Fehlende Legitimität - nur ein kleiner Teil der Bevölkerung glaubt an die Gerechtigkeit des Wirtschaftssystems
Archivmeldung vom 18.12.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlAktuelle Ergebnisse der Wertestudie "Ethik-Monitor" der gemeinnützigen Hamburger Stiftung "Wertevolle Zukunft" belegen, dass nur ein kleiner Teil der deutschen Bevölkerung das Wirtschaftssystem für gerecht hält. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Stiftung beauftragte repräsentative Emnid-Umfrage mit 1.003 Bundesbürgern.
45
Prozent der Befragten bewerten das System als ungerecht. Ein fast
ebenso großer Teil der Befragten ist geteilter Meinung. Lediglich 13
Prozent halten das System für gerecht. Diese Ergebnisse verwundern
angesichts des Vertrauensverlusts in die Führungskräfte der
Wirtschaft wenig. Insgesamt stufen 43 Prozent der Deutschen die
Wirtschaftsführer als korrupt ein. 80 Prozent glauben, dass die
Wirtschaftsführer nur ihre eigenen Interessen verfolgen und 56
Prozent unterstellen den Wirtschaftsführern, dass sie bei ihrem
wirtschaftlichen Handeln nicht an das Gemeinwohl denken.
Während in den neuen Bundesländern 60% der Ansicht sind, das Wirtschaftssystem sei ungerecht, sind es in den alten Bundesländern 40%. Im Osten wie im Westen ist für die Bewertung der Gerechtigkeit das Vertrauen in die Wirtschaftsführer am wichtigsten. 79 Prozent der Ost- und 60 Prozent der Westdeutschen, die der Ansicht sind, dass Wirtschaftsführer keine vertrauenswürdigen und ehrlichen Menschen sind, halten das Wirtschaftssystem für ungerecht.
Ansonsten gibt es zwischen den neuen und den alten Bundesländern
unterschiedliche Motive für die Beurteilung der Gerechtigkeit. Die
Ostdeutschen begründen die Ungerechtigkeit vor allem damit, dass die
Wirtschaftsführer auf Kosten der Mitarbeiter agieren und die Belange
der Mitarbeiter keine große mehr Rolle spielen. Im Westen stehen
dagegen die Korruption und die Fähigkeit der Wirtschaftsführer für
die Beurteilung der Gerechtigkeit im Vordergrund. Prof. Dr. Behnke
von der LMU München, Leiter des Forscherteams, das die Studie
auswertet, bestätigt die Unterschiede zwischen Ost und West: "Im
Osten ist die Beurteilung der Gerechtigkeit stärker an das
Wohlergehen der Mitarbeiter gekoppelt als im Westen. Mit zunehmender
Ungerechtigkeit des Systems erhöht sich im Osten die Auffassung, dass
die Mitarbeiter zugunsten des shareholder values benutzt werden. Die
Westdeutschen begründen die Ungerechtigkeit mehr mit der Korruption
und den fehlenden Kompetenzen der Wirtschaftsführer." Die Ergebnisse
des Ethikmonitors offenbaren somit unterschiedliche
Gerechtigkeitsauffassungen in Ost- und Westdeutschland. "Interessant
an diesen Ergebnissen ist die unterschiedliche Auffassung darüber,
was als gerecht empfunden wird.", so Tim Bendixen,
Projektverantwortlicher der Stiftung Wertevolle Zukunft. "Die
Ostdeutschen definieren Gerechtigkeit stärker aus einer konkreten
wohlfahrtsstaatlichen und gemeinwohlorientierten Perspektive, während
die Westdeutschen eher aus einem abstrakt-normativen und
leistungsorientierten Blickwinkel argumentieren."
Die Werte-Studie "Ethikmonitor" soll im Zeitraum von zwei Jahren regelmäßig mit anderem Schwerpunkt durchgeführt werden. Der Gründung der Stiftung im Jahre 2005 liegt die Überzeugung zugrunde, dass moderne pluralistische Gesellschaften für Vielfalt, demokratische Partizipation und Gemeinwohl wenigstens ein paar kollektiv verknüpfende Leitideen und Werte benötigen. Die Stiftung Wertevolle Zukunft unterstützt und leitet Projekte, Initiativen und Forschung im Bereich der Wirtschaftsethik.
Quelle: Pressemitteilung "Wertevolle Zukunft"