Studie: Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit
Archivmeldung vom 18.10.2016
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Freigeschaltet durch André OttDeutschlands Lohnkosten eilen der Produktivität davon: Dadurch verschlechtert sich die deutsche Position auf dem Weltmarkt, und zwar stärker als bisher bekannt. Dies zeigen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), die der "Welt" vorab vorliegen. "Die Arbeitskosten in Deutschland sind jetzt schon das fünfte Jahr in Folge stärker gestiegen als im Durchschnitt der Europäischen Union", sagte Christoph Schröder, Arbeitsmarkt- und Tarifexperte beim IW Köln. Der Ökonom hat die Entwicklung in großen Volkswirtschaften untersucht und kommt zu einem für die deutsche Industrie besorgniserregenden Ergebnis: Die Lohnkosten in der Bundesrepublik steigen einerseits stärker als bei wichtigen Konkurrenten wie den USA oder Japan.
Andererseits steigen sie auch schneller als die Produktivitätsfortschritte, wodurch die für die Wettbewerbsfähigkeit maßgeblichen Lohnstückkosten nach oben schnellen. Nach Schröders Berechnungen hat sich die Produktion der deutschen Industrie gemessen an den Lohnstückkosten allein zwischen 2007 und 2014 um 13 Prozent verteuert. Darin sind die starken Lohnsteigerungen der Jahre 2015 und 2016 noch nicht eingeflossen.
Sie dürften den Trend weiter verstärkt haben. In keiner anderen großen Volkswirtschaft ziehen die Lohnstückkosten so sehr davon. In den USA und in Japan hat sich die industrielle Fertigung im gleichen Zeitraum in heimischer Währung sogar verbilligt. In Euro gerechnet produzieren beide Ökonomien nur unwesentlich teurer als 2007. Innerhalb der Eurozone gibt es mit Italien ein einziges großes Land, dessen Lohnstückkosten ähnlich stark ansteigen wie hierzulande: Dort beträgt das Plus 18,7 Prozent.
Deutsche Industrieverbände beunruhigt die Entwicklung. "Die Lohnstückkosten steigen durch hohe Tarifabschlüsse seit Jahren und haben sich klar von der Produktivität abgekoppelt", sagte Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall, dem Dachverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie in Deutschland.
Nach Einschätzung v on Zander haben die stark steigenden Kosten schon jetzt spürbar negative Auswirkungen auf den Standort Deutschland: "Gerade im internationalen Vergleich schwächt uns das beispielsweise bei Investitionsentscheidungen." Der Arbeitgeber-Vertreter rechnet vor: Für ein Produkt, das bei ansonsten gleichen Bedingungen in Deutschland für 1.000 Euro hergestellt wird, fallen in Polen lediglich 755 Euro Produktionskosten an.
"So teuer wie in Deutschland ist Arbeit in keinem anderen großen Industrieland", sagte Zander. Die Metall- und Elektroindustrie ist mit fast vier Millionen Beschäftigten der bedeutendste Wirtschaftszweig. Wenn Deutschland 2016 dennoch starke Exportzahlen meldet, liegt das vor allem an zwei Faktoren, schreibt die "Welt": Zum einen begünstige die globale Investitionsgüternachfrage vor allem aus den Schwellenländern die deutschen Hersteller, die auf diesem Gebiet eine traditionell starke Position haben.
Zum anderem helfe der relativ schwache Euro den hiesigen Exporteuren. Wäre die Bundesrepublik nicht Teil der Währungsunion, würde die Landeswährung vermutlich deutlich höher notieren. "Der schwache Euro mag die strukturelle Schwäche für den Moment noch überdecken", sagte IW-Ökonom Schröder. Auf Dauer könne sich die Bundesrepublik dem Preiswettbewerb jedoch nicht entziehen. Denn unter den Bedingungen internationaler Konkurrenz ließen sich Kosten nicht beliebig weitergeben.
Quelle: dts Nachrichtenagentur