Deutsche Bank hat mehr Niederlassungen auf Caymans als in Frankfurt
Archivmeldung vom 08.04.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas globalisierungskritische Netzwerk Attac hat eine Liste von Tochtergesellschaften, Zweckgesellschaften und assoziierten Unternehmen deutscher Banken in Steueroasen veröffentlicht. Die Ergebnisse der Attac-Recherche sind frappierend: So unterhält die Deutsche Bank in Georgetown auf den Cayman-Inseln, wo fast 10.000 Hedgefonds ihre Adresse haben, mehr Niederlassungen und Zweckgesellschaften als am Konzernsitz Frankfurt am Main.
Im Steuerparadies Delaware* in den USA ist die Deutsche Bank an mehr Unternehmen beteiligt, als in allen deutschen Städten zusammen. Insgesamt hat die Deutsche Bank mehr als die Hälfte (51,35 Prozent) ihrer Tochter- und Zweckgesellschaften sowie assoziierten Unternehmen in Steueroasen angesiedelt. Damit belegt sie den Spitzenplatz gefolgt von der mittlerweile ebenfalls zur Deutschen Bank gehörenden Postbank (28,27 Prozent) und der Commerzbank (23,43 Prozent).
"Es ist ein Riesenskandal: Mit hunderten von Niederlassungen in Schattenfinanzplätzen enthalten die Banken der Allgemeinheit Steuern in Milliardenhöhe vor ganz so, als hätten sie nie von den staatlichen Bankenrettungen profitiert. Und die Politik lässt sie fast unbehelligt gewähren", sagte Jutta Sundermann vom Attac-Koordinierungskreis. Dabei sei davon auszugehen, dass die deutschen Institute keine Sonderrolle einnehmen, sondern sich alle Privatbanken in Europa ähnlich verhalten. "Und das, während viele Menschen in Europa einen bitteren Preis bezahlen für die teuren Bankenrettungen, die ihre Länder an den Rand des Bankrotts gebracht haben."
Eine weitere bittere "Nebenwirkung" von Schattenfinanzplätzen ist laut Attac die Stützung von Diktatoren: Diese schaffen das Geld, das sie ihren Bürgern abgepresst haben, an dieselben Orte, die Deutsche Bank, Commerzbank oder Unicredit bevorzugt für ihre Transaktionen nutzen. Detlev von Larcher, ebenfalls im Attac-Koordinierungskreis: "Solange demokratische Regierungen dagegen keine konsequenten Maßnahmen ergreifen, bleiben Solidaritätserklärungen mit den Protestbewegungen etwa in Nordafrika reines Lippenbekenntnis."
Doch auch im Inland bringt der Steuerwettbewerb zwischen den Städten und Gemeinden regelrechte Steueroasen hervor, von denen die Banken profitieren: So war der Attac-Recherchegruppe aufgefallen, dass in den Anteilsbesitzlisten der untersuchten Banken etliche Niederlassungen in der kleinen bayrischen Gemeinde Grünwald stehen. Dieser Ort kann nach einigen Kriterien als Steueroase bezeichnet werden: In der Kleinstadt mit 11.000 Einwohnern leben überdurchschnittlich viele Millionäre. 790 Firmen sind im lokalen Branchenbuch aufgeführt, darunter allein 24 Kapitalanlagegesellschaften. Ein rekordverdächtig niedriger Hebesatz für die Gewerbesteuer lockte sie nach Oberbayern.
Für ihre Recherche durchforsteten die Globalisierungskritiker die Anteilsbesitzlisten von Deutscher Bank, Commerzbank, Unicredit/HVB, Postbank, Deka Bank und DZ Bank. Anschließend glichen sie die Präsenz der Banken in verdächtigen Ländern mit einer Aufstellung der Schattenfinanzplätze ab, die das Netzwerk Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) erarbeitet hat.
Die Dokumentation der Banken-Aktivitäten in Steueroasen gehört zu den Vorarbeiten für eine neue Kampagne, die Attac in diesem Frühjahr startet: Das Netzwerk ruft dazu auf, den großen Privatbanken den Rücken zu kehren und sich für ein anderes Bankensystem stark zu machen. Motto: "Krötenwechsel jetzt! Bank wechseln ? Politik verändern!"
* In Delaware sind die Steuern äußerst niedrig und es bestehen keinerlei Veröffentlichungspflichten für Unternehmen, die mit nur einem Geschäftsführer und ohne Grundkapital gegründet werden können.
Quelle: attac Deutschland