100 Dollar Erdöl: Förderung hat seit Mitte 2005 nicht mehr zugenommen
Archivmeldung vom 18.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Ölpreisrekorde der letzten Jahre werden von offiziellen Stellen und Analysten regelmäßig mit dem Nachfragewachstum in China und Indien, geopolitischen Risiken und mangelnden Investitionen in Exploration und Förderung begründet.
Die unabhängige Experten-Organisation ASPO Deutschland e.V. kommt aufgrund langjähriger Analysen zu dem Schluss, dass die Welt das globale Fördermaximum („Peak Oil“) aufgrund geologischer Begrenzungen der Förderrate entweder bereits erreicht hat oder kurz davor steht. ASPO ruft deshalb Politik und Wirtschaft dazu auf, die Öffentlichkeit nicht länger mit einer Erdöl-Reichweite von „über 40 Jahren“ irrezuführen. Das viel kurzfristiger eintretende Fördermaximum („Peak Oil“) muss offiziell anerkannt werden, um unverzüglich wirksame Vorbereitungsmaßnahmen ergreifen zu können.
Kaum war mit 2007 das nun vierte Ölpreis-Rekordjahr in Folge zu Ende, erreichte die Sorte „West Texas Intermediate“ am 2. Januar 2008 sogar $100 pro Fass. Wie schon beim Überschreiten der früheren Preismarken bei $30, $40, $50, $60, $70, $80 und $90 wurden von offiziellen Stellen und Analysten auch für diesen Rekord vor allem die stark steigende Nachfrage in China und Indien, geopolitische Gründe wie die Irak- und Iran-Krisen, Unruhen in Nigeria sowie Rohstoffspekulation verantwortlich gemacht.
Diese Begründungen greifen nach Meinung des ASPO Deutschland e.V. zu kurz.
Aus der Sicht von ASPO sind viel fundamentalere Faktoren bei der Preisentwicklung im Spiel: Wie bereits in vielen Regionen beobachtet werden konnte – beispielsweise den USA und der Nordsee – erreicht die Ölförderung im Verlauf der Zeit ein geologisch bedingtes Maximum und fällt dann über Jahre oder Jahrzehnte kontinuierlich ab. Dies geschieht weitgehend unabhängig von der Preisentwicklung und Fortschritten in der Fördertechnologie. Dieses als „Peak Oil“ bezeichnete weltweite Fördermaximum wird erreicht, wenn ungefähr die Hälfte des insgesamt gewinnbaren Erdöls gefördert ist. Es geht also nicht um das „Ende des Erdöls“, sondern um zukünftig unumkehrbar sinkende Förderraten. Nach Analysen der ASPO, der Energy Watch Group und anderer unabhängiger Quellen zeichnet sich ab, dass die Erdölförderung innerhalb der nächsten drei Jahre ihr Maximum erreicht. Tatsächlich ist seit Mitte 2005 die Förderrate konventionellen Erdöls nahezu unverändert. Konstant bleibende Förderung bei gleichzeitig steigender Nachfrage muss zwangsläufig zu steigenden Preisen führen.
Die sich zuspitzende Krise bei der Versorgung mit Erdöl wurde nach Jahren optimistischer Prognosen im Jahr 2007 erstmals auch von offiziellen Regierungsorganisationen und Ölfirmen thematisiert. Zwei offizielle Studien fallen dabei besonders auf.
Bei der Präsentation des World Energy Outlook 2007 (WEO) der Internationalen Energiebehörde IEA, die für die OECD-Staaten den Energiemarkt beobachtet, griff der Chefökonom der IEA, Fatih Birol, zu drastischen Worten: „Wenn wir nicht sehr schnell etwas tun, und das in durchgreifender Weise, könnten dem Weltenergiesystem die Räder abfallen.“ Dieses „Etwas“ besteht nach der Vorstellung der IEA in einer drastischen Erhöhung der Explorationsausgaben und einschneidenden Maßnahmen zum Energiesparen und zum Verbessern der Energieeffizienz.
Bemerkenswert ist auch die aktuelle Kurzstudie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit dem Titel „Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 2006“. Darin geht die BGR noch deutlich über die Haltung der IEA hinaus, die vor einer nicht näher beschriebenen „Versorgungskrise“ ab 2015 warnt. Die BGR erwartet den Scheitelpunkt der Ölförderung zwischen 2015 und 2020, ungeachtet der möglichen Ausweitung der Förderung von Teersanden, Schwerstöl und Ölschiefer.
„Kompetente“ Argumentationshilfe bekamen die Peak-Oil-Forscher der ASPO jüngst von zwei der größten privaten Ölkonzerne der Welt: Sowohl der CEO von ConocoPhillips, James Mulva, als auch der CEO von Total, Christophe de Margerie, äußerten ernste Zweifel daran, dass die Weltölförderung jemals 100 Mio. Fass am Tag übersteigen wird. Heute sind es ca. 85 Millionen Fass pro Tag.
Und schließlich bezog kürzlich Sadad al-Huseini Stellung in einem Interview mit dem britischen Journalisten David Strahan. Al-Huseini ist der kürzlich pensionierte Chef von Exploration und Produktion des saudischen Ölkonzerns Saudi Aramco. Aus seiner Sicht kann auf das aktuelle Förderplateau nur noch eine Verringerung der Förderung folgen.
James Schlesinger, früherer CIA-Chef und US-Energieminister unter Carter sagte dazu auf der ASPO-Konferenz in Cork im September 2007: „Der Streit um Peak Oil ist vorbei. Die Verfechter der Peak-Oil-These haben gewonnen.“ ASPO Deutschland e.V. ruft deshalb Politik und Wirtschaft dazu auf, die Realität des bevorstehenden Förderhöhepunkts beim Erdöl (und beim Erdgas!) zur Kenntnis zu nehmen und die Folgen für die Energiepreise, die Versorgungssicherheit und die geopolitische Stabilität in allen weiteren Entscheidungen zu berücksichtigen.
Quelle: ASPO Deutschland e.V.