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Initiator der Grundeinkommen-Abstimmung: Humanismus gegen das alte Menschenbild

Archivmeldung vom 08.06.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.06.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Michael Grabscheit / pixelio.de
Bild: Michael Grabscheit / pixelio.de

Die Abstimmung über das bedingungslose Grundeinkommen ist zwar negativ aus¬gefallen, doch die Initiatoren sehen eine gute Zukunft für das Vorhaben – nicht nur in der Schweiz. Es gehe dabei jedoch nicht einfach um eine finanzielle Absicherung, sondern auch um Wiedererweckung humanistischer Werte und Beseitigung eines falschen Menschenbildes. Dies berichtet das russische online Magazin "Sputnik".

Weiter heißt es auf deren deutschen Webseite: "Am Sonntag hatten die Schweizer als weltweit erstes Land über das bedingungslose Grundeinkommen abgestimmt. Dieses wurde von 77 Prozent der Bevölkerung abgelehnt. Die Initiatoren der Volksinitiative, Daniel Häni und Enno Schmidt, zeigen sich dennoch zuversichtlich. Denn bei einer halben Million Befürworter sei für eine Fortführung der Diskussion um das Grundeinkommen in der Schweiz gesorgt.

In einem Interview mit Sputnik-Korrespondent Valentin Raskatov ging Enno Schmidt auf die humanistische Basis des Vorhabens ein, in dem er eine Idee für Europa und dieses Jahrhundert sieht. Die Initiatoren hatten auf das weltweit größte Plakat der Welt die Frage gedruckt: „Was würdest du tun, wenn für dein Grundeinkommen gesorgt wäre“ und diese Frage in Genf und Berlin aufgerollt. Sie sehen in dieser Frage nicht nur „die größte Frage der Welt“, weil sie in die alte „Sinnfrage“ mündet, die Schmidt so formulierte: „Was fange ich eigentlich mit meinem Leben an und wie bin ich tätig für andere, wenn es wirklich in meiner Verantwortung liegt?“

Im Gegensatz zu manchem Kritiker sieht Schmidt in einem bedingungslosen Einkommen keine Aufforderung zur Bequemlichkeit, denn „wenn man den Menschen ernst nimmt, dann ist Arbeit Leben und die Tätigkeit, in der man beiträgt und etwas tut für andere. Das tun Menschen aus einer eigenen Motivation und auch heute bekommt man keinen Job mehr, wenn man nicht auch intrinsisch motiviert ist.“ Außerdem ist das Einkommen so berechnet, dass der finanzielle Anreiz einer bezahlten Arbeit nicht entfällt, sondern der Mensch lediglich die Möglichkeit bekommt, seine Entscheidung in aller Ruhe und selbstbestimmt zu fällen.

Mit dem Rekurs auf die innere Motivation will Schmidt Missverhältnisse beheben, die sich seiner Ansicht nach im Laufe der Zeit ergeben haben: „Ich glaube, es ist nur eine Richtigstellung eines falschen Bildes, dass nämlich Menschen wie Tiere angereizt werden müssen oder wie Computer funktionieren und dass man vergessen hat, was eigentlich eine Zivilgesellschaft ist. Wir bewerten Menschen in ihrer Lebensberechtigung nach bezahlter Arbeit oder eben nachweislich Unfähigkeit zur bezahlten Arbeit und wir sollten uns auch erinnern, dass es eine Zivilgesellschaft, eine humane Gesellschaft gibt und dass nicht die Wirtschaft das oberste Gebot ist in der Verwertbarkeit von Human Ressources. Wenn die Gesellschaft so wäre, dass alles nur mit Zwang und Nötigung geht, dann wären wir nicht so erfolgreich. Wir sind so erfolgreich durch Engagement und durch das, was Menschen tun wollen. Und das würde durch ein bedingungsloses Grundeinkommen gestärkt. Und das würde betonen, dass es eine Gesellschaft ist, die wir wollen und die wir gestalten." Es geht also um Humanismus, Selbstbestimmung und Verantwortung in einer Gesellschaft, die sich nicht den mechanischen Regeln der Wirtschaft unterordnet, sondern sich über diese stellt.

In einer Zeit des Wandels der Kapitalindustriegesellschaft zur Datenökonomiegesellschaft stellt für Schmidt das bedingungslose Grundeinkommen ein weltweites Thema dar, das im Zuge der stattfindenden Umstrukturierungen angegangen werden sollte.

Um eine gut gemeinte, aber nicht realisierbare Utopie handelt es sich für ihn hingegen keineswegs: „Alles war einmal eine Utopie. Es war völlige Spinnerei, wenn man erzählte, man könnte mit irgendwelchen Geräten in die Luft fliegen. Und es war völlig utopisch sich vorzustellen, ich kann hier sitzen und sprechen und Sie hören mich in einer ganz anderen Stadt. Wir vergessen die Geschichte, wir vergessen, woher wir kommen, wir vergessen, dass all das, womit wir leben, einmal Utopie war.“

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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