Geld ist nicht alles: Fairer Umgang bei Kündigungen am wichtigsten
Archivmeldung vom 20.10.2017
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtKündigungen sind ein unangenehmes Thema: Arbeitgeber müssen den Mitarbeitern, von denen sie sich trennen möchten, die schlechte Nachricht überbringen, für die Gekündigten bedeutet es eventuell eine existenzielle Krise. Trotz aller Notwendigkeit ist das Thema dennoch psychologisch weitgehend unerforscht. Die Doktorarbeit von Manuela Richter von der Saar-Uni zum Thema „Trennungsmanagement“ bringt hier Licht ins Dunkel. Die Psychologin hat untersucht, worauf es bei dem heiklen Thema Kündigung ankommt. Nun wurde sie von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie für die beste Dissertation in Deutschland auf dem Gebiet der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie ausgezeichnet.
Genaue Zahlen zu Kündigungen in Deutschland gibt es nicht, da das Thema ein Tabu in der Geschäftswelt ist. Anhand der Klagen gegen betriebsbedingte Kündigungen kann man aber in etwa ermessen, wie groß das Problem ist: In den vergangenen zehn Jahren waren im Schnitt etwa 200.000 Kündigungsschutzklagen pro Jahr vor deutschen Gerichten anhängig. Das bedeutet: Mindestens 200.000 Menschen jährlich werden betriebsbedingt entlassen, zum Beispiel, weil ihr Arbeitsplatz eingespart werden soll oder weil eine Firma in die Insolvenz geht und Stellen abbauen muss. Die tatsächliche Zahl betriebsbedingter Kündigungen dürfte noch höher liegen.
Dabei könnten sich Unternehmen und Arbeitnehmer öfter im Guten voneinander trennen. Denn wie in vielen Lebensbereichen macht auch beim Kündigungsgespräch der Ton die Musik: Schlägt der Chef einen scharfen Ton an, reagiert der Mitarbeiter deutlich häufiger konfrontativ auf die schlechte Nachricht, als wenn der Chef sich Zeit nimmt und dem Mitarbeiter die Situation und die Hintergründe erklärt. Schlecht geführte Gespräche führen nicht nur zu Frust, sie enden eben oft auch vor Gericht.
Manuela Richter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie von Professor Cornelius König, hat in ihrer Doktorarbeit erforscht, wie solche Gespräche besser geführt werden können – zum Wohle des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers. In vielen Hundert Befragungen, Interviews und Rollenspielen hat sie herausgefunden, dass den Gekündigten die Situation vor allem dann erträglicher wird, wenn sie fair und respektvoll behandelt werden. „Wir haben verschiedene Szenarien mit den Probanden durchgespielt. In manchen Kündigungsgesprächen wurden sie vom Vorgesetzten zum Beispiel sehr respektvoll und wertschätzend behandelt, erhielten aber eine unbefriedigende Erklärung der Kündigungsgründe oder keine Abfindung. In einem anderen Gespräch hingegen erhielten sie eine hohe Abfindung oder eine sehr transparente Auflistung der Gründe, wurden aber vom Chef nicht wertgeschätzt“, erklärt Manuela Richter die Bandbreite der simulierten Kündigungsgespräche. Anschließend wurden die freiwilligen Teilnehmer gefragt, wie sie das Gespräch empfunden haben, wie sehr sie sich über die Kündigung ärgern und wie sie ihrem Ärger Luft machen würden. Ergebnis: „Die Leute waren deutlich verärgerter, wenn sie zwar viel Geld, aber keinen Respekt oder keine Erklärung bekommen haben“, so Manuela Richter. „Die Dinge, die eben nicht bezahlbar sind, sind also am wertvollsten für die Gekündigten.“
In einem weiteren Schritt wollte die Psychologin nun herausfinden, wie ein Kündigungsgespräch idealerweise verlaufen muss, um beiden Parteien die unangenehme Erfahrung möglichst erträglich zu machen. Dazu hat Manuela Richter zwei verschiedene psychologische rollenspielerische Experimente entworfen. „In einer ersten Studie haben wir die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe lernte im Training sowohl die sachlich korrekten Argumente einer Kündigung zu vermitteln als auch den fairen Umgang mit den Mitarbeitern. Eine zweite Gruppe führte die Kündigungsgespräche ohne dieses Training“, erklärt Manuela Richter. So hat sie herausfinden können, dass der Verlauf des Gespräches mit geschulten Vorgesetzten und die Entscheidung eher akzeptiert wurden als in der Kontrollgruppe, in deren Gesprächen die Kündigung lediglich formal korrekt ausgesprochen wurde.
„Im zweiten Experiment wollten wir herausfinden, ob der Aspekt ‚formale Korrektheit‘ oder der Aspekt ‚Fairness‘ für die Akzeptanz des Kündigungsgesprächs ausschlaggebend ist“, erklärt Manuela Richter. Neben der Kontrollgruppe ohne Training gab es nun also zwei Trainingsgruppen: Eine, die beide Aspekte erlernte und eine, die nur im formal korrekten Ablauf des Gesprächs geschult wurde. „Wir haben herausgefunden, dass tatsächlich die Fairness der ausschlaggebende Faktor für den Verlauf des Kündigungsgesprächs ist“, resümiert die Wissenschaftlerin. Diejenigen Mitarbeiter, deren Vorgesetzte ausschließlich im formalen Ablauf des Gesprächs geschult wurden, waren ebenso unzufrieden wie diejenigen Mitarbeiter, deren Vorgesetzte gar nicht geschult wurden.
In der Unternehmenspraxis sehen die Psychologen der Saar-Uni noch Potenzial, um die Erkenntnisse sinnvoll anzuwenden. Unangenehme Gespräche, insbesondere Kündigungsgespräche, sind in den Führungsetagen der Unternehmen oft noch Tabuthemen. Wissenschaftlich fundierte Gesprächsleitfäden gibt es bisher nicht. „Die Wissenschaft kann es für alle Beteiligten leichter machen, unangenehme Botschaften zu ertragen“, ist sich der Doktorvater von Manuela Richter, Cornelius König, sicher. Schließlich sollte auch der Umgang mit schlechten Botschaften Teil der Unternehmenskultur sein. Denn sie gehören auch zum Alltag unserer Gesellschaft.
Manuela Richter wurde im September der Dissertationspreis der Fachgruppe Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) verliehen.
Quelle: Universität des Saarlandes (idw)