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Sind wir (un)abhängig von seltenen Metallen?

Archivmeldung vom 24.02.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.02.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
elementares Germanium
elementares Germanium

Foto: Gibe
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Zahlreiche metallische Elemente gelten als «kritisch»: einerseits spielen sie eine immer wichtigere Rolle in so genannten Zukunftstechnologien, andererseits besteht ein hohes Risiko für Versorgungs-engpässe. Betroffen davon sind auch KMUs, denen häufig nicht klar ist, von welchen derartigen Materialien sie abhängig sind. Anlässlich eines «Technology Briefing» an der Empa wurden Strategien für einen nachhaltigeren Umgang mit kritischen Materialien vorgestellt und diskutiert.

Gemeinsam mit dem ESM, der Stiftung «Entwicklungsfonds Seltene Metalle», veranstaltete die Empa Ende Januar an der Empa-Akademie in Dübendorf ein «Technology Briefing» zum Thema «Strategien für den nachhaltigen Umgang mit kritischen Materialien». Der Anlass sollte Möglichkeiten aufzeigen, wie Industrie und Forschung Versorgungsrisiken und den Folgen einer immer stärkeren Nutzung dieser Rohstoffe begegnen können. Wie Patrick Wäger von der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» der Empa aufzeigte, gelten Rohstoffe bzw. Materialien als kritisch, wenn sie eine grosse Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft haben, gleichzeitig jedoch ein relativ hohes Versorgungsrisiko besteht. Zu den kritischen Rohstoffen zählen gemäss einer 2014 von der der EU in Auftrag gegebenen Studie eine ganze Reihe von «seltenen» Metallen (also Metalle, die in der Erdkruste in Massenanteilen von weniger als 0.01 Gewichtsprozent vorkommen) wie Gallium, Germanium, Indium, Kobalt, die Platinmetalle und die Seltenerdelemente. Gründe für das hohe Versorgungsrisiko sind die Konzentration der Rohstoffproduktion auf wenige Länder, niedrige Recyclingraten sowie schlechte Substituierbarkeit.

Maren Liedtke von der Deutschen Rohstoffagentur DERA thematisierte den Regelkreis der Rohstoff-versorgung und wies darauf hin, dass insbesondere der Kapitalrückgang im Bergbausektor und bei der Aufbereitung mittelfristig zu Angebotsdefiziten führen kann. Unternehmen müssten deshalb die Märkte beobachten und Absicherungs- und Ausweichstrategien entwickeln. Mit Wäger war sie sich einig, dass die geologische Verfügbarkeit dieser Rohstoffe auch bei zunehmender Nachfrage nicht das Hauptproblem sei. Sorgen bereiten vielmehr die zunehmenden negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen des Rohstoffabbaus. Wissenschaft und Wirtschaft sollten deshalb, so Wäger, vermehrt Anstrengungen für einen nachhaltigeren Umgang mit diesen Rohstoffen unternehmen. Mögliche Ansatzpunkte seien etwa die Substitution durch unkritische Rohstoffe, die Erhöhung der Materialeffizienz in Produktionsprozessen und Produkten sowie das Schliessen von Stoffkreisläufen.

Lösungsansätze der Industrie

Margarete Hofmann, Geschäftsführerin des ESM, gab einen Überblick über europäische Aktivitäten im Bereich kritischer Metalle und leitete daraus mögliche Massnahmen für den nachhaltigeren Umgang mit kritischen Rohstoffen in den Bereichen Extraktion sowie Materialeffizienz und Substitution ab. Wichtige begleitende Massnahmen seien der Aufbau von Plattformen zum Informationsaustausch, die Aus- und Weiterbildung und die Analyse von Strategien und Systemen etwa mit Hilfe von Stoffflussanalysen und Ökobilanzen.

Auch für Industrievertreter wie Ute Liepold von Siemens, Jensen Verhelle von Umicore und Andreas Mai von Hexis ist klar, dass ihre Unternehmen von kritischen Materialien abhängig sind und deshalb ein bewussterer Umgang mit ihnen nötig ist. Gemäss Liepold gehören dazu die Substitution, ein sparsamerer Einsatz von Materialien und das Recycling von Produktionsabfällen sowie die Wiederverwendung und das Recycling von ausgedienten Konsumgütern. Bei der Substitution liegt der Teufel allerdings wie so oft im Detail, weil viele verschiedene Faktoren wie Produktperformance und -qualität, Kosten und Energieaufwand berücksichtigt werden müssten. Zudem habe die Substitution, so Liepold, «einen langen Vorlauf», braucht also Zeit. Verhelle zeigte am Beispiel von Germanium, wie Umicore bereits heute einen Grossteil seines Bedarfs durch Recycling abdeckt, Mai wiederum wies auf den Bedarf nach mehr neutraler Information zu Verfügbarkeit und Preisen kritischer Rohstoffe hin.

Lösungsansätze aus der Forschung

Ein Schwerpunkt der Forschung zu kritischen Materialien an der Empa liegt bei der Schliessung von Stoffkreisläufen bzw. beim «Urban Mining», d.h. der Rückgewinnung von Rohstoffen aus vom Menschen geschaffenen Lagerstätten, z.B. Gebäude oder ausgediente Konsumgüter wie Elektro- und Elektronikaltgeräte. Patrick Wäger stellte laufende Projekte vor, darunter die im Zusammenhang mit der «Revision der Verordnung über Rückgabe, Rücknahme und Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte» (VREG) stehende Untersuchung zur Verteilung von seltenen Metallen in elektronische Bauteilen von Fahrzeugen und Fraktionen aus der Verarbeitung von Altfahrzeugen in Auto-Schredderanlagen. Auf europäischer Ebene ist die Empa zusammen mit verschiedenen Forschungsgruppen im Rahmen eines «Horizon 2020»-Projekts seit Anfang Jahr daran, eine Datenbank zu den Vorkommen kritischer Rohstoffe in der europäischen «Urban Mine» zu erstellen. Susanne Rotter von der TU Berlin, deren Forschungsgruppe ebenfalls am Projekt beteiligt ist, machte sich dafür stark, dass Geräte in Zukunft vermehrt auch in Hinblick auf ihre Rezyklierbarkeit designt und produziert werden sollten, sprich: Seltene Metalle sollten möglichst leicht und mit wenig Aufwand wieder aus den Geräten herausgelöst werden können. Zurzeit ist das bei vielen Geräten kompliziert, zeitaufwändig und daher mit hohen Kosten verbunden.

Damit Unternehmen überhaupt handeln können, müssen sie indes erst einmal wissen, welche kritischen Rohstoffe sie in ihren Prozessen und Produkten verwenden und welche Risiken damit verbunden sind. Genau dies soll ein von Ernst Basler + Partner und Empa-Forschern entwickeltes Webtool für KMUs leisten. Damit lassen sich die Versorgungsrisiken für mehr als 30 Metalle, die mit deren Produktion einhergehenden ökologischen und sozialen Auswirkungen sowie die Anfälligkeit des Unternehmens gegenüber Versorgungs-unterbrüchen abschätzen. Das Webtool steht demnächst auf der Homepage von swissmem zur Verfügung.

Quelle: Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (idw)

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