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Gabriels eigene Berater attackieren Energiemarkt-Pläne

Archivmeldung vom 24.08.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.08.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Uwe Schlick / pixelio.de
Bild: Uwe Schlick / pixelio.de

Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur Neuordnung des deutschen Energiemarktes stoßen im Wissenschaftlichen Beirat des Ministeriums auf scharfe Kritik. In dem neuen Energie-Konzept des Ministeriums zeigten sich "Marktskepsis und fehlendes Marktverständnis auf gravierende Art", urteilen die Kölner Top-Ökonomen Axel Ockenfels und Achim Wambach in einem Gastbeitrag für die "Welt".

Die im sogenannten "Weißbuch" vorgeschlagenen Maßnahmen zur Energiemarkt-Reform seien zum Teil "abenteuerlich" und "blauäugig" und beruhten auf "falschen Annahmen". Im Ergebnis berge das Weißbuch "neue große Risiken für den Strommarkt."

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte Anfang Juli nach monatelangen Konsultationen ein Konzept für einen von erneuerbaren Energien dominierten Strommarkt vorgelegt. Ein neuer Ordnungsrahmen war nötig geworden, weil die Europäische Energiebörse EEX bislang den Kraftwerkseinsatz nach Höhe der Brennstoffkosten sortiert. Da inzwischen jedoch erneuerbare Energien ohne Brennstoffkosten einen großen Teil der Stromproduktion ausmachen, sendet die Börse keine funktionierenden Preissignale für Investoren mehr aus.

Der künftige "Energiemarkt 2.0" soll nach dem Willen des Bundeswirtschaftsministeriums nun dem "Grundsatz der freien Preisbildung" folgen. Zugleich sieht das Weißbuch des Ministeriums den Aufbau einer "Kapazitätsreserve" vor. Das sind gesondert finanzierte Kraftwerke, mit denen die Stromversorgung "gegen nicht vorhersehbare Ereignisse abgesichert werden soll."

Diese beiden Grundprinzipien des neuen Energiemarkt-Konzeptes werden nun von den Kölner Wirtschaftsexperten Ockenfels und Wambach massiv infrage gestellt. So sei schon die geplante "Garantie für freie Preisbildung" fragwürdig, weil die Stromnachfrage grundsätzlich unflexibel ist und damit zum Beispiel bei extremen Preissteigerungen nicht beliebig stark nachgeben kann.

Die Folgen dieses "Marktversagens" würden vom Konzept des Ministeriums nicht ausreichend berücksichtigt. Nach dem Konzept des "Weißbuchs" sollen Knappheitssituationen vielmehr bewusst zu extremen Preisspitzen an der Strombörse führen, die dann ausreichende Anreize für den Neubau von Erzeugungsanlagen darstellten.

Für "abenteuerlich" halten die Ökonomen Ockenfels und Wambach allerdings die aus dieser Erwartung abgeleiteten Maßnahmen im Weißbuch. "Bei großer Knappheit steigt die Marktmacht stark an", warnen die Wissenschaftler: "Wenn 95 Prozent der Erzeugungskapazität benötigt wird, um eine recht unflexible Nachfrage zu bedienen, ist jeder Anbieter bereits ab einem Marktanteil von fünf Prozent systemrelevant." Es sei "blauäugig, darauf zu setzen, dass sich ein Markt, in dem fast alle Anbieter systemrelevant sein können, selbst diszipliniert."

Das geplante System könne deshalb zu einer "Stromkrise" führen, wie sie etwa "im Sommer 2000 Kalifornien durch extrem hohe Strompreise in die Knie gezwungen hat", schreiben die Autoren: "Eine `Garantie für freie Preisbildung` ist aus dieser Perspektive eine für Konsumenten überaus besorgniserregende und eine für Investoren nicht sehr glaubwürdige Idee."

Auch die zweite zentrale Maßnahme, die Einrichtung einer Kraftwerksreserve, sei systemisch nicht überzeugend: Dieses von der Bundesregierung geplante Instrument basiere auf der Annahme, dass die Kapazitätsreserve vom übrigen Stromgroßhandelsmarkt getrennt werden könne. Diese Annahme sei jedoch "falsch", betonen die Wissenschaftler, denn: "Auch bei einer Kapazitätsreserve kommt man um die kritische Preisfrage nicht herum: Wenn die Reservekraftwerke in den Markt kommen, muss zugleich auch der Preis festgelegt werden, den die Stromerzeuger im normalen Markt in dieser Zeit erhalten."

Werde dafür ein zu niedriger Preis festgelegt, würden "die für Investitionen notwendigen Knappheitssignale im Markt verhindert", heißt es im dem Gastbeitrag für die "Welt": Ein zu hoher Preis jedoch könne "die Stromausgaben sehr schnell in schwindelerregende Höhen steigen lassen."

Diese Unsicherheiten über die Preisregulierung werde Investoren abschrecken. Insgesamt dürften die Architekten eines neuen Strommarkt-Designs "nicht die Augen vor ökonomischen Realitäten verschließen", fordern Ockenfels und Wambach: Das Weißbuch des Bundeswirtschaftsministeriums setze einerseits auf den Markt, "untergräbt aber zugleich die Funktionsfähigkeit des Marktes durch vermeintliche Garantien für unbegrenzte Preisforderungen in Zeiten großer Systembelastung und Marktmacht". Im Ergebnis berge das Weißbuch "neue große Risiken für den Strommarkt."

IW: Energiewende kostet Stromkunden 28 Milliarden Euro pro Jahr

Die Kosten der Energiewende belaufen sich für die Stromkunden auf 28 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Haushalt mit einem Stromverbrauch von 3.500 Kilowattstunden zahlt somit 270 Euro im Jahr für die Umsetzung der Energiewende. Zu diesem Ergebnis kommen Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für das "Handelsblatt".

Die Berechnungen beinhalten neben den Kosten für die Förderung der erneuerbaren Energien auch die durch die Energiewende verursachten Kosten des Netzausbaus. Auch die jüngsten Beschlüsse zur zusätzlichen Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und zum Aufbau einer Kapazitätsreserve sind berücksichtigt.

"Die Energiewende ist mit der Annahme gestartet, dass die Energiekosten hierzulande beherrschbar bleiben und international in vergleichbarem Maße ansteigen. Beides hat sich nicht bewahrheitet", klagt Barbara Minderjahn, Geschäftsführerin des Verbands der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), angesichts der IW-Zahlen.

BDI-Präsident Ulrich Grillo schlägt Alarm: "Die Berechnungen machen klar, mit welchen Kosten die Energiewende wirklich verbunden ist. Unternehmen fürchten, dass sie sogar noch weiter steigen", sagte er dem Handelsbaltt.

Koalitionspolitiker sehen Handlungsbedarf: "Insgesamt muss die Große Koalition noch mal nacharbeiten", sagt Carsten Linnemann, Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, dem "Handelsblatt". "Die Folgen der Energiewende entwickeln sich zu einem bedrohlichen Standortnachteil, der Investoren abschreckt und Arbeitsplätze kostet", sagte Linnemann.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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