RWI: Aufschwung in Deutschland auf breiter Basis
Archivmeldung vom 18.06.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDas RWI erhöht seine Prognose des deutschen Wirtschaftswachstums für das Jahr 2014 gegenüber März 2014 von 1,9 auf 2,0%; für 2015 von 2,1 auf 2,2%. Der Aufschwung in Deutschland wird weiterhin wesentlich von der Binnennachfrage getragen, erst im kommenden Jahr dürften die Exporte wieder kräftiger ausgeweitet werden. Der Arbeitsmarkt dürfte sich im Verlauf dieses Jahres trotz eines schwächeren Frühjahrsaufschwungs positiv entwickeln.
Zu Beginn dieses Jahres wurde die Produktion in Deutschland kräftig ausgeweitet. Entsprechend dem üblichen Muster, wonach die Frühjahrsbelebung nach einem milden Winter nur wenig Dynamik entwickelt, zeichnet sich für das laufende Quartal eine Abschwächung des Produktionszuwachses ab. Nach der auf einer Vielzahl von Indikatoren basierenden Schätzung mit dem Kurzfristmodell des RWI dürfte das saisonbereinigte reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal um 0,4% gegenüber dem Vorquartal ansteigen.
Im weiteren Prognosezeitraum dürfte sich das Expansionstempo der deutschen Wirtschaft nur allmählich wieder erhöhen. Ein Grund dafür ist, dass vom Außenhandel – dem traditionellen Motor der deutschen Wirtschaft – nur geringe Impulse zu erwarten sind. So wurden die deutschen Exporte im ersten Quartal lediglich um 0,2% ausgeweitet und dürften im weiteren Verlauf des Jahres aufgrund des schwachen Welthandels nur langsam steigen. Zudem dürfte der anhaltende Konflikt in der Ukraine die Exporte weiterhin belasten. Im kommenden Jahr dürften sie mit der zunehmenden Belebung im Euroraum aber wieder kräftiger ausgeweitet werden.
Der Aufschwung in Deutschland wird weiterhin wesentlich von der Binnennachfrage getragen. Dabei dürfte sich der private Konsum nach der kräftigen Ausweitung zu Jahresbeginn wie durch den RWI-Konsumindikator angezeigt zunächst abschwächen. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte die private Konsumnachfrage aber stärker zunehmen. Dies ist vor allem zu erwarten, weil die verfügbaren Einkommen angesichts der günstigen Beschäftigungsentwicklung und der kräftigen Leistungsausweitungen in der gesetzlichen Rentenversicherung wohl beschleunigt wachsen werden. Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes im Jahr 2015 dürfte zwar das Beschäftigungswachstum abschwächen und den Anstieg der Gewinneinkommen dämpfen, die Brutto- und Nettolohneinkommen der privaten Haushalte werden aber wohl weiter zulegen.
Dank guter Konjunktur verbessert sich Finanzlage des Staates weiter
Die aufgrund des milden Winters kräftig gestiegenen Bauinvestitionen lassen einen Rückgang der Bautätigkeit im zweiten Quartal erwarten. In der Grundtendenz bleibt die Baukonjunktur aber günstig. Insbesondere der Wohnungsbau dürfte weiterhin von der positiven Arbeitsmarkt- und Reallohnentwicklung sowie den niedrigen Hypothekenzinsen profitieren. Angesichts der hohen Nachfrage nach Immobilien steigen deren Preise wohl weiter kräftig. Der Wirtschaftsbau und die Ausrüstungsinvestitionen werden angesichts der zunehmenden Kapazitätsauslastung und günstigeren Finanzierungsbedingungen deutlich ausgeweitet. Auch die Belebung der Auslandsnachfrage dürfte die Investitionstätigkeit anregen. Alles in allem dürfte das BIP daher in diesem Jahr um 2,0% und im kommenden Jahr um 2,2% steigen.
Die Finanzpolitik bleibt im Prognosezeitraum leicht expansiv ausgerichtet. Dies ist neben den von der Bundesregierung beschlossenen Mehrausgaben für Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen und Verkehrsinfrastruktur vor allem auf die Leistungsausweitungen im Bereich der Rentenversicherung zurückzuführen. Aufgrund der aus der guten Konjunktur resultierenden Einnahmesteigerungen, der Mehreinahmen aus der kalten Progression und der Entlastungen beim Schuldendienst in Folge des ausgesprochen niedrigen Zinsniveaus wird sich die Finanzlage des Staates aber weiter verbessern. Der staatliche Budgetüberschuss dürfte im laufenden Jahr von 5 auf 10 Mrd. Euro steigen (0,2% bzw. 0,4% in Relation zum nominalen BIP). Im kommenden Jahr ist mit einem Anstieg auf knapp 17 Mrd. Euro (0,6% des BIP) zu rechnen.
Arbeitsmarkt entwickelt sich weiterhin günstig
Auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich die Lage im Verlauf dieses Jahres verbessern, auch wenn der Frühjahrsaufschwung schwächer ausfallen wird. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte sich weiter erhöhen. Allerdings wird der Anstieg zum großen Teil aus Wanderungsgewinnen und der stillen Reserve gespeist, so dass die Zahl der Arbeitslosen weniger stark sinkt. Der Abbau der Arbeitslosigkeit dürfte sich dabei im Jahresverlauf verlangsamen. Für 2015 wird die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns den Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt dämpfen. Es dürfte insbesondere zu einem Abbau von Arbeitsplätzen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung kommen. Insgesamt wird daher der Anstieg des Arbeitsvolumens und der Erwerbstätigkeit wohl geringer ausfallen als 2014. Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich in diesem und im nächsten Jahr jeweils bei 6,7% liegen.
Angesichts der insgesamt weiter günstigen Perspektiven am Arbeitsmarkt dürften die Lohnzuwächse weiter hoch bleiben. Bestehende Tarifverträge und aktuelle Tarifrunden deuten auf eine kräftige Zunahme der Tariflöhne hin. Die Effektivlöhne dürften in 2014 etwas weniger stark zunehmen. Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns in 2015 wird die Effektivlöhne insgesamt stärker steigen lassen und zugleich die Arbeitskosten deutlich erhöhen.
Der verstärkte Lohnanstieg dürfte sich in Verbindung mit der steigenden gesamt-wirtschaftlichen Kapazitätsauslastung in höheren Inflationsraten niederschlagen. Da sich die Teuerung im Mai mit 0,9% aber auf einem sehr niedrigen Niveau befindet, dürfte diese Beschleunigung des Preisauftriebs im Einklang mit dem Stabilitätsziel im Euro-Raum stehen. Mittelfristig bestehen aber nicht zuletzt durch die erneute Zinssenkung der EZB und die Ankündigung weiterer expansiver Maßnahmen erhebliche Risiken für die Preisniveaustabilität nicht nur in Deutschland.
(veröffentlicht in „RWI Konjunkturberichte“, Heft 2/2014)
Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (idw)