Solarwirtschaft übt scharfe Kritik an geplanter Kürzung der Förderung
Archivmeldung vom 21.01.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDeutschlands Solarunternehmen bangen um ihre Wettbewerbsfähigkeit und Technologieführerschaft. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) warnt eindringlich vor einer Insolvenzwelle in der Zukunftsbranche Photovoltaik und dem Verlust zehntausender Arbeitsplätze, sollten die gestern von Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen vorgestellten drastischen Kürzungen bei der Solarförderung in den nächsten Wochen umgesetzt werden.
Eine Nachbesserung der Ministerpläne sei unverzichtbar. Gänzlich überzogen und dringend nachzubessern sei nach übereinstimmender Auffassung der im BSW-Solar organisierten 800 Solarunternehmen und führender Solarforscher der aktuelle Kürzungsvorschlag aus dem Bundesumweltministerium. Er sieht eine Einmalabsenkung von 15 bis 25 Prozent bis zum Sommer 2010 vor. Darüber hinaus soll zu Beginn der Folgejahre zusätzlich zu der bereits jetzt im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) verankerten Kürzung von jährlich neun Prozent eine bis zu zehn Prozent schnellere Absenkung der Solarstrom-Fördersätze erfolgen.
BSW-Solar Geschäftführer Carsten Körnig: "Damit summiert sich die Förderkürzung für Solarenergie vom 31.12.2009 bis 1.1.2011 je nach Wachstum und Marktsegment auf 25,5 bis 55 Prozent. Ein derart radikaler und plötzlicher Einschnitt beraubt deutsche Solarunternehmen der Geschäftsgrundlage. Es bleiben ihnen keine Investitionsspielräume, um im harten internationalen Wettbewerb zu bestehen." Durch intensive Anstrengungen der Solarindustrie zur Kostensenkung und harten Wettbewerb kann Solarstrom bereits in den nächsten drei bis vier Jahren mit konventionellen Verbraucher-Stromtarifen konkurrieren, so die Einschätzung von Branchenexperten. Dies ermögliche ein schrittweises und wachstumsabhängiges Absenken der Solarstromvergütung um jährlich zwischen neun und 14 Prozent, wie von der Industrie bereits Ende letzten Jahres vorgeschlagen. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebs von Solaranlagen in allen Marktsegmenten, ob auf dem Dach oder in der Freifläche müsse so gesichert bleiben.
"Wenn die zusätzlichen Kürzungspläne im zweistelligen Prozentbereich Gesetz würden, dann wird die Klimapolitik der Bundeskanzlerin zur Makulatur. Dann stehen dutzende deutsche Solarunternehmen vor der Insolvenz oder wären gezwungen ihre Produktion aus Deutschland zu verlagern", warnt Günther Cramer, Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft. Eindringlich appelliert er an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, den aktuell vorgelegten Vorschlag einer drastischen Reduktion der Solarförderung zu korrigieren. Nach Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit liegen große Wachstumsmärkte im In- und Ausland vor der deutschen Solarindustrie.
"Die überzogene Förderkürzung gefährdet einen der wichtigsten Job- und Wirtschaftsmotoren für unser Land. Wertschöpfung bei der Produktion von PV-Modulen muss auch weiter in Deutschland stattfinden können.", so Cramer. Die Solarförderung im EEG hatte in den letzten Jahren einen rasanten Ausbau der Solarwirtschaft in Deutschland ermöglicht. Die Solarstrombranche setzte im letzten Jahr rund zehn Milliarden Euro um und zählt inzwischen rund 60.000 Beschäftigte in Industrie und Handwerk. Deutschland gilt weltweit als führend im Bereich der Solarenergie. Neben dem hohen Innovationspotenzial aus über 60 Forschungseinrichtungen und dem starken Maschinen- und Anlagenbau gelten die bislang attraktiven gesetzlichen Förderbedingungen für Solarstrom des EEG als unverzichtbarer Marktöffner.
