Dosenpfand: Korruptionsverdacht gegen Manager von Aldi, Tengelmann und Metro
Archivmeldung vom 15.01.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlVertreter namhafter Handelsketten sind unter Korruptionsverdacht in Zusammenhang mit der Einführung des Dosenpfands geraten. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ gegen vier langjährige Manager von Aldi, Tengelmann und Metro wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung.
„Die Unternehmen waren bis Januar 2005 Gesellschafter des Müllkonzerns Duales
System Deutschland (DSD). Das Unternehmen, bekannt als ‚Grüner Punkt’,
opponierte jahrelang gegen das Dosenpfand. Den Beschuldigten wird zur Last
gelegt, im November 2001 dem damaligen sächsischen Wirtschaftsminister Kajo
Schommer (CDU), einem erklärten Gegner des Dosenpfands, einen DSD-Beratervertrag
zugeschanzt zu haben. Wenige Wochen nach Schommers Ausscheiden aus dem
sächsischen Kabinett im April 2002 trat der Politiker in DSD-Dienste - gegen ein
Entgelt von 600.000 Euro. Kurz darauf wurde der Dreijahres-Vertrag gekündigt,
das Geld aber ausbezahlt. Die Dresdner Strafverfolger vermuten in der
Honorierung ein Dankeschön für Schommers politischen Einsatz gegen die
Einführung des Dosenpfands; sie ermitteln seit längerem wegen des Verdachts der
Vorteilsannahme“, berichtet der Spiegel.
Geld, so berichtet auch die
ARD-Reportage „Müll-Geschäfte -Der Milliarden-Poker mit Grünem Punkt und Gelbem
Sack“, habe für DSD wohl über viele Jahre keine Rolle gespielt. „Man hatte es
und gab es aus. Wofür, das versucht man gerade herauszubekommen. INES, die
‚Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen’, ist eine bei der Staatsanwaltschaft
Dresden angesiedelte Anti-Korruptions-Einheit“, so die ARD-Sendung. Seit über
einem Jahr ermittelt sie gegen Ex-DSD-Chef Brück wegen Untreue und gegen den
ehemaligen sächsischen Wirtschaftsminister Kajo Schommer wegen Beihilfe zur
Untreue. „Konkret geht es darum, dass das Duale System mit Herrn Dr. Schommer
einen Beratervertrag abgeschlossen hat. Es wurde ihm auch ein Dienstwagen zur
Verfügung gestellt. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob hier die
gewährte Leistung und die erhaltene Leistung in einem angemessenen Verhältnis
standen“, sagt Staatsanwalt Christian Avenarius gegenüber ARD.
In Sachen
„Verpackungsabfall“ soll Schommer nach ARD-Recherchen allerdings gar kein
Experte gewesen sein. „Das entscheidende Kriterium ist ja, dass die Leute
bekannt sein müssen in der Abfallwirtschaft. Und wenn niemand bekannt ist in der
Abfallwirtschaft, dann stellt man sich die Frage, welche entscheidenden
Informationen kann er erbringen, wenn er eigentlich in einem Bereich tätig ist,
wo ihn keiner kennt“, so die Erkenntnisse von Professor Bernd Bilitewski von der
TU Dresden.
Belege für Schommers Tätigkeit wie Sitzungsprotokolle oder
Arbeitsberichte finden die Fahnder auch bei einer Hausdurchsuchung nicht. Es
gibt also keine Belege, dass Schommer nach seiner Amtszeit überhaupt für das DSD
wirklich tätig war. Für die Ermittler stellt sich daher die Frage, „ob sich aus
diesem Vertrag Schlüsse ergeben, die die vorherige Tätigkeit von Herrn Schommer
betreffen, nämlich als Wirtschaftsminister im Freistaat Sachsen“, führt
Staatsanwalt Avenarius im ARD-Interview aus. „Die Spur führt in die
Vergangenheit. Ende der neunziger Jahre droht das Dosenpfand. Ohne die Dosen im
Gelben Sack muss das Duale System mit Einnahmeverluste in Höhe von 300 Millionen
Euro rechnen. Handel und DSD laufen Sturm. Im Juni 2001 stimmt Kajo Schommer
ganz im Interesse des Handels und des DSD im Bundesrat gegen das Dosenpfand. Im
Mai 2002 – dreizehn Tage nach seinem Austritt aus der Regierung - bekam er den
Beratervertrag“, so die Schlussfolgerung des ARD-Films.
