Hartz IV: Noch ein Hammer
Archivmeldung vom 25.04.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.04.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Michael DahlkeKürzlich kam ein weiterer Hammer der Regelungen von Hartz IV ans Tageslicht, etwas, was Schröder, Clement und Co. fein säuberlich unter dem Teppich gehalten hatten. Ein Bericht von rbi-aktuell
Ein Staatssekretär von Sachsen-Anhalt hat jetzt die Katze aus dem Sack gelassen: Arbeitslose im ersten Jahr ihrer Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosengeld I (ALG I) empfangen und einer „Bedarfsgemeinschaft“ mit Arbeitslosengeld-II-Empfängern (ALG II) angehören, werden nicht mehr von der „Arbeitsagentur“ betreut und haben keinen Anspruch auf die Hilfen, die anderen ALG-I-Empfängern zustehen.
Die ‚Bedarfsgemeinschaften’, so stellt sich jetzt immer mehr heraus, waren neben den „Ein-Euro-Jobs“ die schamloseste und infamste Erfindung der Hartz-IV-Gesetzgebung, für die alle fünf Parteien der Berliner „Nebenjob-Politiker“, SPD, Grüne, CDU, CSU und FDP verantwortlich gezeichnet haben.
Es reichte ihnen nicht, als sie darüber nachdachten, wie sie das Leben der Arbeitslosen zur Hölle machen könnten, daß jene, die zu Unterhalt verpflichtet sind, für die Arbeitslosen herangezogen werden, wie Ehepartner, Eltern von Minderjährigen usw., nein, sie mußten ein Konstrukt erfinden, wie überhaupt jeder, der einmal in der Wohnung des Verharzten angetroffen wird, als Grund herhalten muß, diesem die Leistungen zu kürzen oder zu streichen.
So kamen sie auf die Erfindung der ‚Bedarfsgemeinschaft’. Zunächst behaupteten sie, es gehe dabei lediglich um eheähnliche Gemeinschaften, denn dem Partner in diesen Gemeinschaften sei zuzumuten, auch mit seinem Einkommen für den Unterhalt der arbeitslosen Person aufzukommen. Das hörte sich fast noch normal an, obwohl es natürlich auch bereits unannehmbar ist, denn im Falle des Bezahlens von Steuern werden eben genau diese Gemeinschaften nicht anerkannt, um auf die Splitting-Tabelle zu kommen. Da wird mit zweierlei Maß gemessen, je nachdem, ob der Staat Geld erhält oder zahlen soll. Wie dies vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet wurde, das läßt tief auf die Befindlichkeiten unserer Verfassungsrichter schließen, die ja sowieso mit genau jener Politikerkaste verwoben sind.
Nun stellt sich aber heraus, daß in der Praxis von Hartz IV die Bedarfsgemeinschaften keineswegs nur auf eheänliche Gemeinschaften angewandt werden. Der Fragebogen z.B., den der Verharzte ausfüllen muß, sieht gar keine Möglichkeit vor, jemanden, der in der gleichen Wohnung lebt, nicht als Teil einer Bedarfsgemeinschaft zu erklären.
Damit fallen alle Arten von Wohngemeinschaften, von Zusammenleben in Familien automatisch in Bedarfsgemeinschaften. Wer auch immer in der Wohnung oder im Haus lebt, sei es einfach ein anderes Mitglied einer Wohngemeinschaft, seien es Geschwister, die Eltern von Erwachsenen, seien es Onkel oder Tante, alle sind automatisch heranzuziehen mit ihrem eventuellen Einkommen, damit dies die ALG-II-Leistung vermindert oder ganz wegfallen läßt.
Dem Verharzten wird überhaupt keine Wahl gelassen: Entweder er bringt Einkommensnachweise für diese Personen bei, dann fällt er meist aus dem ALG II heraus, weil diese Personen etwas verdienen, oder er bringt sie nicht bei, dann wird das ALG II sowieso nicht gewährt oder gekürzt, denn es wird vermutet, daß er sie nicht beibringt, weil diese Personen „genug“ verdienen.
Auf diese Art und Weise können sich die „Arbeitsagenten“ und Sozialamtsbeamten auch die Hausbesuche sparen, denn es braucht nichts mehr aufgeklärt zu werden. Zwar können die Verharzten theoretisch dagegen klagen, aber die Behörden legen einfach so lange Widerspruch gegen eventuell positive Gerichtsentscheidungen ein, bis dem Verhartzten die Puste ausgeht – denn die Klage hat keine aufschiebende Wirkung, die Verdikte der Behörde gelten, bis ein nicht mehr anfechtbares Urteil vorliegt.