Anpassung der Solarstromvergütung sichert langfristiges Marktwachstum in Deutschland
Anne Kreutzmann, Chefredakteurin des Solarstrom-Magazins PHOTON, erklärt zum Vorschlag des Bundesumweltministeriums zur Anpassung der Vergütungssätze für Solarstrom:
"Bundesumweltminister Röttgen hat den Weg für viele zusätzliche Solarstromanlagen in Deutschland frei gemacht. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz funktioniert nur dann wirklich effektiv, wenn sich die Förderung an der Höhe der Produktionskosten orientiert. Mit der geplanten Anpassung der Vergütungssätze wird genau das wieder erreicht. Das EEG sorgt so für die größtmögliche Menge an Solarstrom zum bestmöglichen Preis. So kann Solarstrom kurzfristig eine bedeutende Rolle im deutschen Energiemix übernehmen."
PHOTON-Kommentar zu den geplanten Änderungen im Einzelnen:
Reduzierung der Vergütung um 15 Prozent für Dachanlagen und um 15 bis 25 Prozent für Freiflächenanlagen: Die außerplanmäßige Absenkung war nötig geworden, weil die Weltproduktion an Solarmodulen wesentlich schneller gewachsen ist, als bei Einführung des EEG absehbar war. Die Produktionskosten sind damit schneller gesunken als die Vergütungssätze im EEG. Angemessen wäre nach PHOTON-Recherchen eine Reduzierung von 20 Prozent gewesen. Die 15 Prozent sind somit für die Industrie leicht zu verkraften. Die neuen Vergütungssätze werden den Zubau voraussichtlich nicht bremsen. Bei Anlagen auf Ackerflächen, welche 25 Prozent weniger Vergütung bekommen sollen, dürfte sich dagegen die Spreu vom Weizen trennen. Dieser Markt wird damit vor allem den besonders effizient produzierenden Firmen zur Verfügung stehen, die damit zeigen können, wie günstig Solarstrom heute schon erzeugt werden kann.
Reduzierung der Vergütung um zusätzliche 2,5 Prozent ab 3.500 MW Zubau erstmals zum 1. Januar 2011. Für je 1.000 MW, die darüber hinausgehen, soll die Vergütung um weitere 2,5 Prozent reduziert werden, bis maximal 10 Prozent. Sollte der Zubau nur 2.500 MW betragen, soll die Vergütungsabsenkung um 2,5 Prozentpunkte geringer ausfallen. Dies soll auch für jede weitere 500 MW geringeren Zubau gelten, wenn der Zubau unter 2.500 MW liegt: Die Vergütung an den Zubau zu koppeln ist dagegen keine gute Idee. Die Kostensenkung hängt von der Entwicklung der weltweiten Produktion ab, nicht vom Zubau in einem einzelnen Markt. Hier wird die Vergütung nicht entlang der Kostenkurve gefahren, sondern schlingert um die Entwicklung herum, was einen "Schweinezyklus" provoziert. Zudem leidet die Planungssicherheit, so dass aufgrund notwendiger Sicherheitszuschläge der Solarstrom unnötig verteuert wird. Die planmäßig vorgesehene Reduzierung der Vergütung zum 1. Januar 2011 um zehn Prozent entspricht dagegen der zu erwartenden Kostenreduzierung und ist damit für das weitere Wachstum des Zubaus unproblematisch.
Höhere Förderung des Eigenverbrauchs: Bei einem hohen Anteil von Solar- und Windstrom im Netz muss der Verbrauch der Produktion angepasst werden. Hierzu gibt es vielfältige Möglichkeiten, etwa das Lastmanagement durch die sogenannten "Smart Grids" und Speichersysteme. Sinnvoll ist es, das "Gesamtsystem Stromnetz Deutschland" zu optimieren. Der von Minister Röttgen eingeschlagene Weg, Erzeugung und Verbrauch auf Ebene des einzelnen Haushalts zu optimieren führt dagegen zu Fehlentwicklungen. So kann es geschehen, dass die für den Betreiber wirtschaftlich optimale Anlagengröße kleiner ist als es die zur Verfügung stehende Dachfläche erlauben würde. Im Übrigen besteht hier aufgrund der Erhöhung der Förderung wiederum die Gefahr einer Überförderung. Darüber hinaus ist die Verfassungskonformität dieser Fördermethode noch nicht bestätigt.
