KfW Kommunalpanel 2023: Kommunen trotzen den Krisen, doch neue Herausforderungen stehen bevor
Archivmeldung vom 15.05.2023
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Freigeschaltet durch Mary SmithDie deutschen Kommunen zeigen sich in finanzieller Hinsicht erstaunlich krisenfest, wie das KfW-Kommunalpanel 2023 zeigt. Trotz der Mehrfachkrise und der negativen Prognosen, die daraus für die kommunalen Finanzen abgeleitet wurden, konnten die Städte, Gemeinden und Landkreise das Jahr 2022 mit einem Finanzierungsüberschuss von 2,6 Mrd. EUR abschließen. Auch die Investitionen hielten sich robust, der wahrgenommene Investitionsrückstand wuchs nur moderat auf 165,6 Mrd. EUR und die Finanzierungsmöglichkeiten blieben trotz Zinswende noch auskömmlich. Zahlreiche Haushaltsrisiken wie hohe Preissteigerungen und steigende Zinsen trüben jedoch die Erwartungen der Kommunen hinsichtlich der künftigen Finanzlage und der Finanzierungskonditionen spürbar ein. Angesichts dieser Unsicherheiten drohen die transformativen Aufgaben der Kommunen ins Hintertreffen zu geraten.
Auch wenn die Angaben der Kämmereien in der heute in Frankfurt vorgestellten, bundesweit repräsentativen KfW-Befragung für 2022 insgesamt von Stabilität gekennzeichnet sind, so schlagen sich auch die großen Unsicherheiten des vergangenen Jahres darin nieder: Rund die Hälfte der Kommunen bewertet die eigene Finanzlage als gut oder befriedigend, die andere Hälfte hingegen als nur ausreichend oder mangelhaft. Der Ausblick für die nächsten Jahre fällt deutlich pessimistischer aus, hier erwarten 51 % eine eher nachteilige, weitere 22 % sogar eine sehr nachteilige Entwicklung.
Ein Grund für die Diskrepanz zwischen Finanzergebnis und Selbsteinschätzung liegt in den großen Unterschieden zwischen den einzelnen Städten, Gemeinden und Kreisen, die sich auch in deren Fähigkeit manifestieren, die Krisen der letzten zehn Jahre zu bewältigen. Während knapp die Hälfte aller Kommunen des KfW-Kommunalpanels in der vergangenen zehn Jahren eine "tendenziell eher positive" oder sogar "durchgehend positive" finanzielle Entwicklung erlebt hat, verschlechterte sich die finanzielle Situation in rund einem Drittel (35 %). Vor allem in der Gruppe der krisenanfälligen Kommunen zeigen sich deutlich mehr Probleme bei der Finanzlage und den Investitionsmöglichkeiten.
In der Gesamtheit planen die Kommunen für das Jahr 2023 Investitionen von 43,1 Mrd. EUR. Das entspricht einem Zuwachs von 4,4 % im Vergleich zum Vorjahr, dieser liegt damit aber unter der aktuellen Inflationsrate. Vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Preise für Investitionsgüter und Baumaßnahmen fällt der Aufwuchs beim wahrgenommenen Investitionsrückstand der Kommunen mit 3,9 % eher moderat aus und liegt nun bei einer Gesamtsumme von 165,6 Mrd. EUR (Vorjahr 159 Mrd. EUR). Die größten Bedarfe fallen an bei den Schulgebäuden (12,1 Mrd. EUR geplante Investitionen; 47,4 Mrd. EUR Investitionsrückstand), bei den gemeindlichen Straßen (10,8 Mrd. EUR geplante Investitionen; 38,6 Mrd. EUR Investitionsrückstand) sowie den öffentlichen Verwaltungsgebäuden (2,4 Mrd. EUR geplante Investitionen; 19,5 Mrd. EUR Investitionsrückstand).
