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Studie: Öffentliche Großprojekte im Schnitt 73 Prozent teurer als geplant

Archivmeldung vom 04.05.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.05.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Offshore-Windpark Bild: Hans Hillewaert / wikipedia.org
Offshore-Windpark Bild: Hans Hillewaert / wikipedia.org

Öffentliche Großprojekte in Deutschland werden im Durchschnitt 73 Prozent teurer als geplant. Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen den verschiedenen Infrastruktursektoren. Während sich Projekte in den Bereichen Verkehr und öffentliche Gebäude durchschnittlich um 33 bzw. 44 Prozent verteuern, schlagen Energieprojekte mit 136 und IT-Projekte gar mit 394 Prozent ihres angesetzten Budgets zu Buche. Der Sektor Rüstungsbeschaffung nimmt mit durchschnittlich 87 Prozent Kostensteigerung pro Projekt einen Platz im Mittelfeld ein. Dies sind erste Ergebnisse einer Studie der Hertie School of Governance, die am 19. Mai in Berlin vorgestellt wird.

Die Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Genia Kostka untersucht 170 in Deutschland seit 1960 realisierte Großprojekte, darunter 119 abgeschlossene und 51 noch laufende Projekte. Bei letzteren ermittelt die Studie Kostensteigerungen von bislang durchschnittlich 41 Prozent. Für alle untersuchten Projekte zusammen waren 141 Milliarden Euro eingeplant, tatsächlich kosteten sie 200 Milliarden Euro - eine Budgetüberschreitung um 59 Milliarden Euro. Kostka und ihr Team erklären Fehlkalkulationen unter anderem mit Defiziten im Entscheidungs-, Planungs- und Steuerungsprozess. Verwaltung und politisch Verantwortliche seien oftmals zu optimistisch und überschätzten ihre Fähigkeiten. Dies führe zum Beispiel dazu, dass Entscheidungsträger Vertragsbedingungen zustimmten, die der öffentlichen Hand das Risiko aufbürdeten oder Unternehmen falsche Anreize setzten.

Zu besonders hohen Budgetüberschreitungen käme es allerdings zumeist bei "Pionierprojekten" mit hohen Technologie-Risiken. Beispiele dafür sind IT-Projekte wie das gescheiterte Steuersystem FISCUS, der Bau von Atomkraftwerken oder Offshore-Windparks. "Wenn neue Technologien eingesetzt werden, sind die Anschubkosten hoch und die Projekte insgesamt risikoreicher. Allerdings können sich die Investitionen langfristig lohnen, weil sich Lerneffekte und der Technologievorsprung auszahlen", so Kostka.

Besonders hohe Kostenüberschreitungen ergeben sich regelmäßig bei Megaprojekten: Vorhaben mit einem Volumen von über 500 Millionen Euro werden im Schnitt doppelt so teuer wie geplant. Bei kleinen (bis 50 Millionen Euro) und mittleren (zwischen 50 und 500 Millionen Euro) Projekten stellt die Studie 78 bzw. 59 Prozent durchschnittliche Budgetüberschreitung fest.

Vom Ausland lernen

Ein internationaler Vergleich der Ergebnisse ist aufgrund der Datenlage schwierig. Vorhandene Studien legen ein leicht schlechteres Abschneiden Deutschlands mit vergleichbaren Ländern nahe: So liegen die Kostenüberschreitungen bei Straßen-, Schienen-, Tunnel- und Brückenbau in den Niederlanden bei 17 Prozent, in den Ländern Nordwest-Europas bei 22, in Deutschland aber bei 30 Prozent.

Um die Kosteneinhaltung von Großprojekten zukünftig besser überwachen zu können, empfiehlt Kostka unter anderem die Einrichtung eines nationalen Benchmarkings für Großprojekte und einer unabhängigen Kontrollagentur nach britischem Vorbild.

Die Studie "Großprojekte in Deutschland - zwischen Ambition und Realität" umfasst neben einer umfassenden Auswertung der Projekt-Daten drei detaillierte Fallstudien: zum Berliner Großflughafen BER, zur Elbphilharmonie sowie zu fertiggestellten Offshore-Windparks. Eine Zusammenfassung erster Ergebnisse finden Sie hier: http://bit.ly/Grossprojekte-Factsheet1.

Zur Vorstellung der Studie am 19. Mai 2015 um 18:30 Uhr an der Hertie School of Governance, Friedrichstraße 180, sind Pressevertreter herzlich eingeladen. Im Anschluss an die Vorstellung der Studie durch die Autoren diskutieren Martin Delius, MdA, Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses, Heinz Dürr, Unternehmer und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, Mathias Oberndörfer, Bereichsvorstand Public Sector, KPMG AG, und Andreas Wagner, Wind Offshore Stiftung. Moderation: Prof. Dr. Jobst Fiedler, Hertie School.

Quelle: Hertie School of Governance (ots)

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