Keine Deckelung des Zubaus: Mit einem unbeschränktem Markt und einer Anpassung der Vergütungssätze an die Entwicklung der Produktionskosten hat Bundesumweltminister Röttgen optimale Voraussetzungen geschaffen, Solarstrom international schnell zu einer preiswerten Energiequelle zu machen. PHOTON geht auch unter den geänderten Vergütungssätzen weiterhin von einem Zubau in der Größenordnung von 5 bis 10 Gigawatt in diesem Jahr aus. Dies ist ein großer Gewinn für den Klimaschutz.
NABU: Solarförderung muss sinken, aber mit Augenmaß
Anlässlich der gestern bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung, die Förderung für neue Solaranlagen auf Gebäuden um weitere 15 Prozent und auf Ackerflächen sogar um 25 Prozent bis zum Sommer einzuschränken, hat der NABU vor den Konsequenzen für den deutschen Photovoltaik-Markt gewarnt.
"Es ist richtig, dass die Vergütungssätze für Solarstrom im Erneuerbare-Energien-Gesetz den gesunkenen Preisen für Photovoltaik-Anlagen angepasst werden. Doch die geplanten Einschnitte kommen zu plötzlich und sind zu hoch. Sie gefährden den weiteren Ausbau der Solarenergie in Deutschland", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Schwarz-Gelb müsse neben unnötigen Belastungen für die Verbraucher auch die Planungssicherheit für Solarwirtschaft und Anlagenbetreiber im Blick behalten. "Bei den anstehenden Entscheidungen im Bundestag brauchen wir mehr Augenmaß, sonst stehen viele der für 2010 bereits geplanten Projekte vor dem Aus", so Miller weiter.
Der NABU begrüßt die Pläne der Bundesregierung, Solaranlagen höher zu vergüten, deren Eigentümer einen Teil des erzeugten Stroms selbst verbrauchen statt ihn ins Stromnetz einzuspeisen. "Damit setzt die Regierung wichtige Anreize, den Strombezug aus Kohle- und Atomkraftwerken zu reduzieren", sagte Carsten Wachholz, Energieexperte beim NABU. Auch Solarparks auf Freiflächen könnten neben einer klimafreundlichen und effizienten Stromerzeugung weitere Vorteile aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes bringen: Bei der Nutzung von Ackerflächen entstehe unter den Solarmodulen extensiv bewirtschaftetes Grünland, das der Natur in einer intensiv genutzten Kulturlandschaft wichtige Rückzugsräume biete, erklärte Wachholz. Auf ehemaligen Militär- oder Industrieflächen ermögliche die Errichtung von Solarparks beispielsweise die Sanierung verunreinigter Böden.
In den vergangenen Jahren ist die Vergütung für Freiflächenanlagen bereits deutlich stärker als für Dachanlagen gekürzt worden. Mit den zusätzlichen Einschnitten würde auch die Finanzierung von sinnvollen, ökologischen Begleitmaßnahmen vor allem auf besonders großen und über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren genutzten Flächen für Solarparks nicht mehr möglich sein. "Wer heute über zu hohe Vergütungen für Solarstrom klagt, unterschlägt gerne, dass die gesetzlich garantierten Sätze seit 2004 bereits um rund die Hälfte gesunken sind", so Wachholz.
Zehntausende deutscher Photovoltaik-Arbeitsplätze gefährdet
Die Pläne der Bundesregierung, die bereits zum 1. Januar 2010 um 9 % gesenkte Einspeisevergütung um weitere 15 % zu reduzieren, und das bereits ab 1. April 2010, bedeutet eine existenzielle Gefährdung der deutschen Photovoltaik-Industrie. Ein weicherer Übergang ist zwingend erforderlich.
Bundesumweltminister und Bundeswirtschaftsminister haben mit dieser Entscheidung offensichtlich die reale Wettbewerbssituation verkannt und schädigen damit die deutsche Photovoltaikindustrie.
Nach Aussage der LBBW-Studie vom 13. Januar 2010 kommt diese Entscheidung den chinesischen Niedriglohnherstellern zugute und gefährdet zehntausende von Arbeitsplätzen in Deutschland, alleine über 1.000 bei SCHOTT in Bayern, Rheinland-Pfalz und Thüringen.
Nach dem Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen ist das der nächste Tiefschlag für eine Energiewende hin zu den Erneuerbaren.
Quelle: Bundesverband Solarwirtschaft e.V. / PHOTON Europe GmbH / NABU / SCHOTT AG