Wer kauft heute eigentlich unverpackt?
Archivmeldung vom 04.07.2018
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.07.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtKund*innen sind Menschen, über die es viele Mythen gibt. Unterschiedliche Annahmen zu deren Kaufverhalten kursieren vielerorts, doch häufig werden in Studien nur Intentionen abgefragt und nicht der tatsächliche Einkauf untersucht. Besonderes Interesse erwecken aktuell Verbraucher*innen, die auf die umweltbewusste Einkaufsmöglichkeit in Unverpackt-Läden setzen. Einkaufsgewohnheiten wurden nun erstmalig an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) untersucht. Im Interview berichten die HNEE-Expert*innen über ihre Ergebnisse.
Wer kauft unverpackt ein?
Prof. Dr. Jens Pape: Ausgangpunkt unserer Untersuchung waren die Fragen: Wie fügt sich der unverpackt-Einkauf in den gesamten Lebensmitteleinkauf ein? Welche Typen von unverpackt-Kund*innen lassen sich unterscheiden? Und welche Hürden gibt es hierfür? Eine solche Studie gibt es bislang nicht, wir betreten deshalb Neuland. In unserer dreiwöchigen Tagebuch-Studie in zwei Unverpackt-Läden in Münster und Hamburg konnten wir drei Käufertypen ermitteln, die sich tatsächlich stark unterscheiden. Wir nennen sie 1) die „Seltenkäufer mit niedrigem Budget“, 2) die „besserverdienenden Neukunden“ und 3) die „unverpackt-Intensivkunden“.
Worin unterscheiden sich diese Typen?
Dr. Melanie Kröger: Jeder nutzt sowohl einen Unverpackt-Laden als Ort für regelmäßige Einkäufe als auch Supermärkte, Bioläden, Wochenmärkte und andere Einkaufsstätten – aber in ganz unterschiedlichem Maße. Für uns war es deshalb interessant, zu welchen Anteilen sie ihre Lebensmitteleinkäufe wo erledigen und was die Gründe dafür sind. Die Seltenkäufer z.B. kaufen dort vor allem Non Food, wie etwa Hygieneprodukte. Die Neukunden kombinieren Unverpackt-Läden vor allem mit Supermärkten. Und die Intensivkunden gehen viel seltener Einkaufen als die anderen. Für alle gilt jedoch: Die Lage und Erreichbarkeit eines Ladens spielt für die Wahl einer Einkaufsstätte insgesamt offenbar die größte Rolle, aber auch das unverpackte Angebot und die Auswahl an Bioprodukten sind diesen Kund*innen wichtig.
Haben sich damit Ihre Thesen bestätigt?
Alexandra Wittwer: Es hat sich bestätigt, dass das unverpackte Einkaufen mit Änderungen in den gewohnten Einkaufsroutinen einhergeht – man plant z.B. anders als üblich, muss Behälter vorrätig haben und diese mitnehmen. Je länger und je häufiger die Kund*innen in den Unverpackt-Läden einkaufen, desto besser gelingt diese Umstellung offenbar, so dass der unverpackte Einkauf zur Routine wird. Die Läden können einiges tun, um interessierte Kund*innen hierbei zu unterstützen – dies wollen wir im weiteren Projektverlauf genauer untersuchen.
Was bewegt Kund*innen, auf Verpackungen zu verzichten?
Alexandra Wittwer: Es geht den meisten vor allem um die Reduzierung von Abfall und Plastik. Auch die Möglichkeit, individuelle Mengen zu kaufen, ist für viele attraktiv. Darüber hinaus bewegt Kund*innen die ange-nehme Atmosphäre, Beratung und besondere Ladengestaltung sowie die besondere Produktqualität zum Einkauf in den Unverpackt-Läden.
Was bedeutet das für den Handel?
Prof. Dr. Jens Pape: Für den Handel bedeutet dies, dass die Funktionen, die Verpackungen üblicherweise übernehmen, anderweitig erfüllt werden müssen. Die Mitarbeiter*innen haben andere und mehr Aufgaben als in klassischen Bioläden, etwa in den Bereichen Lagerhaltung, Reinigung, Kennzeichnung und Beratung. Außerdem wünschen sich die Läden, dass die Lieferanten – Hersteller und Großhändler – vermehrt Mehrweglösungen nutzen und Vertrieb und Logistik der Waren insgesamt möglichst verpackungsarm gestalten. Hierauf setzen wir im weiteren Verlauf unseren Fokus.
Wie steht es aktuell um Unverpackt-Läden in Deutschland?
Dr. Melanie Kröger: Wir können eine sehr dynamische Entwicklung beobachten. Seit Gründung der ersten Unverpackt-Läden 2014, also vor gerade einmal vier Jahren, sind stetig neue hinzugekommen. Auch andere, etablierte Händler, etwa Biosupermärkte, experimentieren mit Unverpackt-Abteilungen. Aktuell gibt es über 70 Unverpackt-Läden – also in fast jeder größeren Stadt – mit vielen arbeiten wir in unserem Projekt zusammen und unterstützen auch deren Vernetzung und Kooperation. Im April hat sich der Unverpackt e.V. gegründet, der Verband der Unverpackt-Läden. Die Pioniere vernetzen sich und wollen in Zukunft stärker zusammenarbeiten.
Quelle: Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (idw)