Die Operationszentrale der Internetmafia
Archivmeldung vom 18.07.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.07.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVersteckt im Teutoburger Wald im Kurort Vlotho (8.000 Einwohner) an der schönen Weser (man kuriert hier Darmleiden) hat eine Art "Internet-Mafia" ihre Zentrale für ihr "operatives Geschäft" installiert.
Die Adresse lautet Mindener Straße 118 in 32602 Vlotho (Nordrhein-Westfalen). Das Haus: ein weißes doppelstöckiges Bürogebäude vor einer Kuhweide. Auf dem Weg dahin muss man einen Trecker nach dem anderen überholen. Am Eingang vier nichts sagende Firmenschilder: BWL Letter & Support GmbH, WEB Gesellschaft für Forderungseinzug mbH, VWL Verwaltungs gmbH und BWL Service GmbH & Co. KG. Wer arbeitet hier und warum?
Nach einer Polizeirazzia am letzten Montag wegen Geldwäsche und Betruges, bei der fünf Beamte im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hannover für Organisierte Kriminalität alle Firmendaten und den Geschäfts- und E-Mail-Verkehr auf CDs brennen ließen und mitnahmen, fasste ein Mitarbeiter Mut und packte gegenüber dem Finanznachrichtendienst www.gomopa.net aus.
"70 % aller deutschsprachigen Bezahlseiten wickeln über uns von Vlotho aus ihr operatives Geschäft ab", erzählt der Mitarbeiter. Dabei geht es um Rechnungen, Mahnschreiben, Widersprüche und Kontoführung für die österreichisch-arabisch-rumänischen Seiten Mega-Downloads.net, Firstload, Mymovies, Networx, netarena, 1000gratisproben, Antivir, Z4-Gewinner und ihre Ableger.
Interpol untersucht die Geldflüsse nach Wien und Dubai
Die deutschen Kripobeamten ließen durchblicken, dass alle beschlagnahmten Daten auch an die Kollegen von Interpol gehen, die sich insbesondere für die Finanzströme von Deutschland an die Finanzzentrale in Wien ( Österreich) oder auf Konten in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) interessieren.
Allein die Bezahlseite Firstload, die dem Österreicher Dr. Robert Fritzmann (50) gehört, nimmt laut dem Mitarbeiter im Jahr 25 Millionen Euro ein. Chefeintreiber für Firstload ist die Vlothoer WEB Gesellschaft für Forderungseinzug mbH. Chefin ist Heike Babenhauserheide (44) aus Kalletal bei Vlotho. Die Firma sitzt im Erdgeschoss des Bürohauses. Ein Stockwerk höher sammelt die BWL Letter & Support GmbH ein vielfaches Mehr von Internetopfern für Mega-Downloads.net ein. Ihr Chef ist Frank Babenhauserheide (45), Heikes Ehemann.
GoMopa: Wieviel Geld nimmt Mega-Downloads.net ein?
Insider: "An Spitzentagen 10.000 Euro."
GoMoPa: Wer verdient was?
Insider: "Die normalen Mitarbeiter wurden meist vom Arbeitsamt geschickt. Sie bekommen je nach Teil- oder Vollzeitjob bis zu 1.200 Euro brutto im Monat. Die Geschäftsfüher erhalten etwa 2.500 Euro brutto. Außerdem dürfen sie sich 7 Prozent vom eingehenden Geld als Provision entnehmen, netto. Um die Steuern kümmert sich unser Steuerberater Ralf Hasenbäumer aus der Südfeldstraße in Hiddenhausen. Er ist auch eine Art Rechtsbeistand in allen Firmen-Belangen."
GoMoPa: Was kommt denn da an Provisionen für einen Geschäftsführer zusammen?
Insider: "Das kommt darauf an, wie viele Konten er auf seinen Namen angemeldet hat und wie viel Geld darüber abgewickelt wurde. Claus Frickemeier (42) aus Herford zum Beispiel, der unsere erst im Dezember gegründete Ableger-GmbH L & H in Hannover geleitet hatte und dem im Mai 2009 fristlos gekündigt wurde, hatte in dieser Zeit für die Betreuung von vier Konten in Herford und Hannover eine Provision von 75.000 Euro kassiert. Das weiß ich so genau, weil unser Anwalt diese jetzt zurückfordert."
