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Experten: Deutschland bei Gaslieferausfällen "sehr verletzlich"

Archivmeldung vom 28.03.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.03.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: uschi dreiucker / pixelio.de
Bild: uschi dreiucker / pixelio.de

Nach Einschätzung von Experten ist Deutschland derzeit für mögliche Gaslieferausfälle aus Russland nicht gewappnet: "Deutschland hat derzeit keine Strategie, wie man auf Lieferausfälle reagieren kann und ist damit sehr verletzlich", sagte die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, "Handelsblatt-Online".

Ähnlich äußerte sich der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes für Mineralöl und Energie (AFME), Rainer Winzenried. Der AFME vertritt die Interessen konzernunabhängiger Energiehändler und -importeure aus den Bereichen Öl, Strom und Gas. Beim Erdgas gebe es "keine schnelle Lösung, um die Versorgung zu flexibilisieren und zu diversifizieren", sagte Winzenried "Handelsblatt-Online". "Alle nachhaltigen Lösungen bedürfen großer Investitionen, deren Umsetzung viel Zeit erfordert."

Nötig seien der Bau von Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG), die Stärkung der heimischen Erdgasförderung, eine Krisenbevorratung nach dem Vorbild des sogenannten Erdölbevorratungsverbandes sowie zusätzliche Pipelines. Das fordert auch DIW-Ökonomin Kemfert. "Wir können russisches Gas nicht ohne weiteres ersetzen", sagte sie. "Wir benötigen eine strategische Gasreserve genau ähnlich der strategischen Ölreserve."

Deutschland müsse zudem verstärkt aus anderen Ländern Gas beziehen - wie Norwegen, Algerien oder Katar. Außerdem plädierte Kemfert neben einer beschleunigten Umsetzung der Energiewende auch für den Bau eines Flüssiggasterminals, "damit wir perspektivisch auch Gas aus den USA importieren können".

Insofern habe Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) recht, wenn der derzeit zum Import von Erdgas aus Russland keine vernünftige Alternative sehe, sagte Kemfert weiter. Allerdings stimme sie auch Bundeskanzlerin Angela Merkels Lösungsansatz zu. "Frau Merkel hat recht, die Abhängigkeit aus Russland sollte vermindert werden."

AFME-Chef Winzenried hält es ebenfalls für angebracht, die Erdgasversorgung auf eine breitere Basis zu stellen und sie zu flexibilisieren. "Am Erdgas selbst sollte aber nicht gerüttelt werden", betonte er. Dieser Energieträger trage erheblich zur Klimaverträglichkeit des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland bei - und die Reserven seien riesig.

Unionsfraktion fordert Neuausrichtung der deutschen Energieversorgung

In der Unionsfraktion wird angesichts der Energieabhängigkeit von Russland der Ruf nach einer Neuausrichtung der deutschen Energieversorgung laut. "Wir sollten dringend darüber nachdenken, wie wir unsere Energieversorgung anders aufstellen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Fuchs (CDU), der F.A.Z. (Samstagsausgabe). "Ich bin nicht begeistert von unserer Abhängigkeit von Russland. Wir müssen überlegen, ob wir uns das wirklich noch leisten können."

Nachgedacht werden müsse beispielsweise über ein eigenes Flüssiggasterminal in Deutschland. Fuchs verlangt zudem, stärker über alternative Öl- und Gaslieferanten nachzudenken, von Nigeria über Norwegen bis Qatar. Und über Fracking, also die Förderung von Schiefergas aus tiefen Gesteinsschichten. Umweltschützer haben Bedenken dagegen. Dazu sagte Fuchs der F.A.Z.: "Wir können es natürlich ansonsten auch machen wie die Grünen und barfuß über Stoppelfelder laufen."

Gabriel sieht derzeit keine Alternative zu russischen Gaslieferungen

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sieht gegenwärtig "keine vernünftige Alternative" zum Import von Erdgas aus Russland. "Russland hat auch in den finstersten Zeiten des Kalten Krieges seine Verträge eingehalten", sagte Gabriel am Donnerstagabend auf einem Energieforum der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Man müsse zurück an den Verhandlungstisch. Auch die berechtigten Interessen der Industrie sollten im Auge behalten. Es gehe um eine Menge Arbeitsplätze, so der SPD-Chef.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstag geäußert, dass die EU die Abhängigkeit von russischer Energie langfristig verringern werde. "Es wird eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben", hatte Merkel nach einem Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper in Berlin geäußert. Dies sei langfristig gesehen eine Konsequenz aus der Krim-Krise und dem Konflikt mit der russischen Regierung.

Grüne werfen Gabriel "erschreckende Konzeptlosigkeit" vor

Die Grünen haben Äußerungen von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) über die Abhängigkeit von russischen Gas-Lieferungen scharf kritisiert: "Gabriels Statement zeugt von erschreckender Konzeptlosigkeit", sagte Grünen-Chefin Simone Peter der "Welt". "Gerade weil wir am russischen Gashahn hängen, braucht Deutschland einen Masterplan für mehr Energieunabhängigkeit."

Doch Gabriel bremse die Windenergie und vernachlässige die Energieeffizienz. "Im Ergebnis betreibt die Bundesregierung so Absatzförderung für Gazprom & Co.", kritisierte Peter. Gabriel hatte am Donnerstagabend erklärt, er sehe derzeit "keine vernünftige Alternative" zu Importen von Erdgas aus Russland.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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