So viele minderjährige Rekruten wie nie
Die Zahl der minderjährigen Rekruten bei der Bundeswehr hat 2024 ein Rekordhoch erreicht. Von den im vergangenen Jahr insgesamt 20.284 neu eingestellten Soldaten waren 2.203 bei Dienstantritt erst 17 Jahre alt und damit minderjährig. Das entspricht einem Anteil von 10,9 Prozent. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der BSW-Abgeordneten Zaklin Nastic hervor, über die die "Welt" berichtet.
Seit Erfassung der Daten 2011 lag dieser Wert noch nie so hoch. Der
bisherige Höchstwert wurde 2023 mit 1.996 minderjährigen Rekruten
aufgestellt, das waren 10,6 Prozent aller damals neu eingestellten
Soldaten. Von den 2.203 minderjährigen Rekruten im vergangenen Jahr
waren den Angaben zufolge 1.882 Männer und 321 Frauen. 1.252 von ihnen
leisteten Freiwilligen Wehrdienst, 895 verpflichteten sich als Soldaten
auf Zeit, 56 waren als freiwillige Wehrdienstleistende im Heimatschutz
tätig. Insgesamt beschäftigte die Bundeswehr zum 31. Dezember 2024
262.813 Menschen, 1.666 von ihnen waren minderjährig.
Ralf
Willinger von der Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes und Sprecher
der Kampagne "Unter 18 nie - Keine Minderjährigen in der Bundeswehr",
sagte der "Welt": "Noch nie hat die Bundeswehr mehr Minderjährige als
Soldatinnen und Soldaten rekrutiert als letztes Jahr. Viele von ihnen
werden schwerwiegende Schäden erleiden: Allein im Jahr 2023 wurden dort
15 minderjährige Soldaten Opfer von sexueller Gewalt, 35 erlitten
Unfälle, viele weitere psychische Störungen und Traumatisierungen." Es
sei schockierend, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und
die Bundesregierung dennoch an dieser "völkerrechtswidrigen Praxis"
festhielten. Die nächste Bundesregierung müsse dies ändern.
Die
BSW-Abgeordnete Zaklin Nastic, die die schriftliche Anfrage an die
Bundesregierung gestellt hatte, fordert ein Ende der derzeitigen
Regelung: "Dass unter Verteidigungsminister Pistorius die Zahl der
Minderjährigen in der Bundeswehr einen Höchststand erreicht hat, ist
nicht verwunderlich, da der Verteidigungsminister mit Biegen und Brechen
versucht, die Planspiele der Nato nach einer Personalaufstockung für
die Bundeswehr zu erreichen. Minderjährige dürfen jedoch nicht zur
Kompensation von Personalmangel in der Bundeswehr herangezogen werden.
In Deutschland dürfen Minderjährige nicht an Bundestagswahlen
teilnehmen, aber für das Militär sind sie erwachsen genug."
Das
Verteidigungsministerium rechtfertigt die aktuelle Praxis. Eine
Sprecherin teilte der "Welt" mit: "Die Bundeswehr stellt sicher, dass
17-jährige Soldatinnen und Soldaten auf keinen Fall eigenverantwortlich
und außerhalb der militärischen Ausbildung Funktionen ausüben, in denen
sie mit dem Gebrauch der Waffe konfrontiert sein könnten." 2023 hätten
außerdem bereits über die Hälfte der neu eingestellten 17-jährigen
Soldaten die Volljährigkeit spätestens im sechsten Dienstmonat erreicht.
Die geltende Praxis stehe "vollständig im Einklang mit den
eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen". Es gehe zudem darum,
für an der Bundeswehr interessierte Jugendliche Nachteile gegenüber
gleichaltrigen Berufseinsteigern zu vermeiden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur