Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP) Volker Enkerts: "Die Regulierung der Zeitarbeit ist unnötig"
Archivmeldung vom 16.08.2016
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Freigeschaltet durch André OttVolker Enkerts, Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), im BAP-Serieninterview "Drei Fragen an..."
Die deutsche Konjunktur ist aktuell stabil, der Arbeitsmarkt mehr als robust, die Nachfrage nach Fachkräften hoch. Doch mit Digitalisierung, demografischem Wandel und der Integration von Hunderttausenden von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt steht die deutsche Wirtschaft vor enormen Herausforderungen.
Trotzdem will die große Koalition die dringend benötigte Flexibilität der deutschen Wirtschaft beschränken: Einschneidende Gesetzesänderungen - unter anderem Equal Pay nach neun Monaten und die Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten - werden auf die Zeitarbeit zukommen. Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) sprach mit seinem Präsidenten Volker Enkerts über die Notwendigkeit des Vorhabens und was diese neuen Einschränkungen für die Branche und ihre Kundenunternehmen bedeuten.
Herr Enkerts, die Bundesregierung hat einschneidende Beschränkungen für die Zeitarbeit beschlossen, die zum 1. Januar 2017 greifen sollen. Wie bewerten Sie diese?
Enkerts: Der BAP lehnt das Gesetzesvorhaben ohne Wenn und Aber ab, denn die Regulierung unserer Branche ist unnötig: Zeitarbeit unterliegt vollständig dem deutschen Arbeitsrecht, wird zudem staatlich kontrolliert und ist auch noch erlaubnispflichtig. Die Zeitarbeitsunternehmen sind vollwertige Arbeitgeber mit allen entsprechenden Pflichten.
Zeitarbeitnehmer sind deshalb in Deutschland fest angestellt und nicht nur - wie beispielsweise in Ländern wie Frankreich und Großbritannien - befristet für den jeweiligen Arbeitseinsatz. Zeitarbeitnehmer haben damit Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Urlaub, Krankheit und fehlenden Einsatzmöglichkeiten. Sie werden zu nahezu 100 Prozent nach Tarifverträgen bezahlt, die mit den DGB-Gewerkschaften abgeschlossen wurden.
Und seit einigen Jahren führen Branchenzuschlagstarifverträge Zeitarbeitnehmer in wichtigen Einsatzbereichen in Stufen an die Bezahlung der Stammmitarbeiter heran - ein System, das ebenfalls mit den DGB-Gewerkschaften vereinbart wurde. Zeitarbeitnehmer in Deutschland gehören damit zu den am besten geschützten in Europa. Im Übrigen konnte die Wissenschaft keinen Nachweis dafür finden, dass durch Zeitarbeit Stammarbeitsplätze verdrängt worden wären. Es gibt also wirklich keinen Grund für neue Einschränkungen!
Welche Herausforderungen kommen sowohl auf die Personaldienstleister als auch auf die deutsche Wirtschaft mit den neuen Regulierungen zu?
Enkerts: Mit Equal Pay werden die Personaldienstleister und ihre Kunden massiv weiteren bürokratischen Belastungen ausgesetzt. Denn zunächst gilt es, den vergleichbaren Stammmitarbeiter zu ermitteln - was in vielen Fällen gar nicht so einfach sein wird. Aber was passiert, wenn es diesen gar nicht gibt?
An welchen vergleichbaren Mitarbeiter sollen sich Personaldienstleister und deren Kunden dann orientieren? Klar ist, dass dieses Verfahren zu erheblichem Mehraufwand sowohl beim Kundenunternehmen als auch den Personaldienstleistern führen wird. Und dann hat die Bundesregierung Equal Pay im Gesetz noch nicht einmal sauber definiert, sondern nur in der Gesetzesbegründung einen hochkomplexen Equal Pay-Begriff verankert, der sogar Sachleistungen umfassen soll und so nicht rechtssicher zu handhaben ist.
Gleichzeitig wird die Flexibilität der deutschen Wirtschaft mit diesem Gesetz erheblich gedrosselt. So sind zum Beispiel längerfristige Projekteinsätze im hochqualifizierten Bereich wie bei IT- oder Ingenieurdienstleistungen nicht mehr möglich. Gleiches gilt für Vertretungen in Eltern- oder Pflegezeit. Die Forderung nach besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird hiermit schlicht unterlaufen.
Die große Koalition tut dem Wirtschaftsstandort Deutschland mit diesen Änderungen wahrlich keinen Gefallen. Dass Zeitarbeitnehmer nach 18 Monaten ihren Einsatzbetrieb verlassen müssen - zu einem Zeitpunkt, an dem Equal Pay gerade mal neun Monate gegriffen hat - kann übrigens auch nicht im Interesse dieser Arbeitnehmer sein. Der Gesetzentwurf verdammt diese Arbeitnehmer dazu, in einem neuen Einsatzbetrieb wieder von vorne anzufangen, um auf ein Equal Pay zu kommen. Welch ein Zynismus.
Sie wurden bereits zum dritten Mal zum Präsidenten des BAP gewählt. Welche Aufgaben stehen in Ihrer Amtszeit auf der Agenda?
Enkerts: Ich will hier nur die beiden wichtigsten nennen: An erster und aktuellster Stelle stehen - und das ist ganz klar - Forderungen nach Verbesserungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung für die Zeitarbeit. Dazu gehören eine rechtssichere Equal Pay-Definition und klare Kriterien bei den massiven Sanktionen, die völlig unverhältnismäßig sind.
Es kann doch nicht sein, dass bereits bei kleinsten Verstößen gegen Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer der Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis droht. Das kommt einem Berufsverbot gleich, denn ohne diese Erlaubnis darf niemand in Deutschland ein Zeitarbeitsunternehmen betreiben. Gleichzeitig werden wir natürlich prüfen lassen, ob das Gesetz gegen Verfassungs- oder Europarecht verstößt. Entsprechende Bedenken wurden ja bereits von führenden Juristen und sogar von der Bundesrechtsanwaltskammer geäußert.
Das zweite große Thema wird die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt sein. Dafür hat der BAP eigens eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Eingliederungsmodelle durch Zeitarbeit entwickeln und sich eng mit der Bundesagentur für Arbeit abstimmen wird. Die Öffnung der Branche für Asylsuchende durch das neue Integrationsgesetz war der hierfür notwendige erste Schritt.
Angesichts der Zuwanderung und der damit verbundenen Herausforderung ist es deswegen umso unverständlicher, dass die Zeitarbeit mit neuen Regulierungen eingeschränkt werden soll. Denn dass wir Personaldienstleister eine große Expertise darin haben, auch sogenannte Problemgruppen in Arbeit zu bringen, belegen seit Jahren Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Diese Chance sollte die Bundesregierung mit den neuen Regulierungen nicht einfach so vertun!
Quelle: Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) (ots)