglich komplett in den Dienstplan ein und legen den Sprachunterricht dann außerhalb der Arbeitszeiten, wenn er überhaupt noch stattfindet. Gleichzeitig müssen die neu angeworbenen Fachkräfte sich auf die Anerkennungsprüfung vorbereiten. Das führt dazu, dass für den Sprachkurs oft keine Zeit oder Energie mehr übrig ist. Die Sprachkompetenz entwickelt sich nicht ausreichend weiter, was wiederum die Grundlage für Folgeprobleme ist.

Es zeigt sich, dass die Arbeitgeber die Anwerbung der ausländischen Pflegefachkräfte nicht als das Stopfen von personellen Lücken sehen dürfen. Wenn Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturen erfolgreich zusammenarbeiten sollen, müssen die Einrichtungen zu interkulturell kompetenten Organisationen werden und sie müssen auch die Stammbelegschaft für die Veränderungen fit machen. Außerdem muss genügend Zeit und auch Budget für die Integration der neuen Kollegen eingeplant werden. Die Ergebnisse der Befragung zeigen leider, dass dies bisher kaum geschieht.

Zusatzinformationen zur Studie

Datenbasis: Die Studie ist im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Grace Lugert-Jose als interkulturelle Trainerin und Beraterin entstanden. Grace Lugert-Jose ist außerdem Gründerin der Facebook-Gruppe "Network of Pinoy Nurses in Germany". Diese Gruppe ist eine der größten Austauschplattformen für philippinische Pflegefachkräfte in Deutschland. Über diese Gruppe wurde zur Befragung aufgerufen, die vom 18.02.2022 bis zum 25.02.2022 durchgeführt wurde. Es flossen 109 komplett ausgefüllte Fragebögen in die Studie ein. Die Befragung fand auf Englisch statt, die hier genannten Formulierungen sind Übersetzungen. Bei der Konzeption der Studie und inhaltlich fachlichen Interpretation der Ergebnisse wurde Grace Lugert-Jose von Priv.-Doz. Dr. med. Dipl.-oec. med. Alexander Joist beraten. Er ist Chefarzt für Unfallchirurgie im Hufeland Klinikum Mühlhausen und Gesundheitsökonom. Die statistische Auswertung erfolgte durch die Statistikerin Kristine Leduc aus Rennes (Frankreich), die auf die Auswertung von Zufriedenheitsbefragungen spezialisiert ist und in diesem Bereich langjährige Erfahrung aufweist, unter anderem durch ihre Tätigkeit bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

Es ist geplant, den in dieser Studie genutzten Fragebogen zu einem Instrument weiterzuentwickeln, das in einzelnen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zur Messung der Zufriedenheit und Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen bei der betrieblichen Integration von ausländischen Pflegefachkräften genutzt werden kann.

Quelle: Grace Lugert-Jose (ots)

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