Studie von Roland Berger und Rothschild: Turbulente Zeiten für Automobilzulieferer
Archivmeldung vom 08.10.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Druck auf die Automobilzulieferer hat im vergangenen Jahr weltweit weiter zugenommen. Die Automobilhersteller werden fordern weitere Kostensenkungen, auf den Rohstoffmärkten wächst der Druck durch steigende Preise.
Die Situation wird durch die momentane Finanzmarktkrise - und die Abschwächung der Automobil-Konjunktur - noch verschärft. Trotzdem ist die Profitabilität der Branche im Jahr 2007 weiter gestiegen. Überdurchschnittlich schneiden dabei besonders mittelgroße Unternehmen in Westeuropa und Japan ab. Allerdings sind viele Zulieferer auf die anstehenden Herausforderungen der kommenden Jahre noch nicht ausreichend vorbereitet. Das sind die zentralen Ergebnisse der "Global Automotive Supplier Study", die die internationale Strategieberatung Roland Berger Strategy Consultants bereits zum dritten Mal gemeinsam mit der Investmentbank Rothschild durchgeführt hat. Die Untersuchung basiert auf einer Analyse der Finanz- und Leistungszahlen von mehr als 400 global agierenden Automobilzulieferern aus den Jahren 2001 bis 2007.
"Die Zulieferer erleben zurzeit einen nie da gewesenen Wettbewerbsdruck", sagt Marcus Berret, Partner im Kompetenzzentrum Automotive bei Roland Berger Strategy Consultants. "Steigende Preise für Rohmaterial, Konkurrenz durch Hersteller aus Niedriglohnländern, die Forderung der Autohersteller nach Kostensenkungen, der Ruf nach umweltfreundlichen Innovationen - der Druck kommt von allen Seiten und wird in Zukunft noch weiter zunehmen." Aufgrund der stark nachlassenden Automobilkonjunktur in den vergangenen Monaten sehen sich die Automobilhersteller (OEMs) aktuell gezwungen, ihre Kosten nochmals in Milliardenhöhe zu senken. Für den Rest des Jahres 2008 und für 2009 ist somit keine Besserung der Situation in Sicht.
Profitabilität der Zulieferer industrieweit nach wie vor stabil
Trotz des immer schärfer werdenden Wettbewerbs war die Profitabilität der Automobilzulieferer 2007 insgesamt jedoch weiterhin stabil. Umsatz- und Kapitalrendite sind 2007 im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht angestiegen: So lag die EBIT-Marge 2007 industrieweit bei 5,4 Prozent, die Kapitalrendite (ROCE) lag bei 11,9 Prozent und damit nochmals einen Prozentpunkt höher als im Vorjahr. Allerdings verteilt sich dieser Anstieg nicht gleichmäßig über die gesamte Industrie: Während Zulieferer aus Europa, Japan und Indien überdurchschnittliche Renditen erzielten, haben Anbieter aus Nordamerika nach wie vor - und erstmals auch Zulieferer aus China - zu kämpfen. Auch bezogen auf die Unternehmensgröße zeigt sich ein differenziertes Bild: Mittelgroße Zulieferer entwickelten sich in den vergangenen Jahren besonders positiv, während sowohl viele kleine Anbieter als auch einige Top-20 Zulieferer vermehrt unter Druck gerieten.
Düstere Aussichten für 2008 und 2009
Vor dem Hintergrund der bereits angekündigten Produktionskürzungen bei Fahrzeug- und LKW-Herstellern in Höhe von 10% und mehr im 2. Halbjahr 2008 wird die weltweite durchschnittliche Umsatzrendite bei den Zulieferern für 2008 bei deutlich unter 5% liegen. "Für 2009 könnte ich mir sogar einen Wert um die 4% vorstellen", sagt Marcus Berret. Damit wäre das historisch niedrige Niveau von 2001 erreicht.
Hebel für zukünftigen Erfolg
Die Studie von Roland Berger und Rothschild identifiziert Erfolgsfaktoren für Automobilzulieferer: Auf der Umsatzseite geht es um die Konzentration auf künftige Wachstumsmärkte und -produkte sowie das Produktangebot. Ziel ist ein Marktanteil von 20 bis 30 Prozent in ein bis zwei Marktsegmenten. Gleichzeitig lassen sich in Zukunft nur mit innovativen Produkten überdurchschnittliche Margen erzielen. Die Palette reicht von neuen Antriebskonzepten, etwa neuen Hybrid- und Elektro-Motoren, bis hin zu kompletten neuen Fahrzeugkonzepten. Auf der Kostenseite ist eine optimale globale Aufstellung Voraussetzung für eine führende Position im Wettbewerb. Das gilt nicht mehr nur für die Fertigung, sondern zunehmend auch für Forschung&Entwicklung: Hier verlagern führende Zulieferer nach klar abgrenzbaren Aufgaben wie der Software-Entwicklung nun auch die Entwicklung kompletter Module und Systeme an Niedriglohnstandorte. Die Verwaltungskosten lassen sich etwa durch Standardisierungen und Outsourcing senken.
Beim Thema Finanzstruktur zeichnen sich profitabel arbeitende Automobilzulieferer unter anderem durch ein sehr gutes Management der Betriebsmittel aus, etwa durch Minimierung der Lagerkosten mit Just-in-Time-Modellen, die Verlängerung von Zahlungszielen oder das konsequente Ausnutzen von Rabatten. Das wird in Zeiten der Finanzmarktkrise umso wichtiger, weil Banken das Geschäftsklima für Automobilzulieferer zunehmend als kritisch einstufen - mit entsprechenden Folgen für die Kreditvergabe: "Jetzt sind die Automobilzulieferer im Vorteil, die sich früh längerfristige Kreditlinien zu günstigen Konditionen gesichert haben", sagt Thomas Kästele, Managing Director bei der Investmentbank Rothschild. "Heute sehen die Banken einen diversifizierten Kundenstamm, einen Niedriglohnstandort und einen flexiblen Investitionsplan als kritische Faktoren."
Viele Zulieferer nicht ausreichend vorbereitet
Insgesamt haben die Zulieferer in der Vergangenheit beachtliche Erfolge erzielt. Auf die neuen Herausforderungen sind viele dennoch noch nicht ausreichend vorbereitet: Die Senkung der CO2-Emissionen ist eine zentrale technische und ökonomische Herausforderung. Für die Zulieferer bedeutet sie Chance und Risiko zugleich. Eine weitere Herausforderung gerade für die europäischen Zulieferer ist der Ausbau des Geschäfts mit asiatischen OEMs. Die Studie zeigt aber, dass der Umsatzanteil mit diesen bei vielen europäischen Zulieferern stagniert und oft noch immer unter 10% liegt.
Die aktuelle Krise wird tiefe Spuren hinterlassen. Viele leistungsschwache Zulieferer werden sie nicht überleben, weitere Zusammenschlüsse und Insolvenzen sind zu erwarten. Die Besten dürften aus der Krise gestärkt hervorgehen, weil sich der Markt um Wettbewerber bereinigt, die wegen fehlender Innovationskraft gezwungen sind, ihr Geschäft über den Preis zu gewinnen und damit den Preisdruck bei den Zulieferern zusätzlich anheizen.
Quelle: Roland Berger Strategy Consultants