Islamic Banking: Keine Zinsen, nur Gewinne
Archivmeldung vom 18.01.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNachdem sich in Europa die erste Euphorie über Islamic Banking gelegt hat, präsentiert sich die Anlageform zunehmend als ernstzunehmendes Geschäftsmodell der Banken. "Prinzipiell gibt es genug Nachfrage, doch muss diese nun aktiv bearbeitet werden und es braucht ein entsprechendes Angebot", erklärt Philipp Wackerbeck, Islamic-Finance-Experte bei Booz & Company, im Gespräch mit pressetext.
Eine Geldanlage, die mit dem Koran konform ist, wird immer interessanter für Anleger und Finanzdienstleister, leben doch laut Schätzungen zwischen drei und fünf Mio. Muslime in Deutschland. Der Geschäftszweig war mit Wachstumsraten bis 2008 einer der Boomsektoren der Finanzbranche.
Alkohol- und Tabakindustrie tabu
Die WestLB bietet beispielsweise mit dem Islamic Strategie-Index-Zertifikat ein risikoreduziertes Investment in die zehn größten islamkonformen Unternehmen Deutschlands. Die Risikoreduktion erfolgt durch eine Begrenzung der Verluste anhand einer Stopp-Loss-Strategie. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland http://zentralrat.de hat das Produkt zertifiziert und wird es auch in Zukunft regelmäßig prüfen.
Die Grundregeln der Anlageform: Zinsen sind verboten, erlaubt sind hingegen Gewinne aus Handel, Vermietungen oder Beteiligungen, bei denen der Geldgeber das Unternehmensrisiko mitträgt. Jedes Geschäft muss einen realen Gegenwert besitzen, Alkohol- und Tabakindustrie sowie Glücksspiel sind tabu. Beim Islamic Banking verwenden die Banken das Vermögen der Kunden, um Finanzierungen vorzunehmen. An deren Gewinn oder Verlust sind die Kreditinstitute beteiligt.
Begrenzte Unternehmensschulden erlaubt
Anleger profitieren von der Wertentwicklung der Unternehmen, deren Geschäft mit den islamischen Grundsätzen konform gehen. Unter den zehn deutschen Firmen befinden sich Adidas, BASF, Bayer, Deutsche Post, E.ON, Linde, RWE, SAP, Siemens und ThyssenKrupp. Die Schulden dieser Konzerne dürfen laut WestLB nicht über 30 Prozent des Gesamtvermögens liegen.
Das Risiko der Anlage ist gegenüber einem direkten Investment in die Aktien der im Index enthaltenen Unternehmen deutlich reduziert. Verliert der Islam-Index auf Schlusskursbasis acht Prozent oder mehr gegenüber dem Anfangspreis beziehungsweise dem Schlusskurs zum letzten Anpassungszeitpunkt, wird das Kapital am folgenden Handelstag vollständig in ein unverzinsliches Geldkonto umgeschichtet.
Experten zufolge wäre eine Immobilienkrise wie jene von 2007 in den USA in einem derartigen System nicht möglich gewesen. Wackerbeck jedoch warnt vor Pauschalierung: "Da im islamischen System strengere Beschränkungen beim Verschuldungsgrad bestehen, kann es zu einer Schuldenkrise nach US-Vorbild mit diesen Produkten nicht kommen. Aber auch das islamische System ist vor Krisen nicht gefeit, wie man an der Dubai-Krise erkennen konnte."
Zertifikat schützt vor Pleite nicht
"Vergleicht man den klassischen S&P 500 Index mit dem S&P 500 Sharia, sieht man, dass sich letzterer im Verlauf der Finanzkrise 2008 bis 2010 besser entwickelt hat", so Wackerbeck. Risikoreduktion hilft allerdings nicht, wenn die Bank selbst, also im vorgebrachten Beispiel die WestLB, pleite geht, da das Zertifikat eine Schuldverschreibung ist.
Bereits 2004 erhielt die Islamic Bank of Britain die erste Lizenz für eine islamische Bank in Europa. Bisher war auch nur England aktiv in diesem Bereich tätig, doch allmählich holt auch Deutschland auf. So bietet die Deutsche Bank ihren Service auch in Dubai an - Scharia-konform, versteht sich.
Quelle: www.pressetext.com/Jana Seywald