Bremse für die E-Mobilität: Monopolisten dominieren regionale Ladesäulenmärkte
Archivmeldung vom 30.06.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićEine neue LichtBlick Analyse zeigt: Konzerne und Stadtwerke bauen ihre regionale Monopolstellung auf dem Ladesäulenmarkt weiter aus. Durch mangelnde Konkurrenz legen sie Tarife und Ladebedingungen weitgehend frei von Wettbewerb fest.
In vielen Regionen Deutschlands dominieren weiterhin große Anbieter den Ladesäulenmarkt. Das zeigt eine von LichtBlick beim Datendienstleister Statista beauftragte Auswertung des Ladesäulenregisters der Bundesnetzagentur, bei der die Ladesäulen den jeweiligen Betreibern zugeordnet wurden. Insgesamt wurden knapp 19.600 Betreiber mit 35.845 Normalladepunkten und 5.906 Schnellladepunkten ausgewertet. LichtBlick hatte bereits 2019 eine erste Monopol-Analyse vorgelegt.
"Meistens sind es die regionalen Stromversorger, die sich das Monopol der Ladeinfrastruktur sichern", sagt Markus Adam, Director Legal von LichtBlick. "Die Marktanteile liegen dabei regelmäßig über 60%, in sehr vielen Fällen über 70% und mehr. Sie profitieren dabei von den Synergieeffekten aus der Zusammenarbeit mit den Stromnetzbetreibern - in der Regel Tochter- oder Schwesterunternehmen im gleichen Konzern."
Die Analyse zeigt in ganz Deutschland ein ernüchterndes Bild. Ob Hannover (95%, enercity), München (88%, Stadtwerke München) oder Kiel (84%, Stadtwerke Kiel) - nahezu überall kontrollieren einige wenige Monopolisten den regionalen Ladesäulenmarkt und seine Ladebedingungen. Die Synergieeffekte werden schnell deutlich: In Bremen stellt die EWE 71% aller Ladesäulen, weitere 13% entfallen auf die swb - die allerdings ebenfalls im Eigentum der EWE ist. In Dortmund werden 84% aller Ladesäulen von innogy betrieben, die wiederum knapp die Hälfte am städtischen Versorger und damit am örtlichen Netzbetreiber halten.
Fehlender Wettbewerb führt zu hohen Preisen
Die Folge: Tarife und Ladebedingungen werden weitgehend frei von Wettbewerb festgelegt. Das führt schon heute häufig zu überhöhten Preisen für Ladestrom deutlich oberhalb des Haushaltsstrompreises (vgl. dazu LichtBlick-Ladesäulencheck 2020). Zudem berichtet LichtBlick aus eigener Erfahrung als FahrStrom-Anbieter von Preisdiskriminierungen. "Diese Entwicklung ist seit mehreren Jahren sichtbar. Die lokalen Monopolisten verteuern den Ladestrom für Drittanbieter, die meist von Kund*innen von außerhalb genutzt werden, und quersubventionieren mit diesen Erlösen die eigenen Tarife", erläutert Adam. "Teilweise zahlen wir für die Ladevorgänge unserer Kund*innen mehr als doppelt so viel an die Ladesäulenbetreiber, als diese von ihren eigenen Kund*innen verlangen. Das ist weit entfernt von fairem Wettbewerb und eine klare Preisdiskriminierung."
Drittanbietern fehlen Synergieeffekte mit lokalem Stromnetzbetrieb
Auch Ausschreibungen der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur ändern nicht automatisch etwas an der Dominanz. "Städte wie Essen und Hannover schreiben schon seit einiger Zeit Flächen für die Errichtung von öffentlichen Ladesäulen aus. An der Dominanz der lokalen Betreiber hat dies nicht viel geändert", sagt Markus Adam. Diese können aufgrund der Synergieeffekte mit dem lokalen Stromnetz das beste wirtschaftliche Angebot unterbreiten. Die Abstimmung bei Errichtung und Betrieb der Ladesäulen funktioniert konzernintern deutlich schneller. Wichtige Kostenpunkte wie Personal oder IT-Infrastruktur können mit dem Stromnetz geteilt werden. "Player von außerhalb sind gegenüber Schwesterunternehmen der Netzbetreiber klar im Nachteil", so Rechtsexperte Adam.
Durchleitung als verpflichtendes Standardmodell
LichtBlick schlägt als Lösung die Einführung eines Durchleitungsmodells vor. Dieses ist auch bei anderen kapitalintensiven Netzwerken, wie dem Strom- und Gasnetz oder auch dem Telekommunikationsnetz, etabliert. Damit könnten Kund*innen überall den Stromtarif ihres frei gewählten Anbieters laden - zum transparenten und festen Preis. Ein solches Modell ist seit dem 1. Juni 2021 auch umsetzbar - allerdings nur auf freiwilliger Basis. Fraglich bleibt, wie viele Ladesäulenbetreiber sich von dieser freiwilligen Lösung überzeugen lassen. "Die Durchleitung muss zum verpflichtenden Standardmodell an allen öffentlichen Ladesäulen werden", so Markus Adam. "Am Ende zahlen sonst die Kund*innen drauf und der Elektromobilität wird ein Bärendienst erwiesen".
Derzeit beschäftigt sich auch die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts mit der Marktsituation, Erkenntnisse und Schlussfolgerungen werden gegen Ende des Jahres erwartet.
Über die Analyse
Die Recherche zur Verflechtung von Netzbetreibern und Ladesäulenanbietern basiert auf der Liste der Bundesnetzagentur. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht in monatlichen Abständen im Rahmen der Ladesäulenverordnung (LSV) gemeldete Daten zur öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur. Die Recherche basiert auf der veröffentlichten Liste vom 01. April 2021. Die Liste umfasst 19.589 Betreiber mit 35.845 Normalladepunkten und 5.906 Schnellladepunkten.
Quelle: LichtBlick SE (ots)