Familienpflegezeit: Konflikte in Unternehmen sind vorprogrammiert
Archivmeldung vom 06.03.2015
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.03.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDas seit Jahresbeginn geltende Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf soll günstige Rahmenbedingungen für pflegende Berufstätige schaffen. Die Mehrheit der deutschen Unternehmen sieht die neuen gesetzlichen Regelungen allerdings skeptisch, wie eine repräsentative Befragung der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) unter Personalentscheidern ergab.
Vor allem an der Praktikabilität gibt es erhebliche Zweifel. So schätzen 63 Prozent die Arbeitszeitreduzierung im Rahmen einer Familienpflegezeit in ihrem Unternehmen als schlecht umsetzbar ein. Auch bei der nun möglichen Freistellung zur Sterbebegleitung naher Angehöriger ist die Mehrheit der Befragten dieser Ansicht (53 Prozent). Selbst die Umsetzbarkeit einer maximal 10-tägigen Auszeit mit Zahlung eines "Pflegeunterstützungsgelds" durch die Pflegekasse empfindet immerhin noch ein Drittel der Unternehmen als problematisch. Dabei wird deutlich: Je länger die mögliche Freistellung andauert, desto kritischer sehen die Unternehmen die geplanten Maßnahmen.
Besonders kleinere Unternehmen (16 bis 49 Mitarbeiter) fühlen sich der Untersuchung zufolge außer Stande, den vorübergehenden Ausfall eines Mitarbeiters zu kompensieren. "Für kleinere Betriebe bedarf es zusätzlicher Unterstützungen, ansonsten sind Konflikte vorprogrammiert. Aber letztlich muss auch für sie gelten: die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist keine Bonusleistung, sondern angesichts der vielfältigen Veränderungen am Arbeitsmarkt eine Notwendigkeit", sagt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP.
Trotz aller Bedenken gegenüber den neuen Regelungen halten es 76 Prozent der befragten Unternehmen für wichtig bzw. sehr wichtig ihre Mitarbeiter bei der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege gezielt zu unterstützen. Allerdings macht der Großteil der Unternehmen (72 Prozent) weder Angebote zur besseren Vereinbarkeit, noch planen sie solche in Zukunft. Bei den Unternehmen, die bereits solche Angebote vorhalten (20 Prozent), dominieren allgemeine Maßnahmen zur flexiblen Arbeitsgestaltung, wie freie Arbeitszeiteinteilung oder individuelle Absprachen. 39 Prozent der Unternehmen sehen dementsprechend keine Notwendigkeit für eine Unterscheidung zwischen personalpolitischen Maßnahmen für pflegende Familienangehörige und für Eltern minderjähriger Kinder.
"Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege hat zwar in vielen Unternehmen an Bedeutung gewonnen, jedoch zeigt unsere Untersuchung, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist. Führungskräfte müssen viel stärker als bisher für das Thema sensibilisiert werden. In einem Großteil der Unternehmen fehlt noch eine pflegesensible Kultur", so Suhr. Pflegende Angehörige bräuchten aber Wertschätzung, Anerkennung und vor allem Verständnis für ihre Situation.
Dies bestätigt auch eine im Januar durchgeführte ZQP-Befragung in der erwerbstätigen Bevölkerung. Gefragt nach der Ursache, warum pflegende Angehörige nicht offen im Arbeitsumfeld mit ihrer Situation umgehen, nannte die überwiegende Mehrheit die Angst um den Arbeitsplatz oder vor beruflichen Nachteilen.
Quelle: Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ots)