Medien: Werkschließungen und Massenentlassungen sollen für Siemens kein Tabu mehr sein
Archivmeldung vom 06.11.2017
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.11.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer deutsche Konzern Siemens erlebt in seiner Kraftwerksparte momentan eine Krise. Nun will der Konzern reagieren und mit alten Tabus brechen. Dies könnte vor allem Arbeitnehmer empfindlich treffen, berichtet die FAZ.
Im Bericht der deutschen Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik" heißt es dazu weiter: "In der Konzernsparte Stromerzeugung, Öl und Gas (Power and Gas) erlebt Siemens eine zunehmend prekäre Auftragslage, die nun zu radikalen Einschnitten und Umstrukturierungen führen könnte.
Hierbei geht es anscheinend um Tausende Arbeitsplätze, die gestrichen werden könnten, sowie Werkschließungen an verschiedenen Standorten. In den letzten Jahrzehnten waren solch radikale Maßnahmen ein Tabu in dem Traditionsunternehmen.
Erste offizielle Informationen für die Arbeitnehmer über die Absichten zum Umbau werden am Donnerstag vom Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser auf der Jahrespressekonferenz erwartet.
Explizit wird mit der Veröffentlichung der Zahlen zur Auftragslage in der Produktion von Gas- und Dampfturbinen für große Kraftwerke – dem Hauptgeschäft des Unternehmens – gerechnet. Diese sollen erste Einblicke bieten, wie radikal betriebsbedingte Kündigungen für die Arbeitnehmer zukommen würden.
Personalvorstand Janina Kugel teilte unterdessen mit, dass der Konzern, wo immer das möglich sei, Mitarbeiter für andere Unternehmensbereiche umzuschulen versuchen werde.
„Aber man muss auch ehrlich sagen, das wird nicht für jeden überall möglich sein“, dämpfte Kugel gleichzeitig die Hoffnungen.
Wie FAZ-Autor Rüdiger Köhn in seinem Artikel schreibt, sei das eine Wende in der Unternehmensstrategie.
„Damit zeichnet sich eine Zäsur im Unternehmen und ein Bruch mit Tabus ab. Bisheriger Personalabbau konnte immer sozialverträglich und im Einvernehmen mit den Belegschaftsvertretern durchgeführt werden. Werke wurden nicht geschlossen“, unterstreicht der Autor.
Die Arbeitnehmerseite hatte sich bereits vor zwei Wochen schockiert gezeigt, als wiederum durch die FAZ erste Pläne über anstehende Massenentlassungen und gar Werkschließungen an die Öffentlichkeit durchsickerten.
Den ersten Zahlen zufolge könnten die Standorte in Görlitz, Erfurt, Leipzig und Offenbach geschlossen werden und so zwischen 3.000 und 4.000 Arbeitsplätze bedroht sein.
An anderen Standorten wie etwa im größten Werk Mülheim sowie dem zweitgrößten Standort Berlin könnten weitere Stellen gestrichen werden – insgesamt über 8.000.
Bereits am 26. Oktober kam es bei einem Treffen des Wirtschaftsausschusses des Unternehmens zu einem Eklat. Arbeitnehmervertreter brachen die Sitzung ab, weil sie von den Arbeitgebervertretern keine konkreten Informationen über die kommenden Entlassungen und Schließungen erhalten hatten.
Die Entlassungen seien allerdings ein Teil der notwendigen strukturellen Veränderungen, die das Unternehmen aufgrund sich wandelnder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen durchführen müsse, erklärte in diesem Zusammenhang Siemens-Personalvorstand Kugel.
„Wenn ein Geschäft langfristig nicht mehr da ist, können wir nicht einfach an der Vergangenheit festhalten und weitermachen wie bisher“, betonte sie.
So sei der Markt für große Gasturbinen um 40 Prozent und der für Dampfturbinen gar um 70 Prozent eingebrochen.
Dies liege nicht an einer konjunkturellen Schwankung, sondern sei ein Ausdruck einer sich durchsetzenden strukturellen und dauerhaften Veränderung, die man bereits seit Jahren habe beobachten können.
Man werde daher nicht um betriebsbedingte Kündigungen, Werksschließungen und Verlagerungen herumkommen können, wenn auch wo immer nur möglich darauf verzichtet werden solle, so Kugel weiter.
„Wir erwarten auch von den Gewerkschaften, dass wir den Wandel miteinander gestalten“, wandte sie sich an die Arbeitnehmervertreter.
Wie der FAZ-Autor betont, liege die komplizierte Lage des Unternehmens klar an den marktwirtschaftlichen Bedingungen. Vor allem wirke sich „die schwache Auftragslage aus der Öl- und Erdgasindustrie“ extrem negativ aus – und zwar nicht nur auf den Sektor Power and Gas, sondern auch auf die ertragsschwache Division Prozessindustrie und Antriebe.
„Kunden halten wegen der niedrigen Ölpreise ihre Investitionen noch immer zurück“, resümiert Köhn abschließend."
Quelle: Sputnik (Deutschland)