All, dies, wie es wöchentlich auf den Montagsdemos berichtet wird, ist bereits eine Tragödie für das Volk. Nun hat aber der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium des Landes Sachsen–Anhalt, Haseloff, noch einen zusätzlichen Hammer der Öffentlichkeit zugängig gemacht, wie der ‚Mitteldeutsche Rundfunk’ kürzlich berichtete.
Lebt ein Verharzter in Bedarfsgemeinschaft (also im gleichen Haus oder gleicher Wohnung) mit einem Neu-Arbeitsloser, der im ersten Jahr noch Anrecht auf ALG I hat und darauf, nicht von der Sozialbehörde, sondern von der „Arbeitsagentur“ betreut zu werden, so verliert der ALG-I-Empfänger alle Rechte, die er im Gegensatz zum Verharzten hat, mit Ausnahme des Bezugs von ALG I.
Dabei handelt es sich z.B. um die Betreuung durch die „Arbeitsagentur“, durch einen „Arbeitsagenten“ und dessen Bemühungen, ihn zu vermitteln, um Vermittlungsgutscheine, die ihnen das Recht geben, private Jobvermittlungen umsonst in Anspruch zu nehmen, um sogenannte Mobilitätshilfen, wo für eventuelle Umzüge aufgekommen wird oder Zuschüsse zu Kosten für lange Anfahrtstrecken gegeben werden, und vieles mehr. In sogenannten Optionskommunen, in denen die Städte die ganzen Verharzten übernommen haben, hat der ALG-I-Empfänger nicht einmal mehr Anspruch darauf, auf die Stellenangebote der „Arbeitsagentur“ zugreifen zu können.
Das Gleiche trifft auch zu, wenn der ALG-I-Empfänger Wohngeld in Anspruch nehmen muß. Auch in diesem Fall wird er aus der Betreuung durch die „Arbeitsagentur“ herausgenommen und auf Sozialamt, Landratsamt usw. verwiesen.
Der Staatssekretär bezeichnete dies laut ‚Mitteldeutschem Rundfunk’ als Gesetzeslücke. Die ersten Antworten auf Nachfragen der Radiostation machen aber schon klar, daß es sich vielmehr um volle Absicht handelt. Die „Arbeitsagentur“ ließ verlauten, die Betroffenen könnten diese Leistungen ja trotzdem bekommen, auch wenn sie keinen Anspruch darauf hätten. So als ob das Arbeitsamt (jetzt: die „Arbeitsagentur“) jemals Leistungen vergeben hätte, auf die kein Anspruch bestand.
Haseloff weiß auch, was dahinter steckt:
"Die Bundesagentur für Arbeit entlastet sich auf Kosten der Langzeitarbeitslosen, weil Versicherungsleistungen aus ALG-II-Mitteln bestritten werden müssen.
Er sagt, daß etwa 10 bis 25% der ALG-I-Empfänger hiervon betroffen sind und daß hauptsächlich Familien darunter fallen. In seinem Bundesland, so gibt er an, beträfe dies 15.000 bis 38.000 ALG-I-Empfänger.
Damit wird immer deutlicher, was Rbi-aktuell bereits in einem Artikel im Oktober 2004 gesagt hatte:
Hartz IV ist nicht nur dazu geschaffen worden, um einen Niedriglohnsektor zu schaffen und ihn auf den gesamten Lohnsektor auszudehnen, sondern auch ganz speziell in der Absicht, den Arbeitslosen nach einem Jahr Arbeitslosigkeit und eventuell einer Übergangszeit keine oder nur noch verschwindend geringe Leistungen zukommen zu lassen, weit unter dem Regelsatz vom 345 Euro, was zu Elend und Obdachlosigkeit führt.
Quelle: http://www.rbi-aktuell.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=17&idart=476
Kommentar:
Täglich begegnen mir Menschen, die über diese und ähnliche Probleme mit Arbeitsamt und/oder anderen behördlichen Einrichtungen zu berichten wissen. Die Wut kocht und die Luft knistert, wenn nur das Wort Behörde ausgesprochen wird. Viele sind wieder bereit auf die Straße zu gehen und Ihrem Ärger Luft zu machen.
Aber man sieht keinen Sinn darin: den entweder geht man zur gesteuerten PDS/DGB Montagsdemo, wo einem das Mikrofon abgeschaltet wird, wenn man es wagen sollte die heißen Themen anzusprechen, oder man schließt sich den Bürgerrechtsgruppen an, die zwar Tacheles Reden , aber ebenfalls gesteuert agieren und als Bauernfänger dienen.
Ja, seine Meinung zu vertreten ist nicht leicht. Zu schnell wird man von den Gutmenschen in eine rechte Ecke und damit kalt gestellt. Oder man wird als Querulant und Aufrührer bezeichnet und im schlimmsten Fall, einfach mundtod gemacht.