Nokia und die fatalen Folgen der Subventionierung
Archivmeldung vom 28.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie angekündigte Schließung des Nokia-Werkes in Bochum hat eine intensive Debatte über die deutsche Industriepolitik entfacht: „Politiker wie NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers überschlagen sich derzeit mit Erregungsformeln. Von Subventions-Heuschrecke, Wanderkapitalismus und Mitnahmeeffekten ist die Rede.
Das ist pharisäerhaftes Geschwätz. Die deutsche Industriepolitik ist der Verursacher dieser Entwicklung. Man sollte jetzt nicht mit Placebo-Drohungen Subventionen zurückfordern, sondern ordnungspolitisch die gesamten willkürlichen Subventionen von Bund, Ländern und Kommunen in Frage stellen“, fordert Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash.
Der Staat habe einfach nicht die Kompetenz zu entscheiden, welche Technologien zu entwickeln seien und wer dafür am besten geeignet sei. „Wirtschaftspolitiker können nicht exakt vorausplanen oder sicher voraussagen, welche Wirkung mit der finanziellen Förderung eines Unternehmens erzielt werden kann. Die deutsche Industriepolitik ist schon seit Jahren ein wettbewerbspolitischer Sündenfall. Die Vorzugsbehandlung von Unternehmen über Subventionen diskriminiert nicht geförderte Konkurrenten und beschädigt die Innovationskraft unseres Landes. Wer Alimente nach Gutsherrenart verteilt, erzeugt Trägheit und Abhängigkeit. Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren wird mit dieser anmaßenden Verteilungspolitik lahmgelegt“, moniert Personalexperte Nadolski.
Nach Ansicht von Marc Emde von der Kölner KCP Personaldienstleistungsgesellschaft sei es ein Kardinalfehler, ein Unternehmen am Standort Deutschland zu subventionieren: „In der Industrieproduktion kann Deutschland gegen Billiglohnländer nur im hochspezialisierten Maschinenbau punkten. Es bleibt uns nichts weiter übrig, Nokia ziehen zu lassen und sich politisch gegen jegliche Subventionen einzusetzen, damit sich solche Dinge in Zukunft marktwirtschaftlich von selbst regeln“.
Die Politik folge nach Auffassung von Nadolski ausschließlich den Notwendigkeiten des Augenblicks, in der Regel orientierungs- und konzeptlos. Sie reagiere kurzatmig auf die Veränderungen einer wankelmütigen Popularität: „Heute profilieren sich Politiker, wenn sie ihre Nokia-Handys ausrangieren und dafür mit Schlagzeilen in der Bild-Zeitung belohnt werden. Morgen beschließen sie wieder Mindestlöhne oder Sonderregelungen, um ehemalige Staatsmonopolisten vor einem allzu harten Wettbewerb zu schützen. Sie bedienen lautstarke und mächtige Lobbygruppen mit Geschenken, ohne die negativen Folgen für die Marktwirtschaft zu bedenken. Sie mogeln sich so von einer Parlamentswahl zur nächsten“.
Dabei wüssten Rüttgers, Beck und Co., dass das beanspruchte Primat der Politik in wirtschaftlichen Fragen zunehmend an Grenzen stoße. „Die internationale und weltwirtschaftliche Verflechtung hat die staatlichen Lenkungsmöglichkeiten reduziert. Der wirtschaftspolitische Aktionismus verkümmert zusehends zu reinen Sandkastenspielchen“, meint der Harvey Nash-Chef.
Mit staatlicher Projekt- und Förderhuberei komme man nicht weit. „Noch gut in Erinnerung sind die selbstbewussten Proklamationen der Schröder-Regierung in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung. Man wollte den aktivierenden Staat an die Stelle des schlanken Staates setzen und die Verwaltungsmodernisierung vorantreiben. Ein wesentlicher Punkt war, alle onlinefähigen Dienstleistungen des Bundes im Internet anzubieten - dem Bürger, der Wirtschaft und anderen Verwaltungen. Das Ärzteteam am Kabinettstisch verabreichte dem Patienten Bundesverwaltung weine Therapie: Internettechnologie als Allheilmittel gegen Lähmungserscheinungen, einhergehend mit unterentwickelten Kommunikationsfähigkeiten und einer dicken Staubschicht. ‚BundOnline 2005’ hieß der Heilplan. Rund 18 Modellprojekte erhielten Finanzspritzen in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe, um den Patienten Leben einzuhauchen“, weiß Nadolski. Das Jahr 2005 sei nun lange vorbei und das Ergebnis insgesamt ernüchternd: einige Projekte würden gar nicht mehr existieren, andere dümpeln vor sich hin und der Rest habe nicht die erhoffte Nuterzfrequenz, was natürlich jede Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zur Farce werden lässt. Das Ganze verdiene einen Ehrenplatz im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler.
„Das Kabinett-Ärzteteam hat seinerzeit etwas Wesentliches vergessen: wo krankt der Patient und welche Therapie macht Sinn? Wer braucht die Internetdienstleistungen des Bundes, was muss getan werden damit diese auch genutzt werden, wie können Doppelentwicklungen vermieden werden? Ohne Anamnese gibt es keine erfolgreiche Medikation, so viel ist klar. Die verstorbenen Patienten des BundOnline-Projektes wurden in aller Stille zu Grabe getragen und die Todesursache lautet in allen Fällen ‚ärztliches Versagen’“, resümiert Nadolski.
Quelle: medienbüro.sohn