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Warum Unternehmen nicht aus Fehlern lernen

Archivmeldung vom 25.02.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.02.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Den Weg zum Vorgesetzten finden Servicemitarbeiter im Falle von Kundenbeschwerden nur selten, wie eine Studie von Wirtschaftswissenschaftlern der Uni Jena belegt. Quelle: Foto: Jan-Peter Kasper/FSU (idw)
Den Weg zum Vorgesetzten finden Servicemitarbeiter im Falle von Kundenbeschwerden nur selten, wie eine Studie von Wirtschaftswissenschaftlern der Uni Jena belegt. Quelle: Foto: Jan-Peter Kasper/FSU (idw)

Über solche oder ähnliche Vorkommnisse hat sich wohl jeder schon einmal geärgert: Die Mobilfunkrechnung weist Unstimmigkeiten auf, im Restaurant wird das falsche Essen serviert oder das Hotelzimmer ist nur unzureichend gesäubert. Als selbstbewusster Kunde macht man dann in der Regel seinem Ärger bei einem Servicemitarbeiter Luft. Doch was passiert dann? Analysieren Unternehmen die Beschwerden unzufriedener Kunden, um daraus zu lernen und die Dienstleistungsqualität zu verbessern?

Wirtschaftsforscher Prof. Dr. Gianfranco Walsh von der Uni Jena.
Quelle: Foto: Anne Günther/FSU (idw)
Wirtschaftsforscher Prof. Dr. Gianfranco Walsh von der Uni Jena. Quelle: Foto: Anne Günther/FSU (idw)

Weit gefehlt, wie eine Studie von Wirtschaftswissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena jetzt zeigt. „Drei von vier Beschwerden, die an Dienstleistungsmitarbeiter herangetragen werden, erreichen nicht einmal den direkten Vorgesetzten“, sagt Prof. Dr. Gianfranco Walsh. Die Gründe dafür hat der Lehrstuhlinhaber für Betriebswirtschaftslehre und Marketing gemeinsam mit Kollegen aus Jena und der University of Texas (USA) untersucht. Die Ergebnisse ihrer Studie haben die Forscher im Fachmagazin „Journal of Service Research” publiziert (DOI: 10.1177/1094670514555510).

Demnach geben die Mitarbeiter die meisten Beschwerden nicht weiter, obwohl es in vielen Unternehmen konkrete Vorgaben für die Behandlung von sogenannten informellen Beschwerden gibt. „Das geht zu Lasten des Unternehmens“, macht Prof. Walsh deutlich, „denn die Kunden machen mit ihrer Beschwerde auf die Schwächen des Unternehmens aufmerksam und liefern so wertvolles Feedback bezüglich möglicher Verbesserungspotenziale“, betont der Marketingexperte. Die Weiterleitung an Vorgesetzte und die entsprechende Beschwerdestelle im Unternehmen sei damit zentral für die Unternehmensentwicklung und den langfristigen Unternehmenserfolg.

In seiner Studie hat das Wissenschaftlerteam untersucht, wie das komplexe Zusammenspiel von Arbeitsplatzbelastungen, vorhandenen Jobressourcen, unternehmens- und kundenbezogenen Haltungen sowie kulturellen Besonderheiten das Weiterleitungsverhalten von Dienstleistungsmitarbeitern beeinflusst. Dazu haben sie 363 deutsche und 213 chinesische Mitarbeiter mit häufigem Kundenkontakt befragt. Die Studienergebnisse überraschen: „Entgegen der bisherigen Annahme, dass jobspezifische Ressourcen, etwa die Unterstützung durch den Vorgesetzten, das Erreichen von Unternehmenszielen unterstützen und Arbeitsplatzbelastungen die selbige beeinträchtigen, zeigen unsere Ergebnisse, dass es bei der Weiterleitung von Beschwerden nicht zwangsläufig so sein muss“, so Prof. Walsh. Insbesondere eine hohe Selbstständigkeit von Mitarbeitern im Umgang mit Kundenbeschwerden sei in diesem Zusammenhang ein zweischneidiges Schwert. „Zum einen können diese Mitarbeiter Kundenbeschwerden häufig an Ort und Stelle ausräumen und so zur Zufriedenheit der Kunden beitragen. Zum anderen müssen aufgetretene Fehler und Probleme mit Blick auf die langfristigen Unternehmensziele analysiert werden. Und dafür müssen sie jedoch weitergeleitet werden.“

Zudem konnten die Wissenschaftler um Prof. Walsh zeigen, dass die Einflüsse der jobspezifischen Belastungen und Ressourcen in Deutschland einen stärkeren Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter haben als in China. „Dienstleistungsangestellte in westlichen Kulturen reagieren empfindlicher auf Arbeitsplatzaspekte wie die Unterstützung durch den Vorgesetzten oder die Unfreundlichkeit von Kunden als in eher kollektivistisch geprägten Gesellschaften“, erklärt Prof. Walsh die Ergebnisse. Kulturunabhängig zeigte sich jedoch die Bereitschaft, Beschwerden weiterzuleiten, vor allem bei den Mitarbeitern, die sich selbst als besonders kundenorientiert wahrnehmen und mit ihrem Unternehmen identifizieren.

Mit ihrer Zweiländerstudie hat die Forschergruppe insgesamt zu einem besseren Verständnis des Mitarbeiterverhaltens im Beschwerdekontext beigetragen. Die Wissenschaftler empfehlen Unternehmen, der Beschwerdeweiterleitung an die zuständigen Unternehmensstellen verstärkt Beachtung zu schenken und ihre Mitarbeiter mit Kundenkontakt entsprechend zu sensibilisieren, z.B. durch Schulungen. Zudem könnten Unternehmen spezielle Anreizsysteme für die Beschwerdeweiterleitung entwickeln.

Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena (idw)

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