Insolvenz bei der Göttinger Gruppe
Archivmeldung vom 09.06.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlNachdem sich die Haftbefehle gegen die Göttinger Gruppe massiv häufen, sieht der Bund der Kapitalanleger (BdKA) das nahe Ende dieser Unternehmensgruppe; bei der Securenta AG ist bereits am 07. Juni 2007 das Insolvenzantragsverfahren eröffnet worden.
„Für die Anleger geht es dann in die letzte Runde“, sagt BdKA-Vorstand Medard
Fuchsgruber. Denn im Insolvenzfall befinden sich die Anleger der Göttinger
Gruppe keineswegs auf der sicheren Seite. Im Gegenteil: Sie müssen damit
rechnen, dass der zukünftige Insolvenzverwalter sie auch weiterhin zur Kasse
bittet. Der BdKA empfiehlt, sich auf diese Risiken rechtzeitig vorzubereiten.
Seinen betroffenen Mitgliedern bietet der Anlegerschutzverein kostenfreie
Erstberatung an.
Hintergrund:
Seit den 80er Jahren haben sich rund
100.000 Bundesbürger auf die Göttinger Gruppe eingelassen. Versprochen wurde
ihnen ein Sparplan für die Altersvorsorge. In Wahrheit handelte es sich um
riskante Unternehmensbeteiligungen, was aber mit klangvollen Produktnamen wie
PensionsSparPlan oder SecuRente kaschiert wurde. „Dass die Göttinger Gruppe fast
zwei Jahrzehnte die Altersvorsorge tausender Mitbürger einsammeln konnte, ist
für unseren Finanzmarkt kein Gütesiegel, sondern ein politischer Skandal“, sagt
BdKA-Vorstand Fuchsgruber. Der Grund: „Statt die Geschäftstätigkeit des
unseriösen Unternehmens zu unterbinden, ließen sich namhafte Politiker von der
Göttinger Gruppe hofieren.“ Das habe maßgeblich zum Erfolg der Abzockertruppe
aus Göttingen beigetragen.
Bei Verbraucherschützern stand das
Unternehmen jedenfalls von Anfang an in der Kritik. Dass diese mehr als
berechtigt war, bestätigen zahlreiche Urteile. Voraus ging ein zähes Ringen vor
Gericht. Den Durchbruch erzielte die Kanzlei Seimetz & Kollegen aus
Ottweiler für ein Mitglied des BdKA im Frühjahr 2005 vor dem Bundesgerichtshof
(Aktenzeichen: II ZR 310/03 und II ZR 140/03). Seitdem erhielten zahlreiche
Anleger auch vor unteren Gerichten Recht und ihre Einlagen zurück. „Wir gehen
aber davon aus, dass sich die Mehrheit der Verbraucher nicht gewehrt hat“, sagt
BdKA-Chef Fuchsgruber.
Nach Einschätzung von Verbraucherschützern und
Rechtsanwälten steht die gesamte Göttinger Gruppe nunmehr vor dem Aus. Ein Indiz
hierfür ist die aktuelle Häufung von Haftbefehlen gegen Drahtzieher der
Unternehmensgruppe und der gegen das „Emissionshaus“ Securenta AG gestellte
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. „Bei bald 200 Haftbefehlen ist es
nur eine Frage der Zeit, dass weitere Insolvenzanträge gestellt werden“, sagt
Rechtsanwalt Hartmut Göddecke aus Siegburg.
Einen richtigen
Schlussstrich unter die Göttinger Gruppe zieht die erwartete Insolvenz aber
nicht. Zumindest nicht für die Verbraucher. Diese müssen sich auf neue Gefahren
gefasst machen. Weil sich die Anleger an der Göttinger Gruppe regelrecht
beteiligt haben, drohen ihnen im Insolvenzfall die Pflichten von
Mitunternehmern. Im schlimmsten Fall müssen sie anteilig für Schulden der
Göttinger Gruppe gerade stehen und den verlorenen Ersparnissen gesundes Geld
hinterherwerfen. „Selbst frühere Anleger müssen befürchten, dass der zukünftige
Insolvenzverwalter sie wieder zur Kasse bittet“, warnt Fuchsgruber.
Mit
welchen Insolvenzrisiken müssen Anleger rechnen?
Die Antwort hängt im
Einzelfall davon ab, um welchen Anlagevertrag es sich handelt. Bei der Göttinger
Gruppe kamen vor allem zwei Beteiligungsvarianten zum Einsatz:
- Wer sein Geld in so genannte typisch stille Beteiligungsverträge angelegt hat, muss sich auf ein langes Insolvenzverfahren einstellen und darf allenfalls mit einer äußerst geringen Quote rechnen. “Nach der langen Agonie der Göttinger Gruppe dürfte dort mittlerweile nichts mehr zu holen sein“, schätzt Fuchsgruber.
- Bei den meisten Verträgen handelt es sich jedoch um atypisch stille Beteiligungen. Hier ist das bereits eingezahlte Geld nach Einschätzung der mit dem BdKA verbundenen Rechtsanwälte verloren. Damit nicht genug: Der Insolvenzverwalter wird voraussichtlich noch weitere Forderungen an die Anleger richten. Hierauf kann mit verschiedenen Szenarien, wie z. B. Kündigung, Schadensersatz, Aufrechnung, etc. reagiert werden. Diesbezüglich muss im Einzelfall der Rechtsrat eines spezialisierten Rechtsanwaltes eingeholt werden.
Besonders aufpassen sollten Anleger, die von der Göttinger Gruppe
gewinnunabhängige Auszahlungen erhalten haben. Hier droht der Rückgriff durch
den Insolvenzverwalter. Anders ausgedrückt: „Der Insolvenzverwalter holt sich
vom Anleger zurück, was diesem von der Göttinger Gruppe ausgeschüttet wurde“,
erklärt Rechtsanwalt Göddecke. Möglich ist das, weil die gewinnunabhängigen
Ausschüttungen rechtlich gesehen eine verbotene Rückerstattung von Eigenkapital
sein können.
Zu beachten ist auch das ein Insolvenzverwalter abgeschlossene Vergleiche mit den Beteiligungsgesellschaften der Göttinger Gruppe bis zu einem Jahr nach Abschluss anfechten kann.
Quelle: Pressemitteilung Bund der Kapitalanleger e.V.