Schommers Anwalt
hält die Vorwürfe für „völlig aus der Luft gegriffen". Es sei ein „ganz normaler
Beratervertrag" gewesen. „Die Rechtsbeistände der beschuldigten
Handelsketten-Vertreter wollen sich zu den Vorwürfen nicht äußern“, so der
Spiegel.
Die Machtverflechtungen zwischen Staat, Politik und Wirtschaft
bei der Kampagne gegen das Dosenpfand untersuchte der Politikwissenschaftler
Martin Wunderlich von der FU-Berlin. Im Zentrum der Anti-Dosenpfand-Aktionen
verortet Wunderlich den Grünen-Punkt-Konzern DSD. „Das Unternehmen, dessen
Grundstein erst 1991 durch die Verpackungsverordnung gelegt wurde, war einer der
schärfsten Kritiker der angestrebten Pfandregelung“, so Wunderlich. Der Grund
liege nach seiner Ansicht auf der Hand: Durch das Dosenpfand habe der
Müllkonzern einen erheblichen Anteil seiner Lizenzeinnahmen verloren. „Durch die
all zu offensichtlichen Eigeninteressen argumentativ geschwächt, machte die DSD
ihre Interessen über stellvertretende Akteure geltend. Beispielsweise bezahlte
die Gesellschaft ‚Gefälligkeitsgutachten’ (FAZ 12.7.2001: ‚Rechtliche Zweifel am
Zwangspfand’)“, vermutet Wunderlich.
In erster Linie jedoch beeinflusste
DSD nach Analysen von Wunderlich die politische Arbeit in einer Reihe von
Verbänden und Unternehmen über personelle Verflechtungen: „Als Erste ist in
diesem Zusammenhang die Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU) zu
nennen. Der Verband, in dem ‚Mitgliedsunternehmen aus Konsumgüterindustrie,
Handel, Verpackungsindustrie und Recyclingwirtschaft’ vertreten sind,
veröffentlichte in dichter zeitlicher Frequenz Pressemitteilungen gegen die
geplante Pfandlösung. Zudem gab die AGVU eine Studie und ein
‚Gefälligkeitsgutachten’ in Auftrag, die die Argumentation der Pfandgegner
stützten. Nichtsdestotrotz betont der Verband in seiner Selbstdarstellung die
Objektivität seiner Arbeit. Dies kann bezweifelt werden“, führt Wunderlich aus.
„Der wohl wichtigste Einflusskanal der DSD führt zur Metro AG, dem drittgrößten
Handelskonzern der Welt“, so Wunderlich. Metro-Generalbevollmächtigter des
Konzerns war Karl Josef Baum. Als Kommunikationschefin stellte Baum die frühere
DSD-Sprecherin Petra Rob an. Baum selbst leitete in seiner Nebentätigkeit als
Vorsitzender den DSD-Aufsichtsrat. „Es überrascht also nicht, dass Baum, als
einer der aggressivsten Novellierungsgegner, für Metro drohte, bei Einführung
des Pflichtpfandes Mehrweggetränke in allen Märkten des Unternehmens vollständig
auszulisten“. Über Metro reichten die Einflusskanäle zu den Spitzenverbänden des
Handels wie dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). „Metro ist einer
der größten Mitglieder des Verbandes und hält Schlüsselpositionen im Verband
besetzt. So ist der Vizepräsident des HDE, Erich Greipl, gleichzeitig
Geschäftsführer der METRO Vermögensverwaltung in der Düsseldorfer Zentrale des
Konzerns“, schreibt Wunderlich. Und man darf ergänzen: Nachfolger von Baum als
DSD-Aufsichtsratschef.
Quelle: Pressemitteilung Medienbüro.sohn