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Billigautos sind für deutsche Automobilindustrie uninteressant

Archivmeldung vom 01.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Deutschland gilt als Land der Premiumautomobile. Neben dem Maschinenbau ist die Automobilbranche hierzulande eine Schlüsselindustrie. Die jüngste Krise bei General Motors (GM) zeigt aber auch: Die gesättigten Märkte in Nordamerika und Westeuropa stehen vor neuen Herausforderungen.

Bei GM kam es knüppeldick: In Nordamerika will man 74.000 Arbeitern Abfindungen anbieten, um sie los zu werden. Der Hintergrund: Im Jahr 2007 musste der Traditionskonzern mit einem Minus von 40 Milliarden Dollar den größten Verlust seiner stolzen Firmengeschichte verdauen. Das Unternehmen leidet sowohl unter einem schwachen Heimatmarkt als auch einem kräftigen Absatzrückgang auf dem wichtigen deutschen Markt.

GM gilt seit mehr als 70 Jahren als der größte Autobauer der Welt. Im Jahr 1955 konnte GM noch als erstes amerikanisches Unternehmen einen jährlichen Umsatz von über einer Milliarde US-Dollar verkünden. 2007 waren es zwar stolze 181 Milliarden – doch waren dies zwölf Prozent weniger als im Jahr zuvor. Die gesamte US-Automobilindustrie ist in schweres Fahrwasser geraten. Betroffen sind die „Großen Drei“ Chrysler, Ford und GM.

Vor allem die Asiaten – allein voran Toyota – spucken den „Big Three“ in die Suppe. Toyota und Honda haben mit der Hybridtechnologie schon seit Jahren den Markt aufgerollt. Doch nicht nur die umweltfreundlichen und kraftstoffverbrauchsreduzierten Fahrzeugkonzepte der Asiaten überzeugen. Seit Jahren führt Toyota die Kundenzufriedenheits-Studie des US-Analysehauses J.D. Power an.

Und auch der Markt für „Billigautos“ wächst, vor allem in den asiatischen Schwellenländern. Ein Beispiel für diese Entwicklung: Am 10. Januar 2008 stellte Ratan Tata, der Chef von Tata Steel, in Neu-Delhi sein „One Lakh Car“ vor – ein Auto für 2.500 Dollar. „Mit dem One Lakh Car treibt Tata das Wachstum der Automärkte in Indien, China und Osteuropa“, prognostiziert Ferdinand Dudenhöffer von B&D Forecast. Das Einfachauto passe in das Portemonnaie der Leute in Indien und anderen Wachstumsmärkten, so der Autoexperte gegenüber der Zeitschrift Absatzwirtschaft. Nach konservativer Prognose von B&D Forecast werden im Jahr 2015 bereits zehn Millionen „Billigautos“ weltweit verkauft.

„Der Markt der Billigautos wird in den nächsten 13 Jahren das am schnellsten wachsende Marktsegment im Weltautogeschäft sein. Die Konzerne GM, Ford, VW, PSA-Peugeot-Citroen, Honda planen nicht, in den wesentlichen Wachstumsmärkten für Billigautos vertreten zu sein. Hyundai-Kia und Mitsubishi haben noch keine abschließende Entscheidungen getroffen. Renault-Nissan, Tata, die Chinesen und natürlich Toyota gehen in diesen Markt“, schreibt die Absatzwirtschaft. Damit werde das Billigauto auch die Struktur der Automobilindustrie verändern. Es bleibe die Frage, warum VW, Opel und Ford bei dieser Entwicklung fehlen. „Vielleicht, weil es für die Ingenieure in Wolfsburg und Rüsselsheim keine Autos sind, auf die ein deutscher Ingenieur stolz sein kann“, vermutet Dudenhöffer.

Dass die deutsche Automobilindustrie bei den „Billigstautos“ keinen Blumentopf gewinnen kann, meint der Hannoveraner Automobilexperte Uwe Röhrig. Der Inhaber von International Car Concept (ICC), der sich unter anderem im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) engagiert, sagt: „Selbstverständlich gibt es in Ländern wie Indien und China, die einen großen Rückstand in puncto Motorisierung aufholen wollen, eine große Nachfrage nach günstigen Fahrzeugen. Doch wenn sich die deutschen Hersteller dort stark engagieren würden, könnte dies zu einem erheblichen Imageschaden führen. Es ist der deutschen Ingenieurskunst zu verdanken, dass sich dieses Land einen sehr guten Ruf als Anbieter von Premiumautomobilen erarbeitet hat. Mit diesem Pfund sollte man wuchern. Man sollte es nicht für kurzfristige Marktzuwächse aufs Spiel setzen. Deutsche Autos müssen einen hohen Standard setzen, vor allem bei der Sicherheit. Das ist bei der Billigproduktion nicht immer möglich. Wenn die ökonomische Entwicklung in den asiatischen Emerging Markets weiterhin positiv verläuft, dann wird dort eine wachsende breite Mittelschicht ebenfalls den Wunsch haben, einen Mercedes oder einen BMW zu fahren. Die deutsche Automobilindustrie muss die eigenen Stärken ausbauen. Einen Wettbewerb nur über den Preis können wir nicht gewinnen.“

Dass sich die Produktion von Premiumautomobilen deutscher Marken in Zukunft verstärkt nach Asien und Nordamerika verlagern wird, unterstreicht eine aktuelle Analyse des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA). „Lag der Anteil Asiens im Jahr 2007 beim Absatz von Premiumwagen noch bei 13 Prozent, werde er bis zum Jahr 2020 auf gut 35 Prozent ansteigen und damit Westeuropa als zweitwichtigste Absatzregion für Premiumautomobile nach Nordamerika ablösen“, schreibt Autohaus-Online über die Marktstudie. Zur Beschreibung der Situation in Deutschland ließ sich Willi Diez, Leiter des IFA-Instituts, zu einer etwas fragwürdigen Äußerung hinreißen: „In Europa herrscht gegenwärtig eine regelrechte Pogrom-Stimmung gegen Premiumautomobile.“ Mit dieser überscharfen Formulierung kritisiert Diez Strafsteuern oder die Beschränkung der Einfahrt von Premiumfahrzeugen in Innenstädte. Nach den Erkenntnissen der IFA-Experten lag der Anteil von Premiummodellen an der gesamten Pkw-Produktion in Deutschland bei rund 52 Prozent, so Autohaus. Der Anteil der vom Premiummarkt abhängigen Beschäftigten sei jedoch wegen des höheren Ausstattungsumfangs von Premium- gegenüber Volumenmodellen höher. Das Institut schätzt, dass zwei Drittel der insgesamt 744.550 Arbeitsplätze in der Branche von der Produktion solcher Fahrzeuge abhängig ist.

Dass der Markt für „Billigstautos“ unter 5.000 Euro für deutsche Hersteller aber kein lohnendes Segment ist, in das man ausweichen könnte, bekräftigte das IFA in einer Pressemitteilung vom Januar 2008. Diese Fahrzeuge dienten nur der Erstmotorisierung in Entwicklungs- und Schwellenländern, ähnlich dem Goggomobil, dem Messerschmidt-Kabinenroller oder der Isetta Deutschland in den 50er Jahren. Im Hinblick auf die Wertschöpfung und die Ertragsmöglichkeiten böten hochwertige Kompaktfahrzeuge und Premiumautomobile eindeutig bessere Chancen für die deutschen Hersteller, die sich weiterhin mittleren bis oberen Preissegment positionieren sollten.

Quelle: medienbüro.sohn

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