Als Finanzierungsinstrumente für die kommunalen Investitionen kommen krisenbedingt seit einigen Jahren mehr Fördermittel und Kommunalkredite zum Einsatz, weil die Eigenmittel sich schwerer planen lassen, da vor allem die Steuereinnahmen mit konjunkturbedingten Unsicherheiten verbunden sind. Aktuell werden daher 25 % der Investitionen über Kredite, weitere 22 % über Fördermittel von Bund und Ländern finanziert. Auf Überschüsse aus den Vorjahren und Allgemeine Deckungsmittel entfallen 20 bzw. 18 %, zusätzlich werden den Kommunen zweckgebundenen Investitionszuweisungen bereitgestellt, die 10 % ausmachen. Für die kommenden Jahre rechnet eine Mehrheit der Kämmereien (56 %) mit einem deutlichen Anstieg der Kreditfinanzierung.
Grenzen der Finanzierung kommunaler Investitionen über Kredit ergeben sich neben wirtschaftlichen und haushaltsrechtlichen Vorgaben aktuell auch durch die gestiegenen Zinsen. Zwar bewerten 43% der Kommunen die Bedingungen der Kreditaufnahme im Jahr 2022 als gut oder sehr gut, jedoch sagen zugleich auch 11 %, dass die Rahmenbedingungen schlecht oder sehr schlecht seien; im Vorjahr hatten dies nur 2 % der Kommunen so gesehen. Vor allem mit Blick auch die nächste Zeit dürften steigende Zinsen die Investitionsfinanzierung für die Kommunen verteuern, wobei 18 % eine leichte Verschlechterung und sogar 57 % eine deutliche Verschlechterung ihrer Kreditkonditionen erwarten. Dies ist eine deutliche Veränderung zum Jahr 2021, in dem zusammengefasst nur 21 % der Kommunen von schlechteren Rahmenbedingungen ausgegangen waren. Bereits 62 % der Kommunen wappnen sich deshalb gegen steigende Zinsen. Unter den Maßnahmen werden von 45 % der Städte, Gemeinden und Kreise verschiedene Ansätze zur Zinsoptimierung etwa in Form von Bausparverträgen oder zur Zinssicherung über Forward-Darlehen oder Swap-Verträgen genannt. Allerdings kompensieren auch 30 % von ihnen die steigenden Kosten über Einsparungen an anderen Stellen im Haushalt, u.a. bei den Investitionen.
Ein weiteres Aufschieben kommunaler Investitionen wäre jedoch problematisch: Neben den über die letzten Jahrzehnte aufgelaufenen Investitionsrückständen müssen die Kommunen ihren Anteil der Investitionen für die Transformation Deutschlands realisieren. Eine besondere Rolle spielen dabei Investitionen in den Klimaschutz und die Klimaanpassung. Das diesjährige Schwerpunktthema im KfW-Kommunalpanel 2023 zeigt, dass die Kommunen im Jahr 2022 3,9 Mrd. EUR und damit 11 % ihrer Gesamtinvestitionen für Klimaaspekte ausgegeben haben - eine hohe Summe, die Schätzungen zufolge jedoch in erheblichem Umfang auf mindestens das Doppelte steigen müsste, um die Klimaziele im kommunalen Bereich zu erreichen. Dementsprechend erwarten auch 80 % der Kämmereien für die Zukunft eine Zunahme der Klimainvestitionen. Allerdings ist gleichzeitig die Skepsis ausgeprägt, ob die Bemühungen ausreichen werden. Knapp 60 % der Städte, Gemeinden und Kreise erwarten, dass unter den bestehenden Rahmenbedingungen bestenfalls ein geringer Teil der Bedarfe gedeckt werden kann.
"Die verschiedenen Krisen in enger Abfolge zeigen: Wir brauchen ein Gemeindefinanzsystem, das Tagesgeschäft, transformative Herausforderungen wie Klimaschutz oder Digitalisierung und die akute Krisenbewältigung gleichzeitig gewährleistet", kommentiert KfW-Chefvolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib anlässlich der heutigen Veröffentlichung des KfW-Kommunalpanels 2023 die Ergebnisse. "Gerade finanzschwache Kommunen müssen in Krisen längerfristige Investitionen aufschieben, um die akute Finanznot zu lindern. Aber auch finanzstarke Kommunen geraten angesichts der Vielzahl an Herausforderungen an Grenzen. Mit Blick auf die großen Investitionsbedarfe der Kommunen gilt es dieses "Entweder-Oder" zwischen Transformation und Krisenbewältigung zu vermeiden und kommunale Aufgaben und Einnahmen wieder stärker in Einklang zu bringen", so Köhler-Geib.
Quelle: KfW (ots)