GoMoPa: Was hat Frickemeier falsch gemacht?
Insider: "Er hat zu viele Fragen gestellt. Zum Beispiel wollte er von unserem Chef, Frank Babenhauserheide, wissen, warum auf einem unserer Internetserver eine Exeltabelle abgelegt ist, in der alle 500 Anzeigen und Verfahren stehen, die gegen Frank Babenhauserheide, gegen unsere Büroanmieterin Bennette Buchwald in Hannover oder den Geschäftsführer unserer Inkassofirma Collector, Bernd Rogalski, in Herford vorliegen. Auch Verena Laub, die Freundin von Herrn Frickemeier, wurde entlassen, weil sie sich weigerte, unserem Anwalt eine Generalvollmacht für die Konten der L & H auszustellen."
GoMoPa: Wer gibt denn die Anweisungen?
Insider: "Der Chef für die Geschäftszentrale in Vlotho und unsere Ableger in Herford, Kalletal, Bad Salzuflen und Hannover ist Frank Babenhauserheide. Er war schon im ZDF. Das Magazin WISO hat mal einen Bericht über Inkasso-Unternehmen gedreht und hat Frank Babenhauserheide einen Tag begleitet. Unsere richtigen Chefs sitzen allerdings in Wien. Frank Babenhauserheide nennt sie immer die Gebrüder Fritzmann, obwohl es sich um Vater und Sohn handelt. Dr. Robert Fritzmann und sein Sohn Valentin (25) sind schon öfter bei uns in Vlotho gewesen. Vor kurzem waren sie aber auch in Herford bei unserer Firma Collector und haben viele Stunden mit Frank Babenhauserheide und Bernd Rogalski über die Krise beraten."
GoMoPa: Welche Krise meinen Sie?
Insider: "Na mit unserer neuen L & H GmbH. Wir wollten expandieren. Die L & H sollte unsere neue Abrechnunszentrale und unser neues Callcenter in der Färberstraße 3 in Hannover werden. Aber dann kündigte uns im Februar 2009 die Sparkasse Herford das Konto, weil in einem Monat 500 Buchungen eingingen und das Konto auf 250.000 Euro angewachsen war. Frank Babenhauserheide beruhigte uns, die Banken hätten mit Internetfirmen immer Probleme und hätten bei den vielen Buchungsvorgängen kaum Gewinne. Herr Frickemeier, der Geschäftsführer, hatte ja zum Glück noch drei weitere Konten bei der Deutschen Bank Hannover, der Dresdner Bank Hannover und der Sparkasse Hannover eingerichtet. Doch plötzlich teilte die Deutsche Bank Anfang Juni 2009 mit: Das Konto ist gepfändet. Gläubiger ist die Staatsanwaltschaft Hannover. Die Staatsanwaltschaft fror alle Konten der L & H ein. Unsere Anwalt hat Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft eingelegt und wird die Banken verklagen. Wir haben weiterhin Mahnbriefe an die Kunden verschickt. Vier Wochen später kam die Steuerprüfung ins Haus und jetzt das LKA."
GoMoPa: Wohin flossen denn die Gelder, wenn sie nicht eingefroren waren?
