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TÜV-Siegel für unseriöses Inkasso

Archivmeldung vom 15.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Der Forderungsbrief der acoreus Collection Services vom 1. Okto- ber 2009 an Martina M. aus Berlin mit TÜV-Siegel. Bild: GoMoPa
Der Forderungsbrief der acoreus Collection Services vom 1. Okto- ber 2009 an Martina M. aus Berlin mit TÜV-Siegel. Bild: GoMoPa

Drei Millionen Säumige erhalten in Deutschland jedes Jahr Post von der acoreus Collection Services GmbH (aCS, 65 Beschäftigte) aus Neuss in Nordrhein-Westfalen. Pro Fall verlangt die Firma, an der auch die Creditreform AG beteiligt ist, mindestens 33 Euro, insgesamt im Jahr also mindestens 99 Millionen Euro. Noch vor einem Jahr feierte sich die aCS als "Deutschlands erstes Inkassounternehmen mit TÜV".

Bild: GoMoPa
Bild: GoMoPa

Dass es die Prüfung bestanden hat, ist allerdings kein Wunder. Ganz nach dem Vorbild vieler Lobbyisten hat die aCS die Prüfkriterien, denen sie sich stellte, selbst miterarbeitet. In ihrer Pressemitteilung vom 20. August 2009 heißt es: "Verbindliche Kriterien für diese Prüfung hatte der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Berlin, gemeinsam mit der tekit Consult Bonn unter maßgeblicher Beteiligung von aCS erarbeitet."

Die tekit Consult Bonn GmbH wiederum ist ein Tochterunternehmen des TÜV Saarland. Der TÜV, der der aCS dann auch als erstes das Zertifikat verlieh.

Doch die aCS-Inkasso-Briefe unter dem Siegel des TÜV und dem Logo der Creditreform sorgen dieser Tage für Aufsehen und scheinen alles andere als seriös zu sein. Die Verbraucherzentrale des Landes Brandenburg meldete heute dem Finanznachrichtendienst www.GoMoPa.net eine Flut von acoreus-Mahnbriefen, bei denen die Forderungen älter als drei Jahre alt sind und deshalb nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Paragraphen 195 und 199) längst verjährt sind. In neueren Fällen seien laut Verbraucherzentrale die Inkassogebühren überzogen oder gänzlich unberechtigt.

Verbraucherzentrale rät von voreiligen Zahlungen an acoreus ab

Die Pressesprecherin der Verbraucherzentrale des Landes Brandenburg, Evelyn Dahme, teilte GoMoPa mit: "Derzeit erkundigen sich viele Brandenburger in den Beratungsstellen der Verbraucherzentrale, wie sie auf postalisch zugestellte Mahnungen des Inkassounternehmens acoreus zur Zahlung angeblich geschuldeter Telefonkosten reagieren sollen.

Die Summen bewegen sich zwischen 50 Cent und 5 Euro plus entsprechender Schadensersatzgeltend- machung in Höhe von 30 bis 40 Euro. Sie beziehen sich oft auf mehrere Jahre zurück liegende Rechnungen und sind für die Betroffenen in der Regel nicht nachzuvollziehen. Obwohl diese übereinstimmend berichten, bislang keinerlei Mahnungen erhalten zu haben, stellt acoreus neben den angeblich nicht bezahlten Telefonentgelten zusätzlich Mahnkosten und Inkassogebühren in Rechnung.

Verbraucherberater Harald Schäfer aus Senftenberg rät dazu: „Betroffene Verbraucher sollten auch kleine, aber nicht nachvollziehbar geforderte Beträge nicht voreilig bezahlen! Forderungen, die sich auf angebliche Rechnungen aus dem Jahr 2005 oder früher stützen, sind nach dem Ablauf von drei weiteren Kalenderjahren ohnehin verjährt. Das heisst, eine Rechnung vom Mai 2005 ist am 31. Dezember 2008 verjährt. Und selbst wenn es bei jüngeren Daten zu einem Rechtsstreit käme, müsste das Inkassounternehmen zunächst die zugrunde liegende Telefonrechnung vorlegen und deren Berechtigung beweisen. Zudem sind die Kosten für Inkasso und Mahnung überzogen oder sogar gänzlich unberechtigt. Unterm Strich bleibt also genau zu prüfen, ob hier überhaupt ein nachweisbarer Anspruch besteht."

Aus 4,09 Euro wurden 42,09 Euro

Die kaufmännische Angestellte Martina M. (21,) aus Marzahn hat am 1. Oktober 2009 auch Post von der aCS bekommen und kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum sie 42,09 Euro an das Inkassounternehmen zahlen soll. Martina M. schildert ihren Fall gegenüber GoMoPa so: "Ich habe im Juni 2007 von meinem Festnetzanschluss die Call-by-Call-Nummer 01019 vor meine eigentliche Nummer eingetippt, weil das Gespräch dann billiger sein sollte, als wenn ich direkt bei der Telekom gewählt hätte. Die Telekom wies die Gespräche mit 3,44 Euro plus 19 Prozent Mehrwertsteuer auf ihrer Rechnung vom 16. Juni 2007 auf. Ich zahlte die Gesamtrechnung und musste davon ausgehen, dass die Telekom den Betrag an den Drittanbieter freenet.de weiterleitet."

Doch nun nach mehr als zwei Jahren meldete sich am 15. September 2009 eine acoreus AG aus Düsseldorf (die Mutter der Inkassofirma aCS) und forderte von Martina M. genau diese 4,09 Euro aus der Telekomrechnung plus 5 Euro Mahnspesen. Martina M.: "Ich rief sämtliche 0180er Service-Nummern von acoreus an, es liefen aber nur automatische Endlosschleifen. Nach vier erfolglosen Versuchen bei vier verschiedenen Nummern gab ich auf."

Nach vierzehn Tagen schickte dann die hauseigene Inkasso- firma aCS aus Neuss den saftigen Forderungsbrief. Aus den angeblichen ausstehenden Zahlungen an freenet.de von 4,09 Euro wurde eine Endrechnung von 42,09, zahlbar innerhalb von 10 Tagen.

Der Rat von Evelyn Dahme: "Verbraucher, die im Umgang mit Mahnungen unsicher sind, sollten unklare Forderungen auch in geringerer Höhe nicht voreilig bezahlen, sondern sich unabhängigen individuellen Rat holen, in den Verbraucherberatungsstellen - Terminvereinbarung unter 01805 / 00 40 49 jeden Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr (14 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk abweichend) - sowie am Beratungstelefon unter 09001 / 775 770 jeden Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr (1 Euro pro Minute aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk abweichend)."

Hilfreich seien auch Beschwerden bei der kontoführenden Bank, die dann in der Regel das Konto schließt. 

Quelle: GoMoPa (Siegfried Siewert)

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