Insider: "Also das läuft so ab. Unsere ganzen GmbHs in Vlotho wurden auf Anweisung der Gebrüder Frizmann, wir nennen sie so, gegründet. Sie gaben die Namen vor wie BWL oder VWL oder L & H, die eigentlich keine Bedeutung haben, aber bei einer Google-Suche unendlich viele Einträge hervorzaubern. Dann schickten sie ihren Treuhänder. Das ist Helmut Steffel (25) aus Wien. Er ist der handelsrechtliche Geschäftsführer von Mega-Downloads.net und kam auch zur Gründung der L & H von Wien nach Hannover geflogen. Er brachte das Geld für die Firmengründung und für den Eintrag ins Handelsregister mit. Die Geschäftsführer werden danach ausgesucht, ob sie geeignet sind, bei mehreren Banken Konten zu eröffnen. Die Passwörter für das Internetbanking müssen sie an den Hauptbuchhalter der Gebrüder Fritzmann durchgeben. Das ist ein Reinhard Pils in Wien. Der ist auch der Buchhalter von der Firma InQnet, die Valentin Fritzmann gehört. Über Pils hat Fritzmann vollen Zugriff auf jedes Konto. Manchmal weist Frank Babenhauserheide aber auch die Geschäftsführer an, ein paar Hunderttausend Euro direkt auf Konten von unseren Firmen in Dubai zu überweisen."
GoMoPa: Und wie läuft die Arbeit in Vlotho ab?
Insider: "150 Call-Center-Agenten besetzen im Schichtbetrieb 75 Telefonplätze. Acht Bearbeiter für E-Mails und Widerspruchschreiben sowie drei Postfrauen schreiben, falzen und verschicken täglich 10.000 Briefe an Deutsche, Österreicher und Schweizer. Die Portokosten betragen monatlich bis zu 80.000 Euro. Wir mussten öfter mit der DHL verhandeln, um den Preis pro Brief auf letzlich 20 Cent oder noch weniger zu senken. Wir arbeiten mit einer Pitney Bowes, dem Flagschiff aller Frankiermaschinen, das über das schnellste Inkjet-Frankiersystem der Welt verfügt. Die Briefe werden automatisch auf drei Industrie-Druckern von Xerox gedruckt oder kopiert. Wir haben eine Falzmaschine und ein Laufband im Versandraum. Die Callcenter-Agenten von der 0180er-Hotline-Nummer arbeiten mit rauschfreien JABRA-Headsets. Unser Arbeitsmotto lautet: Wer ein Callcenter-Unternehmen betreibt, muss Menschen lieben."
GoMoPa: Was heißt lieben? Sie haben je nach Mahnstufe Briefe zwischen 100,50 und 145,50 Euro verschickt und haben eine Flut von Widersprüchen zurückbekommen.
Insider: "Ja, das stimmt. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte 1.000 Widerspruchsbriefe gegen die L & H, Megadownloads und Firstload. Aber die acht Mitarbeiter, die täglich die Widerspruchsbriefe öffnen und lesen, schauen wirklich nach, ob sich diejenigen angemeldet haben oder nicht. Sie werden auch gelöscht, insbesondere, wenn die Briefe von Rechtsanwälten oder gar der Polizei kommen."
GoMoPa: Wie reagierte denn Frank Babenhauserheide auf die eingefrorenen Konten, die Steuerprüfung und die Razzia der Polizei?
Insider: "Bei der Razzia war er gar nicht mehr da. Er hat nur 400 Meter von uns entfernt in Vlotho eine neue Bürozentrale aufgemacht, die die Gebrüder Fritzmann bezahlt haben. Das neue Geschäftsfeld sind jetzt Internet-Shops. Dazu werden Fernseher, Computer, Handys und andere Elektrogeräte aus Rumänien verschickt."
GoMoPa: Und die anderen Mitarbeiter in Vlotho und bei den Inkassobüros in Herford?
Insider: "Wir müssen während der Arbeitszeit unsere Handys ausschalten und dürfen auch nicht mehr im Internet surfen. Die Gebrüder Fritzmann haben angewiesen, den Maulwurf zu finden, der verraten hat, dass sie wegen der eingefrorenen Konten extra nach Herford zur Krisensitzung kamen. Da halten wir Mitarbeiter allerdings zusammen."
GoMoPa: Wir danken für das Gespräch.
Die Staatsanwaltschaft Hannover bittet um Mitarbeit:
Alle Geschädigten von Mega-Downloads.net und Firstload sollen sich schriftlich als Zeugen melden: Staatsanwaltschaft Hannover, Postfach 109, 30001 Hannover. Das Aktenzeichen lautet: 5302 Js 41769/09.
Quelle: GoMoPa (Siegfried Siewert)